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Eine Kurze Geschichte eines Wunsches Mutter zu werden

An meinem Wunsch Mutter zu werden hängt mehr als mir lieb ist. Kein Zufall steht ihm zur Seite. Nur er und ich. Und wir sind da sehr ambivalent. Noch. Meine Arbeit trägt vermutlich auch dazu bei. Wer weiß.

Spoiler: ich habe keine Kinder.

Eine schwere Last für so einen einzelnen Wunsch

Wenn ich so darüber nachdenke, hat mein Wunsch Mutter zu sein schwer zu tragen. An seiner Bedeutung und an seiner Verantwortung. Letztlich entscheidet er allein darüber ob ich überhaupt jemals Mutter werde.

Ihm steht weder der Zufall noch Unbewusstheit zur Seite. Nicht mal das oft noch starke “Macht man halt so – bin ja jetzt schon dreißig.” Maximal der Zeitdruck. Und der ist in seiner ganzen Art auch eher unangenehm.

Ich bin lesbisch, war auch noch nie mit einem Mann im Bett und das wird, sollte nicht irgendetwas ganz außergewöhnliches passieren, auch so bleiben. Als Lesbe lebt es sich in meiner Generation – trotz vieler noch bestehender Einschränkungen und subtiler Marginalisierung – schon recht gut.

Und trotzdem – die Kategorie Kinderwunsch oder viel mehr der Wunsch Mutter zu sein (da gibt es augenscheinlich einen Unterschied) ist in den letzten Jahren stetig weiter nach oben geklettert im Ranking der relevanten oder mir als relevant präsentierten Kategorien, die mein Leben als Frau in dieser Gesellschaft definieren … definieren sollen. Nach außen – aber doch bitte, na klar, auch nach innen.

Mit nun 33 Jahren, darf er da noch Pause machen? Muss er nicht schon unüberhörbar an die Tür klopfen und ungeduldig mit dem Finger auf die nicht vorhandene Uhr tippen?

Darf er sich bei all der Verantwortung überhaupt so etwas wie Ambivalenz oder Unsicherheit erlauben?

Man stelle sich nur vor, er wäre dann, zum vielleicht richtigen Zeitpunkt, nicht in all seiner Mächtigkeit da. Dann ist es vielleicht zu spät. Mit dem Muttersein. Und – je nach Verortung im gesellschaftlichen Wertekanon – mit dem erfüllten Leben als Frau.

Ganz im Ernst wird wohl nichts anderes so viel Kraft haben wie dieser Wunsch, mich über all die Hürden zu bringen, die zwischen mir und meiner Mutterschaft stehen. Ganz schön viel Last.

Manchmal gehe ich mit ihm ins Gespräch, schaue, wie es ihm geht und ob er eigentlich etwas braucht.

Vielleicht macht meine Arbeit als Geburts- und Familienfotografin etwas mit ihm – so umgeben von werdendem, ganz frischem und wachsendem Leben, von Menschen, die zu Müttern werden – in aller Konsequenz – auch von Traurigkeit und Zweifeln, von Ängsten und Wehen, von unfassbarem Glück. Aber was es mit ihm macht, ich weiß es nicht. Ich weiß ja auch nicht, wie es anders wäre.

Und ich weiß noch immer nicht, wie es mit uns weiter geht. Es wird sich zeigen.

Darf ich das?

Manchmal aber ist es fast merkwürdiger, sich kein Kind zu wünschen. Jetzt wo es doch alles so viel möglicher geworden ist. Es sogar nicht wenige Studien gibt (ja, die gibt es), die auch wissenschaftlich beweisen, dass Lesben und Schwule genauso gute Eltern sein können – und schlechte, wie alle anderen auch.

Zwischenfrage: Dürfen wir das auch? Dürfen wir schlechte Eltern sein? Wie viele Fehler und Unsicherheiten darf sich eine lesbische Mutter oder ein schwuler Vater erlauben, bis dieses offensichtliche (und völlig “normale”) Fehlen mit ihrer*seiner sexuellen Orientierung in Verbindung gebracht wird?

Manchmal erinnern mein Wunsch und ich uns an Zeiten, in denen wir stärker verbunden waren. Als zum Beispiel alle heterosexuellen Frauen in meiner Improvisationstheatergruppe fast gleichzeitig schwanger wurden und – natürlich – in einigen Proben voller Begeisterung ihre Erfahrungen mit allen teilten. Auch mein damals sehr starker Wunsch Mutter zu sein, war allen bekannt. Irgendwann bat ich darum, dieses Thema doch einfach in die Pausen zu verlegen, damit ich auch die Wahl habe, wie viel Schwangerenglück ich an diesem Abend ertragen kann. Kein Problem, machen wir. Ach und, keine Sorge, irgendwann passiert es auch bei dir einfach. –

Äh, nein. Tut es nicht, aber danke.

Du hast Zeit

Ich gebe meinem Wunsch Mutter zu sein einfach noch die Pause und den Raum, den er braucht. Versuche ihn zu schützen vor Druck, Bildern und Zwängen und mache ein bisschen Kunst Fotoprojekt MOTHER um diesem Thema dennoch zu begegnen. Ist ja a uch mein Wunsch und wenn der so ist wie ich, dann ist mit Druck eh nicht viel zu gewinnen.

Derweil schenke ich die ganzen schönen Öko-fairen Kindersachen und das tolle Holzspielzeug einfach den Kindern meiner Freund*innen.

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