Nach der Elternzeit verlieren viele Eltern ihren Job oder werden gegen ihren Willen auf unpassende Stellen versetzt – und sind dagegen nicht gesetzlich geschützt. Die Anwältin Sandra Runge sagt: Die neue Regierung muss endlich für gesetzliche Klarheit sorgen.
Katja hat ihre Elternzeitvertretung selbst gesucht und eingearbeitet. Am ersten Tag nach der Elternzeit wurde ihr gekündigt, die befristet eingestellte Elternzeitvertretung bekam einen unbefristeten Vertrag.
Jenny wurde von ihrem Geschäftsführer gebeten, auf ihren Wiedereinstieg in Teilzeit zu verzichten, da es dem Unternehmen coronabedingt schlecht gehe. Sie werde doch wohl in der Lage sein, ein paar Monate ohne Gehalt klarzukommen, schließlich sei der Mann der Versorger, hieß es.
Tamar verlor nach der ersten Elternzeit ihre leitende Position und wurde auf einen Job ohne Leitungsfunktion versetzt. Nach der zweiten Elternzeit erhielt sie die Aufgaben einer Praktikantin. Erst nachdem sie sich bewiesen hatte, bekam sie wieder mehr Verantwortung.
Fälle wie diese machen sprachlos. Sie sind keine Einzelfälle, sondern Alltag in deutschen Unternehmen. Wer ein Kind bekommt und in Elternzeit geht, erhält nicht automatisch den gleichen oder einen gleichwertigen Job zurück – stattdessen droht nach Kündigungen, Aufhebungsverträgen, Versetzungen der Gang zum Arbeitsamt oder zum Arbeitsgericht. Die Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes (ADS) kann das bestätigen: Beschwerden von Eltern über Benachteiligungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Mutterschaft und Elternzeit häufen sich.
„Wer ein Kind bekommt und in Elternzeit geht, erhält nicht automatisch den gleichen oder einen gleichwertigen Job zurück – stattdessen droht nach Kündigungen, Aufhebungsverträgen, Versetzungen der Gang zum Arbeitsamt oder zum Arbeitsgericht.“
Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“
Aktuell hat die ADS eine empirische Erhebung zur Benachteiligung von Eltern in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse in Kürze vorliegen sollen. Auch die Initiative #proparents, die sich gegen Elterndiskriminierung im Job engagiert, fordert, ein neues Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ beziehungsweise „Fürsorgeleistung“ in das AGG aufzunehmen, und hat mit ihrer Petition mehr als 51.000 Unterschriften gesammelt. 51 Prozent der Unterzeichnenden geben an, selbst betroffen zu sein. Der häufigste genannte Fall ist die Degradierung oder der Jobverlust nach der Elternzeit. Doch was sagt die aktuelle Gesetzeslage?
Wer sich beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit ungerecht behandelt fühlt und denkt, „auf meinen alten Job muss ich doch einen eindeutig geregelten gesetzlichen Anspruch haben“, irrt. Ein Rückkehrrecht nach der Elternzeit ist weder ausdrücklich im Mutterschutzgesetz noch im Bundeselternzeit- und Elterngeldgesetz geregelt – obwohl mehrere EU-Richtlinien vorgeben, dass im Anschluss an die Elternzeit beziehungsweise an den Mutterschutz ein Recht besteht, an den früheren oder an einen gleichwertigen Arbeitsplatz zurückzukehren (§ 5 RL 2010/18/EU, Art 15 RL 2006/54/EG).
„Baby da, Job weg“
In der juristischen Fachliteratur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass der Arbeitsvertrag, der nach der Elternzeit wieder auflebt, und das Direktionsrecht des Arbeitgebers – nischenhaft geregelt in der Gewerbeordnung – als rechtliche Grundlage für die Jobsicherung nach der Elternzeit genügen. Doch das greift zu kurz. Eltern brauchen kein umständlich hergeleitetes Rückkehrrecht auf Basis einer Regelung, die eigentlich dazu dient, unbestimmte Arbeitsbedingungen näher auszugestalten, sondern schwarz auf weiß eine klare Regelung, die jede*r versteht: Mütter und Väter, die ihren Job unterbrechen, weil sie ein Kind bekommen haben, haben ein Recht darauf, ihren alten oder einen gleichwertigen Job zu behalten.
Ein unmissverständlich formuliertes Rückkehrrecht, klar geregelt im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz würde nicht nur allen Eltern, sondern auch Gremien wie zum Beispiel Betriebsräten, Diversity– und Gleichstellungsbeauftragten den Rücken stärken – gleichzeitig aber auch unmissverständlich regeln, dass Unternehmen nicht nach dem Motto „Baby da, Job weg“ verfahren dürfen, sondern sich ernsthaft darüber Gedanken machen müssen, wie sie Elternzeitrückkehrer*innen wieder nachhaltig in das Unternehmen integrieren.
Nach der Elternzeit aufs Abstellgleis
Eine klare Gesetzeslage beschleunigt einen positiven Blick auf die Elternzeit und hilft Arbeitgeber*innen zu verstehen: Ein faires Wiedereinstiegs-Onboarding bedeutet keine Last, sondern einen Gewinn an Kompetenz- und langfristiger Fachkräftebindung. Ein gesetzlich verankertes Rückkehrrecht ist somit längst überfällig und auch mehr als bloße Symbolik. Gesetze sind Motoren für Veränderungen und aus Veränderung entsteht nach und nach Normalität. Veränderungen wollen viele der für Gesetzesänderung verantwortlichen Akteur*innen: Nahezu alle Parteien und Verbände nicken beim Thema Vereinbarkeit.
Doch Gesetze „von oben“ wie zum Beispiel das FüPoG II reichen nicht aus. Was fehlt, sind noch mutigere Gesetze – gemacht für alle, von der Minijobberin bis zur Vorständin. Dazu zählt neben einem Rückkehrrecht nach der Elternzeit auch ein Diskriminierungsschutz für Eltern beziehungsweise Fürsorgeleistende. Wie sollen wir insbesondere Frauen in Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bringen, wenn sie nach der Elternzeit auf das Abstellgleis gestellt werden und an die gläserne Decke prallen? Aktuell hätte der Gesetzgeber wieder die Chance, ein klares gesetzliches Signal zu setzen.
Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie, die bis August 2022 in nationales Recht umgesetzt werden muss, beinhaltet in Art. 10 Abs. 2 wieder das Rückkehrrecht nach der Elternzeit. Man könnte meinen, dass Brüssel erneut den Finger gegenüber all denjenigen Mitgliedsländern erhebt, die es bislang noch nicht umgesetzt haben. Nachdem die alte Regierung keinen Handlungsbedarf für weitere gesetzliche Regelungen sah, bleibt zu hoffen, dass das Thema Vereinbarkeit jetzt stärker in den Fokus rückt und das Rückkehrrecht nach der Elternzeit in der neuen Legislaturperiode endlich Gesetz wird.