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Was du über Schwangerschaftsabbrüche wissen solltest

Ärzt*innen dürfen in Deutschland nicht öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Wir schon, deshalb haben wir für euch die wichtigsten Informationen zusammengestellt.

„Alle Personen, die KEINE ABBRÜCHE MACHEN, dürfen über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Bitte tut das jetzt!“, diesen Appell richtete die Ärztin Kristina Hänel Anfang des Jahres via Twitter an die Öffentlichkeit.

Hänel ist in Deutschland zum Gesicht des Kampfes für sichere und informierte Schwangerschaftsabbrüche geworden. Im Februar hatte die Ärztin Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt – weil sie auf ihrer Website nicht detailliert über die verschiedenen Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs informieren darf, sondern nur darüber, dass ihre Praxis entsprechende Eingriffe anbietet. Lediglich diese Information ist seit einer geringfügigen Veränderung des Paragrafen 219a im Februar 2019 zulässig.

Der Paragraf 218, der in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert, feiert in diesem Jahr einen traurigen Geburtstag: 150 Jahre. Auch 2021 sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland faktisch illegal und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei.

Im Gegensatz zu Ärzt*innen dürfen wir Informationen rund um Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen. Im Folgenden geht es um Abbrüche, für die es weder medizinische noch kriminologische Gründe gibt – also um Schwangerschaftsabbrüche nach der sogenannten „Beratungsregelung“.

Hinweis: Der folgende Text beschreibt verschiedene Methoden von Schwangerschaftsabbrüchen.

1. Einen Beratungstermin vereinbaren

In Deutschland ist es gesetzlich vorgeschrieben, vor dem Schwangerschaftsabbruch eine staatlich anerkannte Beratungsstelle aufzusuchen, um dort nach einer Beratung den für einen Abbruch nötigen Beratungsschein zu erhalten. Ihr müsst den Termin also bei einer Stelle vereinbaren, die berechtigt ist, so einen Schein auszustellen. Nach dem Termin müsst ihr eine Frist von drei vollen Tagen einhalten, bis ihr weitere Schritte einleiten könnt. Ihr könnt den Abbruch also frühestens am vierten Tag nach dem Beratungstermin durchführen lassen.

Beratungsstellen, an die ihr euch wenden könnt, sind zum Beispiel Profamilia oder die Arbeiterwohlfahrt. Nicht alle Beratungsstellen, insbesondere von christlichen Organisationen, halten sich strikt an die Vorgabe, Schwangere in keine Richtung zu drängen und keinen Druck auszuüben.

2. Der Beratungstermin

Profamilia beschreibt in einer Broschüre relativ genau, wie ein Beratungstermin abläuft. Hier könnt ihr außerdem ein Interview mit zwei Schwangerschaftskonfliktberaterinnen von Profamilia lesen, das bei uns erschienen ist. Grundsätzlich gilt: Beratungsstellen sind gesetzlich dazu verpflichtet, euch dazu zu ermutigen, die Schwangerschaft weiterzuführen. Dazu schreibt Profamilia: „Sie brauchen deshalb jedoch nicht zu befürchten, dass Sie sich in der Beratung in irgendeiner Weise rechtfertigen müssen oder bedrängt werden, Ihre Gründe zu nennen oder Ihre bereits getroffene Entscheidung zu ändern.“

Wenn ihr möchtet, könnt ihr bei dem Termin über die Gründe sprechen, aus denen ihr einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung zieht. Ihr habt auch die Möglichkeit, Fragen zum Ablauf zu stellen, oder über persönliche Probleme zu sprechen. Die Beratungsstelle unterstützt euch darüber hinaus bei finanziellen, administrativen und rechtlichen Problemen, solltet ihr euch dazu entscheiden, die Schwangerschaft fortzuführen.

Das Gespräch ist anonym und vertraulich – wenn ihr jedoch möchtet, könnt ihr befreundete Personen oder Partner*innen mitbringen. Am Ende des Gesprächs bekommt ihr einen Beratungsschein und wenn ihr wollt auch eine Liste mit Ärzt*innen und Krankenhäusern, die Abbrüche vornehmen. Während der Corona-Pandemie kann die Beratung häufig online durchgeführt werden.

3. Methoden des Schwangerschaftsabbruchs

In Deutschland werden drei Methoden angeboten, die Schwangerschaft abzubrechen: Der medikamentöse Abbruch mithilfe der Wirkstoffe Mifepriston und Prostaglandin, der instrumentelle Abbruch durch Absaugung und der instrumentelle Abbruch durch Ausschabung.

Beim instrumentellen Abbruch könnt ihr zwischen der Absaugung und der Ausschabung wählen. Die Absaugung ist laut Profamilia die gebräuchlichste und schonendste Methode und kann wie auch die Ausschabung bis zur zwölften Schwangerschaftswoche durchgeführt werden (entspricht der 14. Woche nach der letzten Regel). Vor dem Schwangerschaftsabbruch solltet ihr nüchtern sein. Der Eingriff selbst dauert nur wenige Minuten und wird unter örtlicher Betäubung oder Vollnarkose durchgeführt. Der Eingriff kann einen ziehenden Schmerz im Unterleib auslösen. Danach müsst ihr einige Stunden in der Praxis bleiben und euch ausruhen. Die Nachuntersuchung findet zwei Wochen später statt.

Beim medikamentösen Abbruch ist zu beachten, dass er nur bis zum Ende der siebten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden darf (also bis zur neunten Woche nach Beginn der letzten Regel – es wird immer davon ausgegangen, dass die Befruchtung zwei Wochen nach Beginn der Regel stattgefunden hat). Bei dieser Methode nehmt ihr eine Mifepriston-Tablette ein, durch die bei manchen Personen (drei Prozent) direkt der Abbruch eingeleitet wird. Profamilia schreibt dazu: „Die Blutung gleicht einer starken bis normalen Menstruation und dauert meist sieben bis zwölf Tage.“ 36 bis 48 Stunden später nehmt ihr dann das Prostaglandin ein, entweder als Tablette oder als Zäpfchen. Spätestens 24 Stunden danach tritt die Blutung ein. Ihr müsst dann 14 bis 21 Tage später zu einer Nachuntersuchung, bei der kontrolliert wird, ob der Schwangerschaftsabbruch vollständig war. Erfolgreich ist der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch in etwa 96 bis 98 Prozent der Fälle.

4. Formular zur Kostenübernahme bei der Krankenkasse anfordern

Grundsätzlich müsst ihr die Kosten, die für einen Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregelung anfallen, selbst tragen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen lediglich die Kosten für ärztliche Leistungen und Medikamente vor und nach dem Abbruch.

Eine Ausnahmereglung gibt es für Personen mit geringem Einkommen. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend müssen die persönlich verfügbaren Monatseinkünfte unter 1258 Euro netto liegen (bis Juni 2021). „Diese Einkommensgrenze, die an den Rentenwert der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt ist, erhöht sich für jedes im Haus (der schwangeren Person) lebende minderjährige Kind um 298 Euro. Eine weitere Erhöhung bis maximal 368 Euro ist möglich, wenn die Kosten der Unterkunft 368 Euro übersteigen.“ Vor der Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs muss ein Antrag auf Kostenübernahme bei der gesetzlichen Krankenkasse gestellt werden. Das Formular könnt ihr dort zum Beispiel telefonisch anfordern.

5. Praxis suchen, die den Abbruch vornimmt

Seit der Bundestag im Februar 2019 der Änderung des §219a zugestimmt hat, dürfen Ärzt*innen darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Hier ist eine Liste der Bundesärztekammer zu finden, die Praxen beinhaltet, die bisher einen Antrag gestellt haben, in die Auflistung der Ärztekammer aufgenommen zu werden. Die Aufnahme ist freiwillig, daher ist die Liste höchstwahrscheinlich nicht vollständig. Denn auf einer zentralisierten Liste zu stehen, bedeutet für Praxen häufig auch, zur Zielscheibe für Belästigung und Bedrohung durch Abtreibungsgegner*innen zu werden.

Auf der Webseite Gynformation können Gynäkolog*innen für verschiedene Behandlungsmethoden empfohlen werden. Und diese Suchmaschine listet europaweit Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen.

6. Termin für den Abbruch vereinbaren

Habt ihr eine behandelnde Person gefunden, die den Abbruch mit der von euch gewünschten Methode durchführt, könnt ihr dort einen Termin vereinbaren. Beim Termin wird die Schwangerschaft noch einmal durch die behandelnde Person festgestellt und die genaue Schwangerschaftswoche bestimmt. Für den Abbruch selbst benötigt ihr einen Blutgruppennachweis. Falls ihr keinen habt, könnt ihr ihn in der Praxis oder Klinik bekommen, müsst dafür aber nochmal zusätzlich zahlen.

Ihr werdet über Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt und die behandelnde Person versichert sich, dass ihr den Abbruch wirklich durchführen wollt. Ihr habt außerdem die Möglichkeit, noch einmal über die Gründe für den Abbruch zu sprechen, wenn ihr das möchtet.

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