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Diese Bücher empfehlen Feminist*innen über Liebe, Sex und Selbstbestimmung

Du suchst Lektüre für den Einstieg in feministische Diskurse? Möchtest deinen Horizont erweitern? Unser Partner Ze.tt hat Feminist*innen nach ihren Buchempfehlungen gefragt.

Nicht aller Anfang muss schwer sein, auch nicht das Herantasten an feministische Themen. Manchmal mag es vielleicht an Vokabular fehlen, Gefühle, Gedanken und Erfahrungen in geeignete Worte zu übersetzen. Oder wir brauchen einen Hinweis, um den Blick für Dinge zu schärfen, die wir bis dahin nicht wahrgenommen oder für selbstverständlich gehalten haben. Bücher können uns dabei helfen.

Unser Partner Ze.tt hat dreizehn feministische Autor*innen, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen gefragt, welche Bücher sie den Leser*innen empfehlen: sei es zum Einstieg oder zur Vertiefung in feministische Diskussionen. Manche haben uns auch persönliche Geschichten erzählt, warum das ein oder andere Werk ihnen besonders am Herzen liegt.

So ist eine Liste mit vielfältigen Empfehlungen zustande gekommen. Darunter sind bekannte Romane wie „Ein Zimmer für sich alleine“ von Virginia Woolf, Marvel-Comics, Essays oder Sachbücher wie „Vergewaltigung“ von Mithu M. Sanyal. Die Bücher erzählen von Kämpfen um sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, von Liebe und Solidarität. Sie bereichern außerdem den Diskurs um unverzichtbare Perspektiven von nicht-weißen oder queeren Personen sowie von Sexarbeiter*innen. Wir wünschen eine anregende Lektüre!

1. Asal Dardan empfiehlt „Reflecting Rouge: Inside the Mind of a Feminist“ von Pumla Dineo Gqola

„Das Buch symbolisiert für mich viele Facetten eines feministischen Lebens. Zum einen liegt das selbstverständlich an der Autorin und ihrem Text selbst. Die Essays in ‚Reflecting Rouge‘ sind sehr persönlich, zielen aber nicht auf eine biografische Erzählung. Vielmehr geht es der südafrikanischen Autorin Gqola darum, ihr Leben in Beziehung zu setzen zu der Gesellschaft, in der sie lebt – als Schwarze Frau, als Akademikerin, Autorin und Mutter. Das ist eine Form des Schreibens, die ich auch für mich gewählt habe. Doch es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich dieses Buch gewählt habe. Es wurde mir von meiner Freundin Christiane Frohmann empfohlen, die auf dem African Book Festival, das im April in Berlin stattfand, ein Gespräch mit Gqola leitete. Es steht also zum einen für die Erweiterung des kulturellen Lebens in Berlin, aber auch für eine feministische Freundschaft. Gqola schreibt viel über das kollektive Wirken von Frauen, wie sie sich stützen und inspirieren, gemeinsam wütend und verzweifelt sind, sich beraten und kritisieren. Das bedeutet Feminismus für mich: mit Frauen und queeren Menschen den vielen unterschiedlichen Herausforderungen des Lebens zu begegnen und dabei großzügig und zugleich kritisch zu bleiben.“

Asal Dardan ist Autorin und Kulturwissenschaftlerin. Derzeit schreibt sie an ihrem Essayband.

2. Ayesha Khan empfiehlt „Ms. Marvel“ von Sana Amanat und Stephen Wacker

„Ich habe lange überlegt, welches Buch ich wähle. Etwas aus meiner Jugend, aus der Studienzeit oder eins, das mich neuerdings empowert hat? Ich habe mich für die ‚Ms. Marvel‘-Comics entschieden. Mit Kamala Khan aka Ms. Marvel hat die Comicbuch-Autorin Sana Amanat die erste ‚Marvel‘-Superheldin erschaffen, die einen muslimischen und migrantischen Background hat – und zufällig den gleichen Nachnamen trägt wie ich. Kamala ist nicht nur eine Superheldin für junge Mädchen und Frauen, sondern besonders für Mädchen und Frauen of Color in einer weißen Mehrheitsgesellschaft.“

Ayesha Khan ist freie Autorin, intersektionale Feministin und Antirassistin.

3. Aylin Karabulut empfiehlt „Revolutionäre Frauen“ von Queen of the Neighbourhood Collective

„Ich schätze dieses Buch sehr, da es die Vielfalt von großartigen Feministinnen repräsentiert. Feministische Vorbilder brauchen viel mehr Sichtbarkeit! In diesem Buch werden 30 inspirierende feministische Ikonen porträtiert, die in ihren unterschiedlichen Identitäten, Positionen und Kämpfen die Diversität von Feminismen aufzeigen.“

Aylin Karabulut ist Migrations- und Ungleichheitsforscherin und Promotionsstipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.

4. Christian Schmacht empfiehlt „Stone Butch Blues: Träume in den erwachenden Morgen“ von Leslie Feinberg

„Das Buch nehme ich alle paar Jahre aufs Neue in die Hand, weil es nicht nur eine bewegende autobiografische Erzählung ist, sondern auch viele Facetten meines eigenen politischen Lebens berührt. Ich finde darin sowohl Sexarbeiter*innengeschichte, linke Bewegungsgeschichte, Auseinandersetzung mit Rassismus und mit Geschlecht. Protagonist*in Jess Goldberg ist butch, trans und weiße*r Arbeiter*in in den USA der 70er Jahre. Das Buch zu lesen, schmerzt, weil unsere Geschichte schmerzhaft ist, zugleich zeigt es den Kampf um ein queeres Leben lange vor Theoretiker*innen wie Judith Butler und Co. Das hilft mir über die Einsamkeit in meinem eigenen, komplizierten Leben hinweg. Mir gefällt auch, dass Feinberg aus einer Butch-Perspektive schreibt, die Femmes und Sexarbeiter*innen als unverzichtbaren Teil der queeren Community begreift.“

[Queer Lexikon: „Butch ist ein Begriff, der eine tendenziell maskuline Geschlechtspräsentation oder -identität beschreibt, insbesondere bei lesbischen oder queeren Frauen. Es wird oft dem Begriff femme gegenübergestellt. Butch kann aber auch eine nicht-binäre Identität sein.“]

Christian Schmacht ist trans* Sexarbeiter und Autor. 2017 veröffentlichte er die Novelle Fleisch mit weißer Soße im Verlag Edition Assemblage.

5. Felicia Ewert empfiehlt „Vergewaltigung“ von Mithu M. Sanyal

„Ich empfehle das Buch ‚Vergewaltigung‘, weil es umfassende Aufklärung über die Entwicklung des Begriffs im Laufe der Geschichte bietet, mit Mythen aufräumt und weißen Feminismus einer kritischen Untersuchung unterzieht.“

Felicia Ewert ist Referentin und Autorin des Buch Trans. Frau. Sein. (Edition Assemblage).

6. Hanna Herbst empfiehlt „Vagabundinnen“ von Christina Thürmer-Rohr

„‚Mittlerweile haben die zivilisierten Gesellschaften des weißen Mannes es geschafft, die Lebensbedingungen auf der Erde so weitgehend zu verderben, daß es zu einer absolut verrückten Herausforderung geworden ist, überhaupt leben zu wollen‘, schrieb Christina Thürmer-Rohr in den 1980er Jahren. Aber es wäre nicht Christina Thürmer-Rohr, würde sie diese Erkenntnis verzagen lassen. In ‚Vagabundinnen‘ schreibt sie mal zynisch, mal optimistisch, weder Tod noch Teufel fürchtend über eine sich vor der Atombombe fürchtende Welt, über die zerstörerische männliche Hybris und die Rolle der Frau als Mittäterin. Thürmer-Rohr ist gnadenlos, das macht riesigen Spaß für die Leser*innen. Und jeder ihrer Sätze ist ganz wunderbar.“

Hanna Herbst ist Journalistin und Autorin in Wien, würde aber lieber Schafe züchten.

7. Hengameh Yaghoobifarah empfiehlt „Nîtisânak“ von Lindsay Nixon

„Lindsay Nixons Buch ‚Nîtisânak‘ ist für mich nicht nur deshalb besonders, weil es mir ein sehr guter Freund geschenkt hat, sondern weil Nixon die Kombination aus Politik, Popkultur und Persönlichem mit einer poetischen und zugleich witzigen Erzählstimme auf den Punkt bringt. Die im ländlichen Kanada aufgewachsene First Nations Feminist_in schreibt in den Texten über Trauer und Verlust, rassistische Polizeigewalt, ‚Rape Culture‘, Dickenhass, Familie, queere Liebe, toxische Maskulinität, Heilung und Geschlecht aus indigener Perspektive. Oft habe ich in feministischer, popkultureller Non-Fiction inhaltlich etwas zu beanstanden, denn das Publizieren von Bücher bleibt selten jenen Autor_innen vorbehalten, die weder weiß, noch reich, noch hetero, noch cis, noch als konventionelles Eye-Candy vermarktbar sind. Aber Lindsay Nixon ist eine 10/10 – nicht aufgrund der Tatsache, dass Perspektiven wie die von Nixon meist unterrepräsentiert sind, sondern auch, weil Nixons Texte einzigartig sind.“

Hengameh Yaghoobifarah ist Journalist*in, taz-Kolumnist*in, Essayist*in und Redakteur*in beim Missy Magazine. 2019 erschien der gemeinsam mit Fatma Aydemir herausgegebene Essayband Eure Heimat ist unser Albtraum bei Ullstein fünf.

8. Kübra Gümüşay empfiehlt „Plantation Memories“ von Grada Kilomba

„Als ich vor fast sechs Jahren das erste Mal das Buch ‚Plantation Memories‘ von der in Berlin lebenden Künstlerin, Autorin und Wissenschaftlerin Grada Kilomba las, hatte ich das Gefühl, als habe sie mir höchstpersönlich einen Schlüssel in die Hand gedrückt. Einen Schlüssel zu einer Tür, die mich auf den Weg führen würde, die Welt mit anderen Augen zu betrachten– nämlich meinen eigenen. Sie beschreibt poetisch, eindrucksvoll und verständlich, wie Rassismus, Sexismus, Kolonialismus, Kapitalismus und viele andere Ismen dieser Welt miteinander wirken, um Traditionen des Unrechts und der Unterdrückung seit Jahrhunderten aufrecht zu erhalten. Es gehört zu den Büchern, zu denen ich immer wieder zurückkehre, darin blättere und nochmal lese. Ich bin dankbar für die Tür, die sie mir geöffnet hat.

Wer einen Feminismus anstrebt, der die Gesellschaft in seiner Komplexität begreift, die vielfältigen Zusammenhänge sichtbar macht und sich auch gegen andere Formen des Unrechts stark macht, kann mit diesem Buch beginnen und diesen Weg mit zahlreichen anderen Büchern fortsetzen.“

Kübra Gümüşay ist Autorin, Speakerin und Bloggerin. Sie schreibt und referiert zu den Themen Internet, Feminismus, Rassismus, Islam und Politik, startete den #Ausnahmslos und war Teil der Aktionsgruppe #Schauhin gegen Alltagsrassismus.

9. Magda Albrecht empfiehlt „Heavy Cross“ von Beth Ditto

„Auf ziemlich beein­druckende – und bedrückende – Weise schildert die Punkrock-Ikone Beth Ditto ihr Leben als junges Mädchen und Teenager in einer ländlichen und konservativen US-amerikanischen Kleinstadt, in der Gewalt weg­­geschwiegen und jede Abweichung von der Norm aufs Brutalste geahndet wird. Sie be­schreibt Armut, körperliche und sexualisierte Gewalt, Sexismen und Homo­­feind­lichkeit, aber auch ihre ersten musikalischen Erfolge sowie ihr feministisches und fettes Empowerment. Ein echtes ‚Riot Grrrrl‘ eben.“

Magda Albrecht ist politische Referentin, Autorin und Musikerin. Sie befasst sich mit Körper- und Gesundheitsnormen im Kapitalismus und vertritt die feministische Maxime My Body My Choice mit jeder Fettzelle ihres Körpers.

10. Mirna Funk empfiehlt „Der Konsum der Romantik“ von Eva Illouz und „Neü Sex“ von Sasha Grey

„Eva Illouz‘ ‚Der Konsum der Romantik‘ und Sasha Greys ‚Neü Sex‘ sind zwei Bücher, die jede*r Feminist*in gelesen haben sollte. Während das eine den Liebesbegriff soziologisch auseinandernimmt und erklärt, warum das, was wir als Liebe verstehen, nicht immer Liebe ist, thematisiert das andere, wie sexuelle Befreiung für Frauen aussehen kann.“

Mirna Funk ist Journalistin, Schriftstellerin, Kolumnistin und lebt in Berlin und Tel Aviv. In ihrem Werk und ihren Essays geht sie unter anderem den Fragen nach der Präsenz jüdischer Kultur in Deutschland heute und einer gegenwartsorientierten Erinnerungskultur nach. Ihr nächster Roman erscheint 2020 bei dtv.

11. Mithu M. Sanyal empfiehlt „Unser Körper, unser Leben. Our bodies, ourselves. Ein Handbuch von Frauen für Frauen“ und „Ein Zimmer für sich alleine“ von Virginia Woolf

„‚Unser Körper, unser Leben. Our bodies, ourselves. Ein Handbuch von Frauen für Frauen‘ ist das erste Buch der Frauengesundheitsbewegung. Hier geht es um körperliche Selbstbestimmung im basalsten Sinne: Informationen zu Do-It-Yourself-Medizin und selbstbestimmten Entscheidungen in Sachen wie etwa A wie Abtreibungen, über H wie Hefepilzinfektionen, bis hin zu Z wie Zysten. Es geht um Politik, die unmittelbar etwas verändert. Seitdem habe ich nie wieder eine Blasenentzündung gehabt (Spoiler: Aufguss aus Cranberries). Wer ist so cool wie Virginia Woolf, wenn sie schreibt? Da ist Wut, ohne die Notwendigkeit, das Gegenüber abzuwerten, Selbstkritik, ohne es dabei an Selbstverständnis fehlen zu lassen. Nichts braucht eine schreibende Person, egal welchen Geschlechts, so dringend wie dieses Buch. Und ein Zimmer für sich alleine.“

Mithu Sanyal ist Autorin. Sie schrieb die Bücher Vulva und Vergewaltigung.

12. Nicole Schöndorfer empfiehlt „Wenn Männer mir die Welt erklären“ von Rebecca Solnit

„Als ich das Buch 2015 gekauft habe, habe ich ein Foto davon gepostet und angekündigt, dass ich es von nun an überall hin mitnehmen würde, damit Männer im öffentlichen Raum gleich wüssten, mit wem sie es zu tun haben. Ich habe es natürlich nicht durchgezogen und ganz ehrlich, es hätte wahrscheinlich das exakte Gegenteil bewirkt. Männer hätten mich mit passiv-aggressiven und pseudo-ironischen Sprüchen wie ‚Soll ich dir auch etwas erklären?‘ belästigt. Ähnlich wie Mr. Important, der Solnit zu ihrem Buch inspiriert hat. Auf einer Party erklärte er ihr und ihrer Freundin eines ihrer eigenen Bücher und hörte erst nach dem dritten ‚Das ist ihr Buch‘ auf, sie vollzuquatschen. Solnit beschreibt, dass sie und ihre Freundin seither nicht mehr aufgehört haben zu lachen, und der Satz hat sich in mein Gedächtnis gebrannt.

Neben dem Text ‚Wenn Männer mir die Welt erklären‘, der eben die Dynamik von ‚Mansplaining‘ – das Wort wurde durch Solnit geprägt, obwohl sie es selbst nicht verwendet hat – anreißt, geht sie in den anderen Essays zahlen- und faktensicher auf Themen wie sexualisierte Gewalt und individuelle Fälle ein, um aufzuzeigen, wie Frauen übergangen und von Männern und der Gesellschaft zum Schweigen gebracht werden. Sie zeigt globale Verbindungen auf, bringt eine historische Komponente ein und interpretiert die Machtverhältnisse überzeugend. Naja, vielleicht klemme ich mir das Buch doch noch einmal unter den Arm in der Straßenbahn und warte, was passiert.“

Nicole Schöndorfer ist freie Journalistin und Autorin. In ihrem Podcast Darf sie das? kommentiert sie wöchentlich ein Thema. Es geht um Feminismus. 

13. Yasmine M’Barek empfiehlt „Bad Feminist: Essays“ von Roxane Gay und „Einführung in islamische Feminismen“ von Lana Siri

„Die Essays von Roxane Gay waren erleuchtend und so ehrlich und gaben mir die Möglichkeit, den eigenen Feminismus zu reflektieren. Historisch macht Gay in diesem Werk eine Zusammenfassung des Feminismus der letzen Jahre inklusive einer punktgenauen Bewertung. Ich habe dieses Buch an nicht wenige weiterverschenkt. Das Buch von Lana Siri hat mir entgegen vieler Außeneinflüsse den feministischen Kern meiner Religion erklärt, es war das erste feministische Werk, welches ich las. Es ebnete den Weg für viele weitere.“

Yasmine M’Barek ist freie Autorin. Sie studiert Politik in Köln und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit deutscher Innen- und Wirtschaftspolitik sowie Gesellschaft und Rassismus.

Der Originaltext von Mareice Kaiser, Eva Reisinger und Seyda Kurt ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.

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