Wieso konzentrieren wir uns nicht auf das, was wir können, statt darauf unsere Schwächen zu schwächen? Sechs Wege, um deine Stärken zu entdecken.
Was kannst du wirklich?
Jeder Mensch hat Talente. Das klingt wie ein kitschiger Kalenderspruch. Trotzdem muss es festgehalten werden. Zu viele Menschen verlieren den Kontakt zu ihrer Begabung im Laufe des Lebens. Sie ignorieren das innere Glühen, klappen den Deckel zu.
Dabei war das mal ganz anders. Als Kinder kramen wir noch in unserer Schatzkiste.
Kinder versinken für Stunden in einer Aufgabe. Verlieren sich. Sie ringen mit Drachen, kicken sich zum Weltmeister oder singen mit der Haarbürste in der Hand auf den Bühnen der Welt. Sie hinterfragen nicht, hören nicht diese kritischen Stimmen im Kopf: „Bringt das was?“ „Bin ich gut genug?“ „Das ist doch albern!“ Kinder handeln, weil sie Spaß daran haben. Und das ist der Moment, in dem sie ihre Begabung am besten entfalten.
Vielleicht bist du besonders mutig, offen, phantasievoll, gewissenhaft, oder kontaktfreudig – doch du weißt es einfach nicht mehr. Wenn du nach deinen Stärken suchst, dann fragst du dich – wer bin ich, was macht mich aus, welche Ziele habe ich im Leben? Diese Fragen sind so groß und abstrakt, dass sie einschüchtern können. Sechs Tipps, wie du deine einzigartigen Stärken wiederentdecken kannst:
1. Selbsterkundung
Eine Methode um Werte und Wünsche aufzuspüren, ist die Visualisierung: Nimm dir Zeit, schließe die Augen und überlege dir, was würde ich machen wollen, wenn ich nur noch ein Jahr zu leben hätte? Wie würde das „Ich“ meiner Träume aussehen? Wie sollen Menschen mich erinnern, wenn ich nicht mehr da bin? Fragen wie diese enthüllen den Werterahmen, in dem du dich bewegst und zeigen dir die Richtung, in die du gehen musst, wenn du nach deiner inneren Wahrheit leben möchtest.
Solche Methoden stellt der Autor Mark Manson in seinem Blog ausführlich vor. Er hat basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen sieben kuriose Fragen zusammengestellt, die jeder sich stellen sollte, um herauszufinden, was er mit seinem Leben machen möchte. Seine sieben Provokationen machen deutlich: Anders als in den Kuschel-Motivations-Blogs oft dargestellt, gibt es keinen einfachen Weg zur Selbsterkenntnis. Die Reise ins Selbst ist dunkel – aber unvermeidlich. Meine These lautet: Erfolgreiche Menschen ändern nicht sich selbst, sondern ihre Beziehung zu sich selbst.
2. Denkweise ändern
Über die Jahre hinweg eignen wir uns starre Denkweisen an: Oft handelt es sich um Normen, die wir als gesetzte Regeln hinnehmen. Irgendwann diktiert der Verstand das Handeln.
Carol Dweck, eine der renommiertesten Motivationsforscherinnen der Welt, hat herausgefunden, dass es zwei unterschiedliche Denkweisen gibt, die beeinflussen, ob ein Individuum das eigene Potenzial entfaltet oder nicht. Die Stanford-Professorin nennt das „Mindset of Growth“ versus „Fixed Mindset“. Kurzgesagt: Wenn du daran glaubst, dass du deine Eigenschaften, dein Können und deine Talente durch Anstrengung, Fleiß und Ausdauer weiterentwickeln kannst, bist du erfolgreicher als jemand, der denkt, dass seine Eigenschaften von Anfang an vorgegeben sind.
Wie oft habe ich zum Beispiel darauf gehört, wenn diese vermeintliche Instanz im Kopf mir zuflüstert: „Du kannst das nicht.“ Heute versuche ich dagegen zu halten: „Ich kann das noch nicht!“ Ich kann mein Verhalten ändern, wenn ich mein Selbst-Konzept verändere.
Wenn du diese inneren Widerstände und Blockaden kennst, dann empfehle ich diesen TED-Talk der Entrepreneurin Carrie Green zum Thema „Programming your mind for success“.
3. Erfahrungen machen
Wenn du keine Aufgaben übernimmst, kannst du auch nicht ergründen, worin du gut bist. Das mag banal klingen, ist aber gar nicht so einfach. Denn die gemachten Erfahrungen müssen auch reflektiert werden. Welches Motiv liegt hinter meinem Interesse? Wie habe ich mich dabei gefühlt? Hat mein Körper reagiert? Wenn dir solche Selbstbeobachtungen schwer fallen, schreibe ein Erfahrungs-Tagebuch. Dadurch trainierst du dein Bewusstsein.
4. Online-Tests
Online kursieren jede Menge Tests, mit denen du deine Eigenschaften und Stärken messen kannst. Einer der bekanntesten Tests ist der Clifton Strengths Finder, der ursprünglich von dem Psychologen Donald O. Clifton in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Gallup zur Förderung von Führungskräften entwickelt wurde. Über elf Millionen Menschen haben sich mit dem Stärkenfinder schon selbst geprüft. Der Test ist in einer deutschen Übersetzung vorhanden, besteht aus knapp 200 Fragen mit typisch amerikanischen Fallbeispielen und kostet je nach Ausführung rund zehn bis 90 Dollar. Bisher gibt es keine unabhängigen Studien, die auf die Wirksamkeit des Tests eingehen – es gibt jedoch viele positive Erfahrungsberichte.
Wenn du ausprobieren möchtest, ob dir solche Persönlichkeitstests helfen, versuch es vielleicht zunächst mit dem ähnlich aufgebauten Charakterstärken-Test: Der Test vom gemeinnützigen VIA Institute on Character wertet 24 Stärken aus, hat in einigen unabhängigen Studien bereits gut abgeschnitten – und ist nach einer Registrierung gratis zugänglich.
5. Durch den Spiegel der Anderen
Online-Tests können einen guten ersten Eindruck vermitteln, sind aber aufgrund der Standardisierung oft zu oberflächlich, um wirklich etwas auszusagen. Außerdem neigen die meisten Menschen dazu, solche Tests unbewusst zu manipulieren, weil sie ihr Selbstbild nicht gefährden wollen. Diese Verfremdungen können vermieden werden, wenn man Freunde, Familie und Kollegen miteinbezieht. Psychologen der Michigan’s Ross School of Business haben dazu ein einfaches, aber systematisches Modell entwickelt, das in diesem Artikel ausführlich vorgestellt wird.
In Kurzform funktioniert es so: Du wählst zehn bis 20 berufliche und private Kontakte aus, die dich gut einschätzen können, weil sie dich in unterschiedlichen Phasen deines Lebens begleitet haben. Dann bittest du sie, dir in schriftlicher Form von einer Situation zu berichten, in der du dich von deiner besten Seite gezeigt hast. Nachdem du das Feedback bekommen hast, suchst du in den Geschichten nach Mustern. Dadurch entsteht ein umfassendes Selbstporträt. Im letzten Schritt planst du, wie du – auch im Job – deine Stärken konkret in die Tat umsetzen und fördern kannst.
6. Professionelle Potenzialanalyse
Zahlreiche Karriereberater verdienen ihr Geld damit, den Klienten auf der Suche nach ihren Fähigkeiten zu unterstützen. Da diese Branche sehr umkämpft ist und die meisten Anbieter ihre eigenen Methoden entwickelt haben, wollen wir an dieser Stelle keine Werbung für einen bestimmten Service machen. Wenn du gerne mit einem geschulten Berater zusammen arbeiten möchtest, achte darauf, dass er Qualitätskriterien vertritt, seine Leistungen transparent macht, auf zufriedene Kunden verweisen kann und in den entsprechenden Berufsverbänden vertreten ist. Der Begriff Berater ist nicht geschützt, deswegen lohnt es sich, genau hinzuschauen, welche Expertise wirklich vorhanden ist.
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