Stacey Abrams ist die erste schwarze Frau in den USA, die je von einer großen Partei als Kandidatin für das Amt des*r Gouverneur*in aufgestellt wurde. Sie verlor denkbar knapp bei den Midterm-Wahlen – und macht in diesem TED-Talk berührende Bekenntnisse und starke Ansagen.
Wie wollen wir weitermachen?
Klar, rund um den Jahreswechsel bekommen wir ziemlich oft kluge Ratschläge, wie wir uns darauf konzentrieren können, was wirklich wichtig ist im Leben, wie wir herausfinden, welche Prioritäten wir zukünftig wirklich setzen wollen oder sollen. Die amerikanische Politikerin Stacey Abrams aber steuert mit diesem TED-Talk mehr als ein paar weitere gute Ratschläge bei. Hinter ihren Ratschlägen stehen ihre eigene Geschichte, Erfahrungen, die sie geprägt haben, die sie nicht verbittert haben, sondern sie zum Weiterkämpfen antreiben, wie sie erzählt.
Stacey Abrams ist die erste schwarze Frau, die je in den USA von einer der zwei großen Parteien für das Amt des*der Gouverneur*in aufgestellt wurde: Die Demokrat*innen hatten sie für die Midterm-Wahlen am 6. November in Georgia ins Rennen geschickt. Sie verlor denkbar knapp gegen ihren republikanischen Konkurrenten Brian Kemp, mit 50 zu 49 Prozent. Sie hatte im Wahlkampf offen über ihre mehr als 200.000 Dollar Schulden gesprochen – die sie hat, weil sie Kredite aufgenommen hat, um ihre Studiengebühren zu bezahlen, und um Medikamentenkosten für Familienangehörige übernehmen zu können. Auch über ihren heroinabhängigen Bruder hatte sie offen gesprochen – und gefordert, dass ihre Schulden kein Grund sein sollten, sie nicht zu wählen.
„Ihr gehört nicht dazu“
Sie beginnt ihren Talk mit einer Geschichte aus ihrer Jugend, die lehrbuchmäßig davon erzählt, wie Vorurteile und strukturelle Diskriminierung die Bilder in den Köpfen von Menschen formen: Als 17-jährige machte sie ihren Highschool-Abschluss in Decatur, Georgia. Als „Valedictorian“, also Schülerin mit besonders herausragenden Leistungen, die die Abschlussrede ihres Jahrgangs halten durfte, war sie gemeinsam mit ihren Eltern und vielen anderen „Valedicotirians“ im Bundestaat Georgia zu einem Empfang de Gouverneurs in dessen Anwesen eingeladen. Abrams erzählt, wie sie und ihre Eltern den öffentlichen Bus nahmen, und zu Fuß die Auffahrt hinaufgingen, während alle anderen Student*innen in Autos zum Eingang fuhren – und wie der Wachmann am Eingang sie musterte und sagte: „Sie gehören hier nicht hin. Das ist eine private Veranstaltung“. Ihr Vater, berichtet Abrams, habe beteuert, seine Tochter sei eine der ausgezeichneten Schüler*innen, der Wachmann habe aber nicht etwa nach der Einladung gefragt. „Ich weiß nicht, ob er irgendetwas in meiner Hautfarbe gesehen hat, in meiner Kleidung, ich weiß nicht, was ihm durch den Kopf ging“, erzählt sie weiter, aber seine Schlussfolgerung war, sie nochmals zu mustern und seinen Satz zu wiederholen: „Das ist eine private Veranstaltung. Sie gehören nicht hierher.“
Belustigt berichtet sie weiter, wie ihr Vater, ein angehender Priester, dem Wachmann mit sehr deutlichen Worten klarmachte, dass er in der Hölle schmoren werde, wenn er nicht sofort auf der Gästeliste nachschauen würde, was dann auch endlich passierte – und sie hineindurften.
Aber, fährt Abrams fort, und ihr Humor kann hier die Bitterkeit nicht überdecken: Sie erinnere sich heute nicht mehr an das Treffen mit dem Gouverneur, auch nicht mehr an die Zusammenkunft mit den Schüler*innen aus 180 anderen Schuldistrikten in Georgia. Das einzige, woran sie sich erinnere, sei, vor einem Mann vor dem mächtigsten Ort ihres Bundesstaates zu stehen und gesagt zu bekommen, dass sie nicht hierhin gehöre.
Die Tore müssen für all geöffnet werden
Und so habe sie etwa 20 Jahre später beschlossen, dass sie zu der Person werden müsste, die die Tore aufmacht: Das hat so knapp nicht funktioniert.
Aber nach ihrer Niederlage, fährt sie fort, müsse sie sich nun fragen, wie sie weitermachen wolle: Denn sie habe dieses Tor nicht nur für junge schwarze Frauen öffnen wollen; auch für Leute mit lateinamerikanischen Wurzeln; für Frauen mit asiatischen Wurzeln; sie habe diese Tore als eine Verbündete für die LGBTQ-Community öffnen wollen, für Leute mit Papieren und ohne; für Familien, die Opfer von Waffengewalt geworden seien.
Aber der erste Versuch sei eben nicht genug gewesen, und sie frage sich, wie sie die Traurigkeit, die Bitterkeit, die Lethargie nach der Niederlage überwinden könne, und kommt zu der Erkenntnis: „Ich werde weitermachen, denn umkehren geht nicht und Stillstand ist nicht genug“.
Sie habe ihre Kandidatur als Gouverneurin so wie alles, was sie tue, mit drei Fragen begonnen, die sich immer stelle – egal ob es um die Kandidatur für ein politisches Amt oder eine Geschäftsidee gehe:
1. Was will ich?
2. Warum will ich das?
3. Wie kriege ich es?
In diesem Fall habe sie natürlich ganz genau gewusst, was sie wollte: Veränderung. Aber die Frage bliebe: Habe sie sich übernommen, habe sie übertriebene Ambitionen gehabt, weil sie gescheitert ist? Und hier ganz klar ihre Antwort: Nein. „Lass dich nicht einschüchtern, erlaube dir, groß zu denken, lass dich nicht in deinen Ambitionen von Rückschlägen aufhalten.“
Zur zweiten Frage: Rache, sagt sie schmunzelnd, sei kein guter Grund, etwas zu wollen, auch wenn es sich gut anfühle. Man sollte nicht das Gefühl haben, etwas tun zu müssen; sondern das Gefühl, dass man etwas unbedingt tun wolle, etwas, das uns nicht schlafen lasse, etwas, das uns in der Früh vor Spannung aufwachen lasse; „etwas, das uns so wütend macht, dass du weißt, dass du dagegen etwas unternehmen musst.“
Und sie fährt fort: „Wenn es hart wird, wenn es unangenehm wird, wenn deine Freund*innen sich von dir abwenden, wenn deine Unterstützer*innen dich vergessen, wenn du dein erstes Rennen verlierst, und du nicht genau weißt, warum du es willst, dann kannst du es nicht nochmal versuchen.“
Dinge, die uns hemmen
Zur ihrer dritte Frage nennt sie drei Dinge, die uns oft hemmen, wenn es um die Umsetzung unserer Ziele geht: Sie erwähnt ihre Schulden, und dass selbst viele Verbündete ihr von einer Kandidatur abgeraten hätten. Aber nur wenn wir offen über unsere finanzielle Situation sprächen, sagt sie, würden wir die Möglichkeit haben, unsere finanzielle Situation als Hürde zu überwinden.
Das zweite Hindernis: Angst – Angst sei real, und Angst lähme, sei erschreckend – aber Angst könne auch mobilisieren. Nur wenn man wisse, wovor man Angst habe, könne man über einen Weg nachdenken, sie zu umgehen.
Das dritte Hindernis: Trägheit. Manchmal sei es einfach nur ermüdend, es immer wieder zu versuchen, sich in diesen Prozessen zu bewegen, die Schwierigkeiten zu sehen, die einen daran hinderten, die Ziele zu erreichen. Manchmal würden wir einen Titel, eine Position als Trostpreis annehmen, und auf die Macht verzichten, die wir eigentlich anstreben.
Trägheit sei aber auch eine Gelegenheit zu prüfen, wie dringend man ein Ziel tatsächlich erreichen wolle: „Wenn du am Boden bist, wenn du völlig fertig bist, wenn du alles getan hast, kann diese Trägheit deine Energie aus dir heraussaugen. Das ist der Grund, warum du wieder zum Warum zurückgehst: Wir brauchen Frauen, die klarmachen, dass soziale Gerechtigkeit allen gehört, die kämpfen für die Menschen ohne Rechte, das ist es, was mich jeden Tag aufstehen lässt und noch härter kämpfen lässt.“
Quelle: TED
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