In ihrer Twentysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche über das Scheitern.
Scheitern ist eine Lehre? Na toll.
Wenn man sich heute so umschaut, dann scheint das Scheitern eine großartige Sache zu sein. Man lernt wahnsinnig viel über die Welt und über sich selbst, man findet heraus, in was man wirklich gut ist und hinterher ist man umso glücklicher und erfolgreicher. Ich will niemandem abreden, diese Erfahrung gemacht zu haben – denn wenn es so ist, ist das einfach nur wunderbar. Aber trotzdem muss ich sagen: Mir hängt diese Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität manchmal echt zum Halse raus. Denn es ist einfach nur Schwachsinn, das Scheitern per se zu glorifizieren.
Ja, es gibt diese Fälle, in denen jemand scheitert und danach wie der Phönix aus der Asche steigt. Aber wenn ich in Hundescheiße trete und daraus lerne, dass ich besser auf die Straße kucken muss (ganz besonders in Berlin) dann bin ich eben immer noch in Hundescheiße getreten. Und das ist ätzend. Und es stinkt. Und jetzt nehmen wir mal an, es geht nicht um Hundescheiße, sondern um eine gescheiterte, richtig wichtige Beziehung, einen verlorenen Job, den man heiß und innig geliebt hat und nicht sowieso schon immer langweilig fand. Man nehme an, man zieht sein eigenes Herzensbusiness hoch und geht pleite, aber so richtig oder man bekommt ein Kind und ist einfach verdammt schlecht in der Elternrolle und das tut einem so richtig weh. Und – das ist jetzt besonders wichtig – man steigt nach dieser Erfahrung eben nicht wie Phönix aus der Asche.
Es gibt nicht nur die Story vom erfolgreichen Ex-Gescheiterten
Dann leidet man, wird krank, arm und zerbricht – nur hört eben niemand davon, weil diese Menschen einfach nicht so sichtbar sind, wie all die erfolgreichen Ex-Gescheiterten. Ganz einfach weil es weh tut und Angst macht, ihnen zuzuhören. Doch was sagt es über uns, wenn wir das nicht aushalten? Wenn wir immer nur auf den Glitzervorhang starren können und irgendwann alles als Erfolg verkaufen müssen, nur um uns in der Wahnwitzigkeit unserer Leistungsgesellschaft die Selbstvergewisserung zu geben, am Ende doch echt okay, normal und ja, toll zu sein?
Es sagt uns, dass wir an einem ungesunden Punkt angekommen sind. Ganz besonders für jene, die ihre Geschichte nicht doch noch Richtung Erfolg umgeschrieben haben. Die einsam werden, weil man ihnen das Gefühl vermittelt, ein zweites Mal gescheitert zu sein. Schließlich schaffen es andere ja auch, nicht wahr?
Ich finde, wir müssen auch aushalten können, dass wir richtig Mist bauen oder dass das Leben Mist mit uns baut. Und dass es manchmal nicht die Moral von der Geschichte gibt, sondern es auch vorkommt, dass man mit einem großen Fragezeichen im Gesicht mit dem Rücken zur Wand stehenbleibt. Und hier geht es nicht darum, jenen, die mit ihren Erzählungen Mut machen wollen und zu recht glücklich darüber sind, es aus dem Sumpf wieder rausgeschafft zu haben, ein schlechtes Gewissen zu machen – sondern darum, dass wir uns das Leben auch manchmal anschauen sollten, ohne uns gleich wieder gegenseitig zu sagen: Das wird auf jeden Fall wieder. Das Happy End wird kommen! Denn manchmal wird es das nicht, weil die Realität leider keine Disney-Story ist. Auch wenn wir das alle gerne hätten. Und den Gedanken daran, dass man alles schaffen kann, wenn man nur will, immer wieder mit befeuern. Befreit uns das? Nein, ich denke, es baut Druck auf – Druck, dem nicht alle von uns gewachsen sind.
Scheitern hinterlässt Wunden, die wir mit uns tragen
Scheitern ist scheiße, es tut weh und es hinterlässt Wunden – auch wenn manche von uns irgendwann darüber ein maßgeschneidertes Sakko ziehen können. Scheitern macht uns nicht nur stark. Es verunsichert uns auch. Es formt uns, und das nicht immer nur zum Besseren. Ich finde, wir sollten auch über die Löcher reden, die so tief sind, dass man nicht mehr ganz aus ihnen rauskommt. Die man nur noch zur Hälfte wieder hochkrabbeln kann, bis die Puste erneut ausgeht – und ja, unsere Arme mögen danach stärker geworden sein und doch fehlt es weiterhin an Licht.
Und bevor es jetzt zu pathetisch wird, dann geht es einfach darum auch mal sagen zu können: Das Leben ist nicht immer schön, das Leben kann auch manchmal richtig elendig sein. Und dann einfach aufzuhören und kein Aber hinterher zu schieben – sondern die Angst, die das verursacht, auch mal auszuhalten. Am Ende geht es darum, dass wir uns öfter beide Seiten anhören sollten und nicht nur die, an der der Puderzucker klebt. Dass wir lernen, wieder richtig hinzuschauen und zuzuhören, statt gleich wieder eine Floskel hinterher zu schieben. Denn das nimmt niemandem den Mut. Den Druck, nicht falsch zu sein, nur weil man mal aus der Bahn fällt, aber schon.
Mehr bei EDITION F
Panik statt Abenteuerlust: Wie der Druck der vielen Möglichkeiten mich krank gemacht hat. Weiterlesen
Depressionen, Burnout, essgestört – wie die Leistungsgesellschaft eine
ganze Generation krank macht. Weiterlesen
Wir scheitern immer schöner. Weiterlesen