In kaum einem Bereich gibt es heute noch so eine strikte Geschlechtertrennung wie im Sport. Das führt dazu, dass es trans Personen hier besonders schwer haben. Vor allem trans Frauen werden regelmäßig kategorisch aus Wettkämpfen und Turnieren ausgeschlossen, mit der Begründung, ihre Teilnahme sei nicht fair. Aber sind Fairness und Inklusion wirklich nicht vereinbar? Darüber spricht Julia Monro mit uns im Interview.
Julia Monro ist queer Aktivistin mit dem Schwerpunkt geschlechtliche Vielfalt. Mithilfe ihrer eigenen Erfahrungen als trans Frau und ihrer Expertise betreibt sie Aufklärung und setzt sich in unterschiedlichen Bereichen für die Inklusion queerer Menschen ein. Sie unterstützte schon früh das neu in Kraft getretene Selbstbestimmungsgesetz, das trans, inter und nicht-binären (TIN) Personen ermöglicht, selbst über ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen zu bestimmen. Im März 2024 veröffentlichte sie gemeinsam mit Janka Kluge das Buch „Einfach selbst bestimmt“, in dem Lebensrealitäten jenseits der Geschlechternormen thematisiert werden. Unter anderem mit dem Deutschen Fußballbund setzt sich Julia Monro für die Inklusion von TIN-Personen im Sport ein.
Julia, du machst dich in vielen Bereichen für die Inklusion queerer Menschen stark. Warum verdient das Thema Sport deiner Meinung nach einen besonderen Fokus?
„Früher haben nur Männer Sport gemacht. Es war bereits ein langer Kampf, bis Frauen öffentlich Sport machen durften. Die meisten Sportarten sind sehr binär geprägt und vermitteln stereotypische Vorstellungen, wie Menschen zu sein haben. Jetzt kommt das ganze Thema der geschlechtlichen Vielfalt mit inter und trans Personen hinzu und sprengt dieses bestehende System. Ich verstehe, dass die Gesellschaft damit Schwierigkeiten hat, aber genau wie damals, als man darüber diskutiert hat, ob Frauen im Sport zugelassen werden, befinden wir uns auch heute in so einer Zeit des Umbruchs.
Meiner Meinung nach wird der Fokus falsch gesetzt. Inklusion bedeutet ja, dass man Menschen, die in bestimmten Bereichen Benachteiligungen erfahren, die gleichen Möglichkeiten eröffnet. Was wir aber jetzt im Sport erleben, ist, dass kritisch über diese Benachteiligung gesprochen wird und daraus sogar ein vermeintlicher Vorteil gemacht wird. Dass trans Personen, also insbesondere trans Frauen, durch lediglich vermutete erhöhte Testosteronwerte angeblich irgendwelche Vorteile hätten. Das ist eine totale Umkehr von einer Benachteiligung zu einer Bevorteilung. Das finde ich absurd. Hier versuche ich, mit meiner eigenen persönlichen Geschichte aufzuklären und das Thema für Interessierte einzuordnen.“
Wie würdest du deine persönliche Geschichte im Sport beschreiben?
„Ich spiele Volleyball, seit ich denken kann. In der Grundschule wurde ich von einem Lehrer aus der Parallelklasse ‚entdeckt’. Er hat bei uns Vertretung gemacht und mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mal zum Training zu kommen und mitzumachen. Seitdem bin ich in diesen Sport verliebt und spielte regelmäßig bis zum Outing. Für mein Team war mein trans-Sein völlig in Ordnung.
Als es um eine offizielle Spiellizenz für mich ging, hat der Verein das Thema an den Verband herangetragen. Es stellte sich heraus, dass es für diese Situation keine Regeln gab und niemand wusste, wie man damit umgehen soll. Ich dachte nur noch: ‚Boah, jetzt brauchst du nicht noch einen Kampf, nicht noch ein Schlachtfeld neben Krankenkasse, Familie und Job.’ Ich habe mich erst mal zurückgezogen. Heute spiele ich wieder gerne. Ich habe in Köln einen tollen queeren Verein gefunden und spiele nicht mehr im Ligabetrieb, sondern eher for fun und bin dort happy.“
Begegnet man dir dort als trans Frau völlig vorurteilsfrei?
„Nein. Denn auch wenn ich jetzt in einem queeren Verein spiele, kommen hier Rückfragen, wie ‚Ja wie siehst du das denn? Ist das nicht unfair, wenn eine trans Frau so groß und stark ist, mit dem Testosteron und so…?’. Dort habe ich aber die Möglichkeit, direkt aufzuklären. Viele Leute haben aufgrund ihrer Homo- oder Bisexualität selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht und ich habe den Eindruck, dass sie sich noch besser hineinversetzen können, wenn ich ihnen erzähle, wie es mir geht. Ich fühle mich in dem Verein pudelwohl und habe nicht mehr den Anspruch, in der Liga zu spielen und Trophäen zu gewinnen.“
Wie steht es heute um Queerness im Sport?
„Wenn wir von Queerness im Sport sprechen, müssen wir erstmal unterscheiden. Wenn sich ein homosexueller Mann im Team outet, benutzt er nachher die gleiche Toilette, den gleichen Namen und spielt im gleichen Team. Es ändert sich für ihn nichts, es ergeben sich weder Rechtsfolgen noch Rechtsfragen. Natürlich kostet auch dieses Outing viel Überwindung, die unter anderem mit Sicherheitsfragen und Diskriminierungserfahrungen zu tun hat – das allgemeine Spielrecht wird jedoch nicht berührt. Bei trans Personen ist das was anderes. Sobald du eine Transition öffentlich machst oder dich geoutet hast, stellt sich jeder Verband und jedes Team die Frage, wie sie mit dir umgehen sollen, auf welche Toiletten du gehen darfst und in welche Umkleidekabine du gehörst. Wobei es nirgendwo Regeln oder Gesetze gibt, die einem vorschreiben, wer was zu benutzen hat. Nur weil da ein Schild mit männlich oder weiblich steht, ist das kein Gesetz.“
Du sagtest bereits, dass sich selbst queere Menschen mit trans Menschen im Sport schwertun. Auch vermeintliche Allies sind oft ratlos, wenn es um trans Frauen im Sport geht. Warum ist das so?
„Das hat meiner Meinung nach historische und gesellschaftliche Gründe. Viele Menschen stellen sich eine trans Frau als einen Mann vor, der zur Frau ‚wird’. Das entspricht nicht der Realität. Eigentlich sind trans Frauen schon immer Frauen gewesen. Da fehlt es, glaube ich, noch ganz viel an Aufklärung, was ,trans’ eigentlich bedeutet oder was Intergeschlechtlichkeit ist.“
Oft wird in der Debatte von biologischen Unterschieden zwischen trans und cis Personen gesprochen. Welche Rolle spielen diese deiner Meinung nach? Und ist das auch relevant im Sport?
„Ich glaube, dass der Versuch, Sport ‚fair‘ zu machen, nie gelingen wird, weil Menschen aus allen unterschiedlichen Orten der Welt unterschiedliche biologische Voraussetzungen mitbringen. Ein Beispiel ist Caster Semenya. Sie ist eine intergeschlechtliche Weltmeisterin und mehrfache Olympiasiegerin im 800m-Lauf. Aufgrund ihres ‚maskulinen Erscheinungsbildes‘ wurde sie unter anderem auf erhöhte Testosteronwerte getestet. Als man dann versucht hat, Regeln für Testosterongrenzen einzuführen, hat die indische Sportlerin Dutée Chand beim internationalen Sportgerichtshof geklagt und gewonnen. Die Regelung wurde zunächst temporär ausgesetzt. Chand ist nicht intergeschlechtlich, sie hat aber von Natur aus höhere Testosteronwerte.“
Wie erklärst du dir die biologischen Normen, auf die sich die Mehrheitsgesellschaft scheinbar geeinigt hat?
„Wir versuchen, mit einer europäischen, westlichen und weißen Brille Menschen zu normieren und zu entscheiden, wie Testosteronwerte zu sein haben. Ich find es schade, dass wir immer Grenzen und Regeln suchen, anstatt Vielfalt zu akzeptieren. Wenn jemand wie der Olympiaschwimmer Michael Phelps mit einer Armspannweite von 2,04 Meter 20 Züge für eine Bahn braucht und ein durchschnittlicher weißer cis Mann 26 Züge, dann sind das auch biologische Vorteile. Bei Usain Bolt war das ähnlich. Er braucht 41 Schritte für einen 100-Meter-Sprint und andere durchschnittliche cis Männer brauchen 45 oder 46 Schritte. Wo setzt du an? Welche biologischen Merkmale willst du ausschließen und welche nicht? Anstatt sich darauf zu fokussieren, wie man allen Menschen die Teilhabe ermöglicht, werden immer mehr Grenzen gesetzt. Das widerspricht dem Gedanken der Inklusion.“
Würdest du sagen, dass hinter dieser Diskussion wirklich ein Bedürfnis nach Fairness oder doch nur Transfeindlichkeit steckt?
„Ich finde, dass die Worte Fairness und Unfairness in diesem Zusammenhang missbraucht werden. Unfairness unterstellt einem Menschen, sich einen unrechtmäßigen Vorteil zu erschleichen – als ob man böswillig andere Menschen benachteiligen möchte. Das ist bei trans Personen nicht der Fall. Niemand macht eine Transition, um Frauenwettkämpfe zu gewinnen. Diese Behauptung ist Teil eines Pools an Argumenten gegen trans Menschen. Es heißt, dass trans Menschen das Selbstbestimmungsgesetz missbrauchen, um in Frauenräume einzudringen. Ein Selbstbestimmungsgesetz regelt nicht den Zugang zu einer Toilette oder einer Umkleidekabine. Daher ist der Sport eines von vielen ‚Argumenten‘, die gegen trans Menschen aufgebracht werden. Diese Umdeutung von Fairness oder Unfairness finde ich eigentlich am schlimmsten – und dass man sich als Gesellschaft gar nicht bewusst macht, was es wirklich bedeutet, ‚unfair‘ zu sein?“
Wie ist die Lage in Deutschland? Gibt es hier Regelungen für trans, inter und nicht binäre Personen im Sport?
„Nein. Es gab einen langen juristischen Streit mit dem Internationalen Olympischen Komitee (englisch International Olympic Committee, kurz: IOC), wie Regeln für trans Menschen aufgestellt werden. Der IOC hat 2021 diese Frage offengelassen und gesagt, dass die Verbände das intern selbst regeln sollen. Der Deutsche Olympische Sportbund hat ein kleines Empfehlungsschreiben irgendwo auf seiner Webseite, aber es gibt keine klaren Regeln. Dadurch entsteht eine Art Wildwuchs. Jeder Sportverband, egal ob Fußball, Volleyball oder Hockey, macht eigene Regeln. Ich bin der Meinung, dass wir den Deutschen Olympischen Sportbund in die Pflicht nehmen müssen. Er muss eine Koordinierungsstelle schaffen, damit keine Gruppe benachteiligt wird, die ohnehin schon mit struktureller Benachteiligung zu kämpfen hat.
Ein gutes Beispiel ist der deutsche Fußball-Bund. Ich bin dort als Beraterin im Team und wir haben bereits eine Spielordnung für TIN-Personen gemacht. Das läuft völlig hürdenlos. Jeder Landesverband hat eine Vertrauensperson, mit der man sich in Verbindung setzen und sagen kann: ‚Ich bin trans und ich möchte in diesem oder jenem Team spielen.‘ Diese Vertrauensperson bürgt für dich gegenüber dem Verband und stellt für alle Beteiligten sicher, dass der Prozess reibungslos verläuft. Der Hockeyverband hat sich von einem trans Mann beraten lassen und mittlerweile eine positive Regelung etabliert, die Sportler*innen bei der Aufnahme in ein Team unterstützt.“
Würde es überall so reibungslos laufen?
„Nein, denn es gibt auch problematische Sportarten. Ein absurdes Beispiel ist der Weltschachverband (FIDE). In vielen Sportarten wird argumentiert, dass trans Frauen angeblich körperliche Vorteile gegenüber cis Frauen haben. Jetzt hat der FIDE bestimmt, dass trans Frauen im Weltschach nicht mehr gegen andere Frauen antreten dürfen. Daran erkennt man doch, dass es hier gar nicht mehr um körperliche Vorteile geht. Welche körperlichen Vorteile soll eine trans Frau im Schach haben? Haben sie bessere Gehirnwindungen? Es geht in meinen Augen nicht um das Argument der körperlichen Vorteile, sondern einfach nur darum, dass sie trans Frauen nicht dabeihaben wollen. Zum Glück hat sich der deutsche Schachverband gegen diese Regel gewehrt. Der Welt-Rugbyverband spricht von einem körperlich gefährlichen Risiko für Frauen, wenn trans Frauen mitspielen. Rugby ist ein extrem körperbetonter Sport, der grundsätzlich gefährlich werden kann. Da ist immer ein Risiko dabei! Egal, ob trans oder cis. Trans Frauen wird abgesprochen, eine Frau zu sein.“
So wie du es beschreibst, scheint es in Deutschland eher in Richtung Inklusion statt Segregation zu gehen.
„Es gibt auch hier versuche, das Ganze politisch auszuschlachten. Während der diesjährigen Olympischen Spiele haben sich auch viele Deutsche über trans Sportler*innen ausgelassen, ich würde es sogar Hetzkampagne nennen, und den Sport dazu missbraucht, um gegen trans Menschen Stimmung zu machen. Aber insgesamt hoffe ich doch, dass wir ein sehr vernünftiges Land sind und die Ablehnung nur von einer Minderheit ausgeht.“
Mit der „Hetzkampagne“ meinst du sicherlich die Boxerinnen, Imane Khelif und Lin Yu Ting. Trans Gegner*innen verbreiteten das Gerücht, dass beide Sportlerinnen trans seien und körperlich bevorteilt gewesen wären. Es stellte sich jedoch heraus, dass beide Frauen cis sind. Wie bewertest du diese ganze Situation?
„Es gibt dieses Phänomen der ‚Transvestigation‘ (trans + Investigation), bei dem Menschen sich zu trans Ermittler*innen stilisieren. Genauso wie wir während einer Fußball-Weltmeisterschaft 80 Millionen Bundestrainer*innen in Deutschland haben, sammeln sich plötzlich Leute, die sich selbst eine Expertise bei geschlechtlicher Vielfalt attestieren und gegen trans Menschen ‚ermitteln‘. Ich finde es sehr bezeichnend, wie man über das trans Thema diskutiert. Es geht nicht um Fakten, es geht darum, einfach nur populistisch aufgeladen Gefühle zu triggern, Angst und Wut zu schüren und eine Minderheit, die es sowieso schon schwer hat, zu diffamieren.
Die Hetze gegen Imane Khelif und Lin Yu Ting fand ohne Fakten statt. Dabei gab es öffentlich zugängliche Faktenchecks, zum Beispiel auf Correctiv.org. Die Faktenchecks interessieren am Ende die wenigsten. Diejenigen, die populistisch arbeiten und nur Gefühle triggern wollen, haben kein Interesse an Fakten. Sie möchten spalten und Hass zu schüren. Das beobachtet man in den USA im Moment sehr extrem. Das finde ich so schlimm an unseren sozialen Medien. Alle haben eine Meinung. Ich wünsche ich mir für jeden Menschen, dass da ein bisschen mehr Reflektion stattfindet, dass man ein bisschen mehr mit Betroffenen ins Gespräch kommt und nicht einfach pauschal irgendwas bewertet oder verurteilt.“
Wenn es um trans Personen geht, scheinen es die Hetzer*innen im Vergleich zu anderen polarisierenden Themen einfacher zu haben. Wie erklärst du dir das?
„Es gibt zu wenig Gegenstimmen. Die Trans Community ist zu klein, die Allies sind zu wenig. Wenn, sagen wir mal, 30 Prozent Afd-Wählende in den sozialen Medien gegen trans Menschen hetzen, würde ich mir wünschen, dass die restlichen 70 Prozent dagegen aufbegehren und ihren Mund aufmachen. Aber selbst wir, als trans Community, sind zu wenig. Es gibt unterschiedliche Zahlen. Eine Studie aus den USA spricht von 0,6 Prozent erwachsenen trans Personen. Wir können mit dieser Minderheit nicht gegen so eine Masse ankämpfen und uns medial durchsetzen. Hier reichen leider auch nicht ein paar Allies. Und persönlich willst du auch nicht ständig in diesen Rechtfertigungsprozess kommen. Du willst auch irgendwann mal leben. Minderheiten kann man sehr schnell kleinbrüllen.“
Medial stehen oft trans Frauen im Fokus, die den Sport vermeintlich dominieren. In der Realität gibt es diese Dominanz nicht, oder?
„Wie viele trans Menschen gibt es? Wie viele davon machen Sport? Wie viele davon schaffen es in den Leistungssport – trotz der psychischen Umstände? Die Zahl der trans Personen im Sport ist so gering, dass sie tatsächlich gar keine Dominanz ausüben können. Die Psyche hat einen enormen Effekt auf die Leistungsfähigkeit. Schau dir ein Stadion bei Olympia an – was da für Weltrekorde entstehen! Du wirst von der Menge hochgepeitscht. Das macht was mit deiner Leistungsfähigkeit. Bei einer trans Person kommt der Stress wegen der Transition, der Bürokratie und mit dem privaten Umfeld hinzu. Das macht auch etwas mit deiner Leistungsfähigkeit, aber negativ. Anstatt trans Personen im Sport kleinzureden, würde ich mir wünschen, dass man anerkennt, wie krass es ist, es trotz aller Widerstände so weit gebracht zu haben. Das fehlt mir einfach.“
Gibt es potenzielle Maßnahmen über das Regelwerk hinaus, die TIN-Personen besser integrieren können?
„Es braucht eine Koordinierungsstelle beim Deutsch Olympischen Sportbund. Es braucht Schlichtungsstellen, also eine Art Mediation, die darauf spezialisiert ist, Regeln zu vermitteln, zu erklären und aufzuklären, dass es hier nicht um Benachteiligung anderer geht, sondern um Inklusion von Minderheiten. Was ich mir auf jeden Fall wünsche, ist eine klare Haltung von denjenigen, die in den Sportverbänden an der Spitze stehen. Es ist normalerweise immer ein Kampf von unten nach oben. Wir nennen das ‚Bottom-Up Strategie‘. Wenn beim FC Bayern München jemand aus der Chefetage ein klares Statement abgibt, dann hat das Wirkung. Vor kurzem gab es den Fall von Kevin Behrens, ein Spieler beim VFL Wolfsburg. Er reagierte auf ein Trikot in Regenbogenfarben mit ‚So eine schwule Scheiße unterschreibe ich nicht!‘. In so einem Fall wünsche ich mir von einem Verein klare Konsequenzen. Queerfeindlichkeit ist in der Zivilgesellschaft strafbar. Im Fußball, im Sport, machen die Vereine ständig Ausnahmen – das kotzt mich an.“
Homo- und Bisexualität werden im Sport noch überdurchschnittlich stigmatisiert. Hast du eine Ahnung, woran das liegt?
„Das liegt meiner Meinung nach an unreflektierter, toxischer Männlichkeit. Wenn wir 2024 ernsthaft über ein pinkes DFB-Trikot diskutieren müssen, dann läuft in unserer männlich dominierten Kultur was schief. Und das ist, glaube ich, auch eine Auswirkung der AfD-Spaltung. Wir sehen, dass immer mehr junge Männer nach rechts und immer mehr junge Frauen nach links driften. Dieses Auseinanderdriften von Meinungen wirkt sich auch auf Männlichkeitsbilder aus, sodass dann heftig über ein pinkes DFB-Trikot diskutiert wird. Das führt dazu, dass Männer sich seltener trauen, zu sich und ihrer eigenen Sexualität zu stehen. Im Frauenfußball ist das kein Thema. Wie viele lesbische Frauen gibt es im Nationalteam? Ich weiß es nicht genau, aber es sind einige.“
Fußball und Sport ist grundsätzlich verbunden mit viel Emotionalität. Können Emotionen ein Schlüssel dafür sein, Tabuthemen direkt anzusprechen?
„Man hat mir letztens gesagt, dass ich eine sehr charismatische Persönlichkeit sei. Natürlich arbeite ich sehr viel mit Fakten, aber dadurch, dass ich meine eigene Geschichte auf der Bühne erzähle und die Leute mir zuhören, kann ich ein Gefühl für das Thema vermitteln. Die sehen nicht nur, was sie aus den Medien vermittelt bekommen, sondern sie haben hautnah jemanden vor sich, der das real erlebt hat. Wenn zum Beispiel über Hormone diskutiert wird, versuche ich das bildlich zu beschreiben: Die Kiste Wasser, die ich heute schleppe, ist doppelt so schwer wie vor der Transition. Und dann kriegen Menschen ein Verständnis dafür, wie es trans Personen ergeht, auch was für Opfer sie bringen. Ich glaube, dass man vor allem bei populistischen Themen, wo viel mit Gefühlen gearbeitet wird, mit Emotionen dagegen arbeiten kann – oder vielleicht sogar auch sollte.“
Auf welches deiner Projekte im Sportbereich bist du besonders stolz?
„Die erfolgreichsten Projekt waren sicherlich die DFB-Spielordnung und die Zusammenarbeit mit dem BVB Dortmund. Ich bin selbst jahrelang BVB-Fan und bin auch damals vor der Transition regelmäßig ins Stadion gegangen. Das hat sich leider mit der Transition geändert, weil der Fußball ein sehr männerdominiertes Umfeld ist. Auch Alkohol und Gewalt spielen eine Rolle. Als queere Person, erst recht als trans Person, die 1,92 Meter groß ist und auffällt, gehst du nicht unbedingt gerne ins Stadion. Über einen Kontakt ist dann plötzlich eine Zusammenarbeit mit dem BVB entstanden, sodass wir im Stadion einen Aktionstag gemacht haben, um über queere Themen aufzuklären.
Und dann, später, haben wir mit der ‚Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit’ (KoFaS) in Zusammenarbeit mit der Friedrich Ebert Stiftung das Projekt ‚Vielfalt im Stadion‘ umgesetzt, zu dem wir einen Info-Film produziert haben. Wir haben versucht, für Betroffene und Interessierte Fragen zu beantworten. Wovor haben queere, trans oder nichtbinäre Personen im Stadion Angst? Wie läuft das mit der Ticket Zuweisung, wenn diese namensbezogen sind und du noch keine offizielle Namensänderung hast? Wo sind sichere Plätze? Wie läuft das mit den Toiletten? Muss ich Angst haben, aus der Toilette rausgeschmissen zu werden? Muss ich Angst haben, angepöbelt zu werden oder, dass jemand übergriffig wird? Heute gibt es dazu eine tolle Webseite mit wertvollen Informationen, die sicherlich auch anderen Sportarten als Vorbild dienen kann. Ich bin heute glücklich und stolz drauf, dass ich an der Aufklärung der Gesellschaft mitwirken darf und die Situation nachhaltig für zukünftige Generationen von trans, nicht-binären und inter Personen positiv mitzugestalten.“
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