In ihrer Twentysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche über Feminismus.
Was ist denn nur wieder los?
Die immer wieder gerne angeführte Opferposition von Feministinnen scheint gerade mal wieder das Ding zu sein. Na gut, in Wahrheit ist es der Netzfeminismus, den Ronja von Rönne aktuell in der Welt als gestörte Tochter des traditionellen Feminismus ausruft und auch in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung mockierte sich Autorin Friederike Haupt am vergangenen Wochenende über Frauen, die sich an belanglosen Daisy-Duck-Themen (Kaffee! Boys!) abarbeiten und sich den Netzfeminismus zum Hobby gemacht hätten. Man ist angeekelt, gelangweilt, unverständig. Bitte sehr. Lasst es raus. Denn natürlich ist das kalte Grausen der Leserschaft hierbei ebenso einkalkuliert, wie die Beifallstürme. Endlich mal wieder etwas, das die Foren heiß laufen lässt. Ich sehe schon den aufgeregten Sabber aus den Mündern jener laufen, die froh sind, dass endlich mal eine Frau wagt zu sagen, was gesagt werden muss.
Ich bin Feministin. Aber, was bedeutet so ein Satz heute, in Zeiten, in denen Feminismus, wie man hört, zur Performance geworden ist? Zu einem hippen Freizeitvertreib, unter dem sich tieferliegende Probleme zu verstecken scheinen. Ich weiß zumindest, was er für jemanden bedeutet, der da hineingewachsen ist. Nicht weil es so schön, sondern weil es nötig war. Mit Bauchschmerzen, mit Überzeugung und auch mit Zweifel. Aber mit einem ganz sicher nicht: einem Opfergefühl.
Die Haltung ist manchmal unbequem
Ich bin aufgewachsen mit einer Mutter, die mir und meinen Geschwistern immer wieder sagte: Wir Frauen müssen kämpfen, um zu bekommen, was uns zusteht. Ich nickte dann – und verstand es doch nicht so ganz. Ihre hitzige Haltung fühlte sich einfach irgendwie unbequem und überholt an.
Und als es gerade so schön war, da wurde ich auch schon älter. Ich las anders, ich hörte anders, ich verstand die Zeilen dazwischen und ich fing an zu arbeiten. Und mir wurde bewusst, dass wir leider noch lange nicht im Post-Feminismus angekommen sind. Dass es eben immer noch Mauern einzureißen und durchaus was zu tun gibt. Dass mein Gefühl von: „Ist doch alles da, ist doch alles geklärt“, die Lebensrealität eines weißen, heterosexuellen jungen Mädchens aus einem Akademikerhaushalt und damit nur eine von ganz vielen ist. Zugegebenermaßen eine, in der es sich sehr bequem aushalten lässt. Wenn man denn die Augen nur fest genug vor der Welt verschließt.
Zweifeln ist wichtig
Und es stimmt. Ich bin bei meinem Zweifel geblieben, was den Feminismus meiner Mutter angeht, darüber, wie sie ihn versteht und wie sie ihn lebt. Denn es ist nicht meiner. Wir blicken in die gleiche Richtung und doch kommt er aus einer anderen Zeit. Und ich habe meine Zweifel jenen gegenüber, die ihn bei ihr säten, auch wenn ich dankbar dafür bin, dass sie ihn möglich gemacht haben.
Und ja, zu jenen, an denen ich zweifle, zähle ich auch Alice Schwarzer. Warum? Weil sie synonym steht für einen Feminismusbegriff, der mauert, statt zu öffnen. Und damit für ein Verständnis von Frauenpolitik, die unsere Mütter einst stark, es uns Töchtern aber heute schwer macht, sich zugehörig zu fühlen. Zu kurz gedacht? Möglicherweise. Und doch ruft sie beim Gros Assoziationen hervor, die keine Identifikationsfläche bieten.
Wo auch die Wahrheit liegt, kommen wir in der politischen Arbeit nur weiter, wenn wir Raum für die Kritik an einzelnen Redensführern lassen, ohne gleich wutentbrannt “Bashing!” auszurufen. Wenn wir erlauben, jemand kritisch zu hinterfragen, der grundsätzlich in unsere Hände spielt. Ich will an keinem Ort leben, an dem ich Menschen, die ich für Meilensteine bewundere, nicht für Kiesel belangen darf. Denen ich großartige Gedanken zuschreibe und denen ich dennoch unfassbare Auswürfe zurückspucken möchte. Solidarität unter Frauen schließt für mich nicht aus, Frauen auch kritisch hinterfragen zu dürfen. Denn genau diese langatmigen Diskussionen sind es doch, die so viele von uns müde machen, die zuvor mit weit geöffneten Augen und Ohren in die Welt marschierten. Sie machen genauso müde, wie Altherrrenwitze, Männerclubs, Geklüngel und veraltete Gesellschaftsformen.
Weil wir für eine Sache stehen
Lasst uns backen, Schürzen tragen, Kinder gebären und lasst uns auf die Barrikaden gehen, lasst uns lieben, wen wir wollen, unsere Haare abschneiden, nur für den Job leben und alles, was dazwischen noch vorkommen mag. Und lasst uns zu einem Feminismus kommen, der nicht bequem, aber erträglich ist. Nicht weil er rund geschliffen wurde, sondern weil er diskutiert und debattiert werden kann, weitergetragen wird und umformbar ist. Denn: Wie soll gedeihen, was nicht gedüngt werden darf? Wenn es nach mir ginge, sind wir morgen bei einer Form, in der wir, egal wie wir ticken, sagen können: Ich bin Feministin. Weil wir für eine Sache stehen. Und trotzdem divers denken und viel mehr noch: laut darüber reden dürfen.
Ronja von Rönne ekelt der Feminismus an, so hat sie es für „Die Welt” aufgeschrieben. Mich ekelt es an, wie sie und andere sich mit mauen Argumenten an einem Thema abarbeiten, das so wichtig ist. Noch immer. Und noch lange. Mich ärgern diese Diskussionen innerhalb der feministischen Kreise um das Kleinklein, in denen sich tolle, schlaue Frauen über absolute Nichtigkeiten entzweien, statt einfach auf das gemeinsame Ziel zu schauen. Und es ermattet mich, wie öffentlich bekannter Feminismus noch immer mit einem halbverunsicherten Lächeln bedacht wird, dem alberne bis aggressive Kommentare folgen.
Mein Feminismus ist keine Kampfansage. Er ist eine Haltung. Und eine Einladung zum Gespräch darüber, was heute ist und wie das Morgen aussehen soll. Und die gilt verdammt nochmal Männern und Frauen. Es wäre so schön, wenn ihr sie annehmt.
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