Am Montag erhob die kalifornische Videospieldesignerin Nathalie Lawhead Vorwürfe gegen einen Kollegen, der sie vergewaltigt haben soll. Dadurch ermutigte sie zwei weitere Frauen, ihre Erfahrungen öffentlich zu machen.
In den vergangenen Jahren sind nur wenige Fälle sexualisierter Übergriffe in der Games-Branche bekannt geworden. So etwa durch den Spiele-Pionier und Atari-Gründer Nolan Bushnell. Hatte es sonst keine weiteren Übergriffe gegeben? Oder war die #MeeToo-Bewegung an dieser Industrie weitestgehend spurlos vorbeigegangen? Lange schien es so. Doch jetzt wird gleich mehreren hochrangigen Videospiel-Entwicklern aus Kanada, den USA und Großbritannien sexualisierter Missbrauch vorgeworfen.
„Ich hoffe, andere Frauen vor ihm zu schützen, in dem ich meine Geschichte öffentliche mache.“
Netzkünstlerin und Videospieldesignerin Nathalie Lawhead
Zuerst war es die kalifornische Netzkünstlerin und Videospieldesignerin Nathalie Lawhead, die am Montag in einem Blogeintrag mit der Überschrift „calling out my rapist“ angab, von dem bekannten Komponisten für Film- und Videospielmusik Jeremy Soule (Total Annihilation, Icewind Dale, Dungeon Siege, The Elder Scrolls III: Morrowind u.v.m.) vergewaltigt worden zu sein. Der Fall habe sich im November 2008 ereignet. In ihrem Text wolle sie öffentlich machen, was sie seitdem durchgemacht habe, so Lawhead: „Es ist mir egal, was sie mir antun werden, oder was die juristischen Folgen sein werden. Es ist zu schwer, nichts zu sagen, ich halte das nicht länger aus. Und ich hoffe, andere Frauen vor ihm zu schützen, in dem ich meine Geschichte öffentliche mache.“
In ihrem Text erzählt Lawhead, wie sie und Soule sich nach einer Weihnachtsfeier eines Entwicklerstudios in Vancouver, für das sie beide zu diesem Zeitpunkt arbeiteten, angefreundet hätten. Sie hätte ihm von Anfang an klar gemacht, dass sie ausschließlich an einer Freundschaft interessiert sei, so Lawhead. Sie berichtet, wie Soule ihr Vertrauen gewonnen habe, indem er vorgab, schwere Zeiten durchzumachen und jemanden zum Reden zu brauchen. Doch dann habe er begonnen, ihre Position in der Firma zu bedrohen und ihr durch sexistische und frauenfeindliche Äußerungen Angst zu machen. Als Lawhead begonnen habe, ihn abzuweisen, habe Soule sie vergewaltigt. Lawhead schreibt darüber, wie sie Angst davor gehabt hätte, ihre Arbeit zu verlieren, wenn sie sich gegen Soule gewehrt hätte. Auch nach dem Vorfall soll er sie belästigt haben. Aus diesem Grund hätte sie unter anderem weiterhin Jobaufträge von ihm angenommen, für die sie nicht bezahlt worden sei. Ihre Aussagen belegt sie mit einer Reihe von Dokumenten und E-Mails.
Zwei weitere Frauen fühlten sich durch Lawhead ermutigt, ihre Erfahrungen zu teilen
Noch am Montag ging an eine weitere Frau mit ähnlichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit. Zoe Quinn, Spieldesignerin und Autorin, schrieb auf Twitter, sie habe den Blogeintrag von Nathalie Lawhead gelesen: „Es brach mir das Herz. Ich schämte mich aber auch. So viele kleine Details, die sie beschreibt, sind Dinge, die ich auch durchgemacht habe.“ Ihr Vorwurf richtet sich an den kanadischen Indie-Games-Entwickler und Programmierer Alec Holowka, bekannt für seine Arbeit an den Videospielen Aquaria and Night in the Woods. Auch Quinn erzählt, wie ihr mutmaßlicher Vergewaltiger – genau so wie im Falle von Lawhead – ausgenutzt habe, dass sie zu dem Zeitpunkt in unsicheren finanziellen Verhältnissen mit unsicherem Aufenthaltsstatus gelebt habe. Ihren Beitrag teilten rund 9.800 Menschen.
In einem dritten Fall erhob anschließend die Entwicklerin Adelaide Gardner am Dienstag Vorwürfe gegen Luc Shelton, Programmierer des britischen Studios Splash Damage. Sie berichtet, wie auch dieser im Jahre 2018 über einen längeren Zeitraum sie sexualisiert missbraucht und ihr psychische wie körperliche Gewalt angetan habe. Auch Gardner hängte ihrem Post einige Screenshots und Nachrichten an, die ihre Vorwürfe belegen sollen. Viele Menschen sprechen ihr seitdem ihre Solidarität in den Kommentaren aus. Der Beschuldigte Luc Shelton hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert – genau so wie Jeremy Soule und Alec Holowka.
Der Originaltext von Seyda Kurt ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.