Maria Furtwängler und ihre Tochter Elisabeth haben eine Stiftung gegründet und als erstes die Darstellung von Frauen im deutschen Fernsehen und Film untersuchen lassen. Alle großen Fernsehsender und die wichtigen Film- und Fernsehfonds haben sich an der Studie der Universität Rostock beteiligt. Keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Sondereinsatz auf der Spur der alltäglichen Diskriminierung von Frauen. Heute wird in Berlin das Ergebnis vorgestellt.
UPDATE
Hier findet Ihr das Ergebnis der Studie, von der weiter unten die Rede ist:
https://malisastiftung.org/studie-audiovisuelle-diversitaet/
Stichworte:
1. Frauen sind deutlich unterrepräsentiert.
2. Wenn Frauen vorkommen, dann als junge Frauen. Ab dem 30. Lebensjahr verschwinden Frauen sukzessive vom Bildschirm.
3. Männer erklären die Welt: Sie sind die Experten, Gameshow-Moderatoren, Journalisten und Sprecher.
4. The Future is equal? Nicht wenn es nach dem Kinderfernsehen geht. Nur eine von vier Figuren ist weiblich
Sich immer wieder in Frage stellen
Vorbemerkung: Ich sag’s lieber gleich: Ich bin total voreingenommen. Schreib nie über jemanden, den Du persönlich gut kennst, lautet eine goldene Journalisten-Regel, über die ich mich mit diesem Text ausnahmsweise hinwegsetze; hier schreibt also die Privatperson Beate Wedekind und nicht die Journalistin.
Maria Furtwängler kenne ich, seit wir uns vor 33 Jahren zum ersten Mal auf einem Flur des Rockefeller Centers in New York begegneten, sie, die 18-jährige Tochter aus guten Hause und Jungschauspielerin, die neue, noch heimliche Freundin meines damaligen Chefs Dr. Hubert Burda, und ich, die Klatschkolumnistin von Bunte (und ja, ich habe damals dicht gehalten…)
Maria Furtwängler mag ich, weil ich im Laufe dieser drei Jahrzehnte – in denen wir mal weniger, mal mehr miteinander zu tun hatten – mit Interesse, Neugier und Sympathie habe verfolgen können, wie sie sich immer wieder in Frage stellt, auch heute noch, mit 50. Wie sie sich in den diversen Rollen ihres Lebens erprobt, solange, bis sie sich in ihnen sicher fühlt: Die begabte und ehrgeizige Schauspielerin, die an sich arbeitet, streng vor allem mit sich selbst. Die als Tatort-Kommissarin Charlotte Lindholm außerordentlich erfolgreich und beliebt ist, die in dem Kinofilm “Das Wetter in geschlossenen Räumen” bis an ihre Grenzen ging, die jetzt anfängt, selbst Stoffe zu entwickeln für Filme, in denen Frauen ihres Alters differenzierte Rolle spielen. Die Ehefrau eines erfolgreichen Verlegers, dessen Stellenwert in der Gesellschaft sie herausfordert, ihr eigenes Profil zu schärfen und sich von den Möglichkeiten, die sein Metier mit sich bringt und von seinem Wohlstand nicht verderben zu lassen. Die als Mutter, Tochter und Freundin ihr privates Leben schützt und so auch sich selbst, die jede Herausforderung, die eingeplanten und die unvorhergesehenen, annimmt und meistert. Sie und Hubert Burda sind seit 25 Jahren verheiratet, die beiden Kinder sind aus dem Haus. Den Kilimandscharo hat sie erklommen. Als Schauspielerin ist sie mit allen relevanten Preise ausgezeichnet worden, und mit Verdienstorden für ihr soziales Engagement. Was will man mehr?
Schon lange engagiert für Mädchen und Frauen
Richtig gut aber finde ich sie, weil all die Gelegenheiten, all die Aufmerksamkeit und all die Anerkennung sie nicht haben satt werden lassen, sondern sie weiter auf der Suche bleibt nach der größeren Aufgabe, einer, bei der sie wirklich etwas bewegen kann. Das nämlich ist ihr Ziel, das will sie erreichen: Sie will nachhaltig beitragen zur Verbesserung von Situationen, zur Lösung von Problemen. Ihre eigenen, die hat sie im Griff, mit denen kann sie leben, selbst dann, wenn sie sie nicht lösen könnte. Was sie nicht ertragen kann, ist die Ungerechtigkeit, ist das ewige Dilemna, dass Frauen einfach immer noch Menschen zweiter Klasse sind in allen Teilen unserer Welt.
Und so engagiert sich Dr. Maria Furtwängler-Burda unter maximaler Ausnutzung ihres Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades schon seit etlichen Jahren mit Organisationen wie den German Doctors, der Kampagnen-Organisation ONE und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für Frauen und Mädchen in Entwicklungsländern, für deren Gleichberechtigung, für deren Gesundheit, gegen die vielen Formen von Verachtung und Gewalt, unter denen sie zu leiden haben.
So hat sie mit ihrer Tochter Elisabeth und den German Doctors vor sechs Jahren auf den Philippinen das MaLisa Home gegründet. Das bietet jungen Frauen Zuflucht, Schutz, Ausbildung und Zukunftschancen, die in ihrem Leben als Zwangsprostituierte nur Angst, Unterdrückung und Gewalt kennen gelernt haben.
Maria Furtwängler und ihre Tochter Elisabeth bei einem Besuch des von ihnen gegründeten MaLisa-Heims auf den Philippinen. Hier finden junge Frauen Zuflucht und Unterstützung, die Opfer von Zwangsprostitution und häuslicher Gewalt geworden sind. (Foto: MaLisa Home)
So hat Maria Furtwängler als eine der 75 Teilnehmerin der Internationalen Frauenkonferenz der Bundeskanzlerin im Vorfeld des G7 Gipfels 2015 durch ihre Beharrlichkeit dafür gesorgt, dass das Thema Gewalt gegen Frauen auf der Agenda von G7 erhöhte Aufmerksamkeit bekam. In diesem Kontext hatte ich die Gelegenheit, mit ihr zusammen zu arbeiten.
Beeindruckt bin ich vor allem von der unerschütterlichen Entschlossenheit, mit der sie die Interessen der Frauen, die sie unterstützt, verfolgt. Egal, ob sie mit der Bundeskanzlerin spricht oder mit Bill Gates, stets ist sie bestens informiert bis ins Detail und lässt nicht locker, bis sie überzeugt ist, dass sie etwas auf den Weg gebracht hat. Es sind die Begegnungen mit den betroffenen Frauen selbst, mit denen, die an der Wurzel der Probleme arbeiten, mit der Sozialarbeiterin in Indien oder der Frauenministerin von Afghanistan, die sie anspornen, nicht nachzulassen, genauer hinzugucken, auch bei uns.
Die MaLisa-Stiftung
So hat sie sich in den letzten Monaten im Hintergrund in eine neue Rolle eingearbeitet, in eine Rolle, für die es kein Drehbuch gibt und keine Regieanweisungen außer ihrem Sinn für Gerechtigkeit und dem klaren Blick auf das Wesentliche, eine Rolle, die wahrscheinlich die relevanteste ist von allen, die sie bisher beruflich inne hatte. Sie teilt sich diese Rolle mit ihrer 24-jährigen Tochter Elisabeth, gemeinsam sind sie Gründerin und Vorsitzende ihrer eigenen Stiftung. MaLisa-Stiftung heißt sie, Ma wie Maria und Lisa wie in E-lisa-beth. Lisa ist Singer Songwriterin und mit ihrem Vater und ihrem Bruder Mitinhaber des Burda Familienunternehmens und wie ihre Mutter Feministin aus Überzeugung.
Das Ziel der MaLisa-Stiftung ist die Stärkung von Frauen und Mädchen in einer freien, gleichberechtigten Gesellschaft.
International engagiert sie sich für die Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
In Deutschland setzt sie sich zudem für gesellschaftliche Vielfalt und die Überwindung einschränkender Rollenbilder als geschlechtsspezifische Formen der Diskriminierung ein.
Schwerpunkt der ersten Initiativen der MaLisa Stiftung ist die Darstellung von Frauen und Männern in den Medien.
Was Mutter und Tochter generationsübergreifend mit der Arbeit der MaLisa-Stiftung vorhaben, kann man getrost eine Revolution nennen. Sie wollen, dass sich das Frauenbild, das uns tagtäglich im Fernsehen, im Kino, in Musikvideos, in den Medien und Social Media vorgesetzt wird, und dem wir uns nur schwer entziehen können, grundlegend ändert.
Erste Studie mit Beteiligung aller Fernsehsender
Die beiden Stiftungsgründerinnen sind pragmatisch genug zu erkennen, dass ohne die Erhebung von validen Daten Ziele nicht klar definiert werden können, sind realistisch genug, dass sie nur dann etwas werden bewegen können, wenn sie starke Allianzen bilden.
Und so war schnell die Herangehensweise für den Anfang der Arbeit der Stiftung gefunden. Als ersten Schritt gab die MaLisa-Stiftung eine Studie mit dem etwas sperrigen Namen „Geschlechterdarstellung in Fernsehen und Film in Deutschland“ in Auftrag, in der die renommierte Medienforscherin Prof. Dr. Elizabeth Prommer von der Universität Rostock die so genannte audiovisuelle Diversität untersuchte. Und sich dabei die ganze TV-Programmpalette und des Kinos in Deutschland vornahm: Fernsehfilme, Show und Unterhaltung, Informations- und Nachrichtensendungen und Kinofilme.
Klartext: Was sind das für Bilder? Welche Wirkung haben sie, welche Fakten und welche Standards schaffen sie? Wie beeinflussen sie unser Selbstbild und das Bild, das sich andere von uns Frauen machen.
Als Grundlage für die Studie dient eine detaillierte Analyse von über 3.000 Stunden TVProgramm aus dem Jahr 2016 und über 800 deutschsprachigen Kinofilmen aus den letzten sechs Jahren. Dabei wird die Rolle von Frauen und Männern sowohl in fiktionalen Produktionen und Unterhaltungsformaten als auch deren Platzierung und Darstellung als Experten bzw. Expertinnen bei journalistischen und dokumentarischen Beiträgen untersucht. Ziel ist es, die
charakteristische Darstellung weiblicher und männlicher Rollen in audiovisuellen Medien zu ermitteln. Die letzte repräsentative Untersuchung in Deutschland liegt über 20 Jahre, in Bezug auf Kinderfernsehen über zehn Jahre zurück.
Ich will nichts vorwegnehmen, aber bei der Vorstellung der Untersuchung wird ein Ergebnis vorgestellt (über das in Edition F an anderer Stelle berichtet wird), das einerseits nicht so richtig überraschend ist, andererseits aber besonders erschreckend.
Weil aber bei der Vorstellung der Studie selbstverständlich das Ergebnis im Vordergrund steht, möchte ich aber doch etwas vorweg sagen, nämlich, dass den beiden Stiftungs-Gründerinnen schon im Vorfeld etwas Einmaliges gelungen ist. Sie haben, was alles andere als selbstverständlich ist in diesen Zeiten von Kampf um Marktanteile und Einschaltquoten, die Programmverantwortlichen ins Boot geholt. Tatsächlich haben alle vier großen Sendergruppen – ARD, ZDF, RTL, Pro7Sat1 – die von der MaLisa-Stiftung initiierte Untersuchung auch zu ihrer Sache gemacht. Ebenso an Bord sind die Film- und Medienstiftung NRW, der Film- und Fernsehfonds Bayern und die Filmförderung FFA.
Wenn sich also die ARD-Vorsitzende Karola Wille, ZDF-Intendant Thomas Bellut, Frank Hoffman, der Geschäftsführer von RTL, Wolfgang Link, der
Programmgeschäftsführer von Pro7Sat1, und Petra Müller für die Film- und Medien-Institutionen jetzt in der Berliner Akademie der Künste der Presse stellen (Moderation: Petra Gerster vom ZDF), dann werden sie nicht um den heißen Brei herumreden können und sie werden sich in die Pflicht nehmen lassen müssen. Sie sind für die Programme verantwortlich und sie werden auch diejenigen sein, die die Entscheidungen für Veränderungen treffen.
Wenn sie uns, ihr Publikum, nicht verlieren wollen, dann werden sie neue Wege gehen müssen. Die Studie der MaLisa-Stiftung liefert dazu die Facts and Figures.
Nicht locker lassen
Und so wie ich Maria Furtwängler im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit erlebt habe, so wird sie nicht locker lassen, bis sich wirklich was bewegt. Die nächste Untersuchung der MaLisa-Stiftung ist bereits in der Mache. In der geht es um eine umfassende Analyse der Darstellung der Frau in den 100 Top Musikvideos in Deutschland und den USA. Vorgestellt wird das Ergebnis im August während der c/o pop Messe in Köln..
Zum Schluss möchte ich noch zwei persönliche Anmerkungen machen:
Erstens: Ich weigere mich schon seit Jahren, das “normale” deutsche Fernsehen ernst zu nehmen – bis auf Nachrichten und Dokumentationen, einige Talkshows und ganz gezielt Fernsehfilme und Krimis von bestimmten Regisseurinnen und Regisseuren. Mit dem Nachmittags- und dem Vorabendprogramm finde ich mich als erwachsener Mensch, zudem als Frau im “wahren Leben”, die sich auch gesellschaftspolitisch engagiert, einfach hereingelegt – und, dazu brauche ich als Zuschauerin eigentlich gar keine Untersuchung – schon gar nicht wider gespiegelt. Ich stelle mir vor, wie dieses Programm auf andere Menschen wirkt, insbesondere auf junge Frauen und junge Männer, auf Jugendliche. Ja, ich finde, dass das Programm des deutschen Fernsehens unterschwellig der Diskriminierung von Frauen und Mädchen Vorschub leistet.
Zweitens: Als leidenschaftliche Zeitungs- und Zeitschriftenkonsumentin – und frühere Chefredakteurin von Elle und Bunte (beide aus dem Burda-Verlag) – meine ich, es ist höchste Zeit, dass sich nach den Fernsehanstalten nun auch die großen, den Markt beherrschenden Verlage ebenfalls zusammen tun, um das Bild von uns Frauen, das in Zeitungen und Zeitschriften gedruckt und online permanent abgeben wird, ebenso akribisch untersuchen zu lassen.
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P.S. 1: Wer übrigens glaubt, dass Maria und Elisabeth Furtwängler von Diskriminierung verschont bleiben, weit gefehlt. Beide machen immer wieder sowohl im Beruf als auch im öffentlichen und ja, auch im privaten Leben einschlägige Erfahrungen. Über außergewöhnliche Möglichkeiten, sprich Privilegien, verfügen zu können, heisst beileibe nicht, dass man sie gleichberechtigt ausschöpfen kann.
P.S. 2: Über den Titel und den Vorspann des ansonsten gut gemachten Gesprächs, das eine Kollegin und ein Kollege diese Woche im Spiegel mit Maria Furtwängler im Zusammenhang mit der Studie geführt haben, habe ich nur den Kopf schütteln können. Ausgerechnet bei einem Thema, bei dem es grundsätzlich um die herabmindernde Darstellung von Frauen geht, wird die Frage, ob sie mit Stöckelschuhen nicht zu groß für ihren Mann sei, in den Vordergrund gestellt. Maria Furtwängler hat souverän geantwortet.
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Das ist die URL der niegelnagelneuen Webseite der MaLisa-Stiftung, die heute online gestellt worden ist.
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Wer sich ein persönliches Bild von Maria Furtwängler machen möchte, hier ist ein Video, in dem Moritz von Uslar ihr 99 Fragen stellt und sie 99 x schlagfertig beantwortet, ihre persönliche Website und die Seite des MaLisa-Home auf den Philippinen.
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In meiner Facebook-Gruppe WE_NOW WomenEmpowermentNow findet Ihr mehr über die Stärkung von Frauen und Mädchen, besonders auch in Entwicklungsländern.
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