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§219a: Deutschland, deine Politik ist frauenfeindlich!

Eine ganz persönliche Sicht auf Abtreibung, die unsere Community-Autorin Barbara aus dem Exil geschrieben hat – sie lebt mittlerweile in Frankreich. Hier gibt es das freie Recht auf Abtreibung bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche.

Auch ich war einmal ungewollt schwanger

Die anhaltende Diskussion in Deutschland um Abtreibung macht mich völlig fertig. Schon eine Weile lang verfolge ich die Schlagzeilen im Netz, die geplante Studie von Spahn, die Reaktionen darauf, die Sache mit §219a und je länger das geht, umso schlechter fühle ich mich. Dabei habe ich für Frust keinen Grund. Der ganze Kram mit Verhütung betrifft mich nicht mehr. Ich bin über 40, wenn ich nochmal schwanger werden will, müsste ich mir eine gute Kinderwunschklinik suchen. Zudem lebe ich in Frankreich, jede Apotheke würde mit die Pille danach ohne Rezept verkaufen und wenn ich kein Geld habe, gibt es sogenannte Familienplanungszentren, die würden mir das umsonst geben. Und wenn die Pille danach versagt, dann würde mir eine Hebamme oder ein Frauenarzt helfen, möglichst schnell und ohne große Aufwände abzutreiben. Es hinter mich zu bringen ohne Spießrutenlauf.

Überhaupt habe ich drei Kinder, meine Familienplanung ist abgeschlossen. Von meinen Kindern habe ich eines sehr früh bekommen. Damals war ich am Anfang meines Studiums und ungewollt schwanger und habe an eine Abtreibung gedacht. Ich war also genau in der Situation, um die es heute mit dem Paragraphen 219a geht. Ich finde es erschreckend, ja sogar schockierend heute zu realisieren, dass sich die Situation für Frauen in den letzten zwanzig Jahren nicht verändert hat, wenn sie nicht sogar noch schlimmer geworden ist!

Das Prozedere hat mich traumatisiert

Dieses Prozedere, dem ich mich damals aussetzen musste, um überhaupt Kontakt zu einem*einer Abtreibungsärzt*in aufnehmen zu dürfen können, hat mich traumatisiert. Meine Beratungsscheine aus dieser Zeit habe ich besser aufbewahrt als meinen Mutterpass. Den Mutterpass finde ich nicht mehr, meine Bescheinigungen, die ich für eine Abtreibung gebraucht hätte schon!

Die Frauenärztin, die mir die Bescheinigung ausstellte und mir die Adresse des Arztes gab, der sich um Frauen wie mich kümmerte, ließ mich die Herztöne des Kindes hören. Sie erklärte mir, in welchem Stadium der Embryo jetzt war, und machte mir klar, dass ich aus ihrer Sicht vorhatte, ein Lebewesen umzubringen. Sie behandelte mich wie eine potentielle Mörderin. Das Gefühl mit dem ich ihre Praxis verließ ist mit Scham bei weitem untertrieben. Und ich finde die Vorstellung schrecklich, dass junge Frauen in Deutschland sowas heute noch erleben müssen.

Was mir bei meiner Entscheidung wirklich geholfen hat

Was mir wirklich in meiner Entscheidung geholfen hat, war weder der Beratungstermin bei der Ärztin, noch das Gespräch in der Beratungsstelle, sondern der Termin bei dem Arzt, der die Abtreibung vornehmen würde. In sehr nüchterner Weise, wurde ich von dem Arzt untersucht und genau über den Verlauf, so wie die Risiken des Eingriffs aufgeklärt. Und erst als ich dieses Gespräch hinter mir und den Termin zur Abtreibung hatte, konnte ich mich dagegen entscheiden. Es war mir wichtig, soweit zu gehen, denn ich wollte das Gefühl haben, dass ich meine eigene Entscheidung getroffen hatte, frei. Alle anderen Gespräche empfand ich nur als Belastung. Eine Tortur, denen Frauen in Frankreich nicht ausgesetzt werden.

Es ist ein enormer Unterschied, ob eine Abtreibung ein grundsätzliches Recht der Frau ist, wie in Frankreich oder aber, ob eine Abtreibung als grundsätzlich krimineller Akt eingestuft wird, der unter Umständen vom Staat legitimiert wird, wie in Deutschland.

Warum, frage ich mich, will uns der deutsche Staat nicht das freie Recht auf eine Abtreibung geben? Warum werden unsere Körper immer noch als Gebärmaschinen betrachtet wie zur Zeit des Nationalsozialismus? Warum haben Frauen die Pflicht ein Kind gegen ihren Willen auszutragen und nicht das Recht sich dagegen zu entscheiden? Warum müssen sie sich einem Prozedere unterziehen, das an sich schon traumatisierend ist?

Unterstützt doch Familien statt Studien zu finanzieren, die niemand braucht!

Ich war damals alleine mit meinem Kind und hatte das große Glück, dass es in Baden Württemberg noch das Mutter und Kind Programm gab. Das war speziell für Alleinerziehende und half mir nicht nur meine erste eigene Waschmaschine zu finanzieren, sondern auch die Betreuung meines Kindes während meines Studiums. Es war unglaublich erleichternd und hilfreich und ohne diese Unterstützung hätte ich vielleicht nicht mein Studium geschafft. Allerdings gibt es diese Hilfe für Alleinerziehende heute nicht mehr. Der Wind änderte sich und als ich mich nach dem Studium selbstständig machen wollte, kam Harz IV und mit ihm eine Umstrukturierung.

Die deutsche Regierung sollte sich heute überlegen, ob sie nicht lieber Programme finanzieren wollen, die Einelternfamilien finanzieren, anstatt irgendwelche Forschungen über die psychischen Folgen einer Abtreibung . Oder von mir aus auch Stellen für Familienplanung bei denen sich junge Leute kostenlos die Pille und Kondome abholen können, sogar die Abtreibungspille verschreiben lassen wie in Frankreich! Wenn eine Frau ungewollt schwanger ist, ist es zu spät, dann wird es für sie psychische Folgen aus der Situation geben, ob sie abtreibt oder das Kind bekommt! „Le mal est fait“, wie die Franzosen sagen, die deutsche Politik sollte sich darauf konzentrieren, ihre Bürger*innen in dieser Situation zu unterstützen und aufhören, ihnen das Leben schwer zu machen.

Obwohl ich nach meinem Studium eine freie Anstellung an einem staatlichen Museum hatte, wurde mir die Unterstützung für meinen Status als Alleinerziehende gestrichen. Mein Kind ging schon in die Schule und den Hort, den ich gebraucht hätte, um überhaupt arbeiten zu können, musste ich selbst bezahlen. Damals bekam ich das Angebot für eine Forschung nach Frankreich zugehen und bin bis heute geblieben. Frankreich ist bestimmt nicht das Paradies der Kinderbetreuung und Karrierefrauen, wie es oft aus Deutschland gesehen wird, aber seine Familienpolitik und insbesondere die der Familienplanung ist deutlich weniger frauenfeindlich.

Deswegen liebes Deutschland, gib uns Frauen endlich unser Recht über unseren Körper selbst zu entscheiden!

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