In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: Ratschläge akzeptieren.
Expertenratschläge vom Museumswärter
Manchmal schätzt man Menschen ja völlig falsch ein, neulich zum Beispiel: Nachmittags mit Baby im Museum (blöde Idee, aber anderes Thema), Baby greint die ganze Zeit, während man selbst gerne die „zeitgenössischen Positionen in den USA und Mexiko“ studieren würde. Irgendwann halte ich dem Baby eine Baby-Reiswaffel Geschmacksrichtung „Mango“ („ideal für kleine Kinderhände“) hin und hoffe auf Ruhe, und sehe aus dem Augenwinkel sofort eine uniformierte Person auf mich zusteuern. Panikschweiß bricht aus, vor dem inneren Auge läuft natürlich sofort der Film ab, wie wir neulich zu fünft aus der Gemäldegalerie flogen, angeblich weil ich dem Kleinkind vorschriftswidrig einen Hirsekringel angeboten hatte (es mag auch daran gelegen haben, dass mehrmals die Laserschranken vor den Gemälden durchbrochen und falscher Alarm ausgelöst wurde).
Jedenfalls beginne ich in vorauseilendem Gehorsam eine Entschuldigung in Richtung der Uniform zu stottern, doch der Mann schaut bloß sehr bekümmert auf die Mango-Reiswaffel in der Babyhand und raunt mir berlinernd zu: „Ick an Ihrer Stelle würd ma aus Spaß Reiswaffeln und Arsenbelastung googeln“.
Giftstoffe in der Babynahrung? Ach, egal!
Ich wiederum will natürlich nicht schon wieder als komplette Rabenmutter dastehen und verschweige ihm, dass meine Pekip-Kursleiterin bereits vor sechs Jahren eingehend vor den Gefahren arsenbelasteter Reiswaffeln gewarnt hatte und ich diese Warnung, ja, ganz einfach und ganz bewusst ignoriert hatte. Ich gebe mich also überrascht-unwissend-schockiert. Der Mann in Uniform hält daraufhin einen längeren Expertenvortrag über die natürliche Arsenbelastung chinesischer Reisfelder und über den Skandal, dass die Rückstände dieser hochgiftigen Substanz selbst in so deklarierter Bio-Ware ihren Weg zum schutzlosen Endkonsumenten finden, der Mann berichtete weiterhin ausführlich von seine Enkelin, deren Gesundheit dank seiner Intervention nicht weiter durch Mini-Reiswaffeln gefährdet sei, und er schimpft auf die Nahrungsmittelindustrie und zuständige Behörden, die einen derartigen Lebensmittelskandal einfach totschweigen würden. Ich verspreche artig, mich ausführlich zu informieren, und unsere Wege trennen sich.
Warum ich vom Museumswärter erzähle? Ich wollte zur Abwechslung mal eine Lanze brechen für ungebetene Ratschläge, mit denen gerade Eltern ja oft behelligt werden, und es ist wirklich nicht so, als hätte ich darunter nicht selbst schon gelitten. Aber manchmal haben solche Ratschläge auch etwas sehr Rührendes. Weil sie derart gutgemeint sind. Ich denke, es kommt sehr stark auf die Stimmung an, in der man sich selbst gerade befindet. Sie entscheidet, wie gut man bei Ratschlägen von außen die Contenance wahren kann. Und, wenn man ehrlich zu sich ist, kann man oft mit genau den Ratschlägen besonders schlecht umgehen, die ein Thema betreffen, bei dem man vielleicht selbst nicht ganz im Reinen mit sich ist. Zumindest bei mir ist das so. Die Reiswaffelverfütterung konnte ich hervorragend vor mir selbst vertreten. Ich lebe schließlich seit sechs Jahren ganz gut mit meiner Schuld.
Heulen, beschimpfen, verfluchen
Aber auch ich kann natürlich auf dem falschen Fuß erwischt werden. Vor einiger Zeit transportierte ich ein Kleinkind nackt, sandverschmiert und völlig mit der Welt fertig (also, völlig fertig mit der Welt waren beide) auf dem Fahrradsitz nach Hause, nachdem es sich beim Abholen in der Kita aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen in einen derartig gewaltigen Tobsuchtsanfall reingesteigert hatte, dass es sich alle Kleider vom Leib riss und im Sand wälzte. Es dauerte etwa eine Stunde, bis ich das Kind irgendwie vom Hof bis auf die Straße befördert hatte, und ich bemerkte mehrere Kita-Väter, die verstohlen an den Straßenecken rund um die Kita herumlungerten, weil sie mich netterweise in Ruhe lassen wollten, sich offenbar aber nicht ganz sicher waren, ob ich allein in der Lage sein würde, die Situation zu bewältigen. Jedenfalls bekam ich von einem vorbeieilenden jungen Mann den sehr sinnvollen aber durchaus vorwurfsvoll klingenden Ratschlag: „Dem Kind müssen Sie doch was anziehen!“ (es war Juli, zu meiner Verteidigung), jedenfalls heulte dann nicht nur das Kind, ich heulte dem Mann eine Beschimpfung hinterher.
Ist also alles sehr situationsabhängig. Im Innenhof des Museums wiederum bekam ich eine freundliche Beratung einer jungen spanischen Mutter, die mit Blick auf den unschönen Zustand der Kopfhaut vom Reiswaffel-Baby darüber referierte, wie sie die Kopfhaut ihres Babys wieder krustenfrei bekommen hatte. Kuheiweiß könnte eine fatale Rolle spielen, sie habe es in Absprache mit ihrer Hebamme ja zwei Monate lang mit…..blablablabla…..ich starrte in eine andere Richtung, bis das Bild vor meinen Augen zu verschwimmen begann….Abschalten hilft natürlich immer am Besten. Wäre jetzt mal mein Ratschlag.
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