Elizabeth Blackburn bekam 2009 den Nobelpreis für Medizin, für die Entdeckung eines „Unsterblichkeitsenzyms“. In einem TED-Talk erklärt sie, was jeder tun kann, um den eigenen Alterungsprozess zu verzögern.
Alles begann mit Wimpertierchen
Elizabeth Blackburn bekam 2009 den Nobelpreis für Medizin, für die Entdeckung eines „Unsterblichkeitsenzyms“. In einem TED-Talk erklärt sie, was jeder tun kann, um den eigenen Alterungsprozess zu verzögern.
Alles begann für die Molekularbiologin mit einem einzelligen Organismus, der zur Gattung der Wimpertierchen gehört: Tetrahymena. Blackburn spricht beinahe liebevoll von dem Einzeller – schließlich war er der Beginn einer steilen wissenschaftlichen Karriere, die 2009 mit dem Nobelpreis für Medizin gekrönt wurde.
In ihrem TED-Talk im vergangenen Jahr erklärte Blackburn äußerst unterhaltsam und auch für Laien sehr gut nachvollziehbar, was sie am Anfang ihrer Karriere unglaublich faszinierte: Die grundlegendsten Bausteine des Lebens – die Chromosomen, die unsere DNA und damit unser Erbgut enthalten. Ihre Forschung galt vor allem den Enden der Chromosomen, den so genannten Telomeren: Am Anfang ihrer Forschung habe sie nur gewusst, dass Telomere eine große Rolle spielten bei der Zellteilung, aber nicht, woraus sie bestanden. Und hier sei das Wimpertierchen ins Spiel gekommen, ganz einfach weil es jede Menge kurzer Chromosomen habe, 20.000, und damit auch jede Menge Telomere. Wie kann es sein, fragte sich Blackburn, dass sich unsere Zellen ständig teilen, und die DNA dabei intakt bleibt?
Ausfransen nicht erwünscht
In ihrem Talk erklärt sie die Funktion der Telomere anschaulich mit dem Beispiel der kleinen durchsichtigen Schutzkappen am Ende von Schnürsenkeln, die verhindern, dass das Ende des Schnürsenkels ausfranst: Bei jeder Zellteilung werden diese Schutzkappen an den Enden der Chromosomen kürzer. Werden sie so kurz, dass die DNA droht, auszufransen, senden sie ein Signal: Achtung, die DNA ist nicht länger ausreichend geschützt, Ausfrans-Gefahr! Die Zelle hört dann auf, sich zu teilen, und stirbt ab. So altern wir.
Bei ihrem Forschungsobjekt, den Wimpertierchen, stellte Blackburn nun fest, dass die Schutzkappen, also die Telomere, am Ende der Chromosomen trotz Zellteilung nicht kürzer wurden, manche wurde mit der Zeit sogar länger. Wimpertierchen sind unsterblich! Sie und ihre Mit-Preisträgerin Carol Greider entdeckten beim Wimpertierchen ein bisher unbekanntes Enzym, das in der Lage ist, Telomere zu verlängern, die beiden Forscherinnen gaben dem Enyzm den Namen Telomerase. Im Labor entfernten sie das Enzym bei ihrem Versuchsobjekt – die Telomere der Wimpertierchen wurden kürzer. „Eine unglaublich hoffnungsvolle Nachricht, die wir als Menschen vom Wimpertierchen bekamen,“ scherzt die Wissenschaftlerin. Denn, ganz grob gesprochen: „Je länger deine Telomere, desto besser dran bist du.“
Die Verkürzung der Telomere, so Blackburn weiter, führten zur Alterung des Organismus, sichtbar etwa durch äußere Anzeichen der Alterung: Hautzellen fangen an, abzusterben, feine Linien und Falten beginne sichtbar zu werden; Pigmentzellen der Haare sterben ab – die Haare ergrauen; Zellen des Immunsytems sterben ab – das Risiko, krank zu werden, steigt. Die Forschung der vergangenen 20 Jahre habe ergeben, dass der Verschleiß der Telomere das Risiko von Herz- und Gefäßkrankheiten, Alzheimer und einiger Krebsarten sowie Diabetes fördere.
Bitte eine Flasche Telomerase!
Dann also wäre ja alles ganz einfach, scherzt die Wissenschaftlerin in ihrem Vortrag – wenn Telomerase dazu führe, dass die Telomere sich nicht oder langsamer verkürzen, dann gelte: „Alles was ich tun muss, ist herauszufinden, wo ich diese Flasche mit reinem Fair-Trade-Bio-Telomerase herkriege“.
Das Problem: Telomerase in zu hoher Dosis erhöhe auch das Risiko für einige Krebsarten – allein deshalb sei es nicht angezeigt, in irgendeiner Form zu versuchen, Telomerase von außen zuzuführen, auch wenn es mittlerweile Anbieter höchst fragwürdiger Produkte gebe.
Blackburn macht klar: Es gehe ihr nicht darum, die Lebensspanne eines Menschen extrem auszudehnen, oder um das Thema Unsterblichkeit – es gehe um die Verlängerung der Lebensphase, in denen ein Mensch fit und frei von schweren Krankheiten ist, der so genannten Gesundheitsspanne. Die entscheidende Frage also: Wie schaffe ich es, die Verkürzung meiner Telomere so lang wie möglich aufzuhalten, ohne das Krebsrisiko zu steigern?
Verkürzt psychischer Stress die Telomere?
Im Jahr 2000 lernte Blackburn die Psychologin Elissa Epel kennen, die die Auswirkungen von chronischem psychischen Stress auf Körper und Geist der Betroffenen untersuchte. Epels Frage an Blackburn: Was passiert mit den Telomeren von Menschen, die chronisch unter schwerem psychischen Stress leiden? Epel hatte besonders Mütter untersucht, die ihre chronisch kranken Kinder über einen langen Zeitraum pflegten. Diese Frage, sagt Blackburn, habe sie dazu gebracht, Telomere in einem völlig neuen Licht zu betrachten: Jenseits der Chromosomen und der Gene habe sie plötzlich auf das Leben echter Menschen geblickt. Sie sei selbst Mutter, und habe nun auf diese Mütter geschaut, die erschöpft und ausgezehrt aussahen, und sie stellte sich die Frage: Könnte es tatsächlich sein, dass die Telomere dieser Frauen ebenfalls ausgezehrt waren?
Und tatsächlich, nach vier Jahren intensiver Studien mit einer Gruppe Frauen, die ihre kranken Kinder versorgten, kamen die Forscherinnen zu einem eindeutigen Ergebnis: Je länger diese Frauen ihre kranken Kinder versorgten, umso kürzer wurden ihre Telomere, unabhängig vom Altern der Frauen. Und je stärker sie ihre Situation als belastend und sich selbst unter starkem Stress einschätzten, desto kürzer waren die Telomere. Die bahnbrechende Erkenntnis: Das, was Menschen im Leben zustößt und wie sie darauf reagieren, verändert den Zustand der Telomere.
Stress als Herausforderung?
In der Studie versteckt, so Blackburn weiter, fanden sie und Epel Anlass zur Hoffnung: Einige der Frauen, die jahrelang ihre chronisch kranken Kinder versorgt hatten, hatten die Länge ihrer Telomere erhalten können. Die Forscherinnen untersuchten diese Frauen eingehend und stellten fest, dass diese resilienter Stress gegenüber waren als andere Frauen. Sie waren in der Lage, ihre Situation nicht jeden Tag als Bedrohung, sondern als Herausforderung zu sehen. Die bahnbrechende Erkenntnis:
„Wir haben Kontrolle darüber, wie wir altern, bis tief hinein in unsere Zellen“
Mehr als 10.000 Studien zum Thema, sagt Blackburn, hätten bis heute ihre Anfangsfeststellung bestätigt: Chronischer Stress ist schlecht für die Telomere.
Sie zitiert einige Studien, beispielsweise von Wissenschaftlern der „Universiy of California“ in Los Angeles: Studienteilnehmer, die einen an Demenz leidenden Verwandten pflegten, konnten den Erhalt ihrer Telomere allein dadurch verbessern, indem sie zwei Monate lang zwölf Minuten pro Tag eine bestimmte Form der Meditation machten. Eine wichtige wissenschaftliche Erkenntnis, so Blackburn: Die Haltung mache einen Unterschied. Wer in Stresssituationen zu negativen Reaktionen tendiere und große Mengen des Stresshormons Cortisol ausschütte, belaste damit auch seine Telomere. Wer Stresssituationen eher positiv als Herausforderung begreife, sorge für einen kurzen, energiespendenden Cortisol-Ausstoß, der den Telomeren nicht schade.
Die Neugierde der beiden Forscherinnen war geweckt: Welche Auswirkungen auf die Telomere haben Faktoren außerhalb des eigenen Körpers? Die Ergebnisse waren verblüffend: Schon in der frühen Kindheit beeinflussen Erfahrungen wie soziale Vernachlässigung, Gewalt und Rassismus die Telomere – und zwar langfristig; lebenslange Freundschaften oder lange Ehen wiederum wirkten sich positiv auf die Telomere auf, genau wie eine Wohngegend mit großem sozialen Zusammenhalt. Entspannungsverfahren wie Meditation und Qi Gong würden nachweislich Stress abbauen und die Konzentration des Enzyms Telomerase, das die Telomere regeneriert, erhöhen. Auch die Ernährung spiele eine große Rolle – Telomere, schreibt Blackburn in ihrem Bestseller „Die Entschlüsselung des Alters“, würden Würstchen, also industriell verarbeitetes Fleisch, hassen, frische und vollwertige Nahrungsmittel hingegen seien gut für sie.
Die mutmachende Botschaft von Blackburn lautet: Telomere sind ein Gradmesser für das, was einem Menschen im Leben widerfährt, seien es negative wie positive Ereignisse und Phasen – und jeder Mensch hat es selbst in der Hand, Einfluss auf den Zustand seiner Telomere zu nehmen.
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