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Trennung kurz nach der Hochzeit: Wie aus dieser Krise die größte Chance meines Lebens wurde

Die Jugendliebe heiraten und nach zwei Monaten ist schon wieder alles vorbei – das klingt hart. Ist es auch, und dennoch hat unsere Community-Autorin sehr viel aus dieser Erfahrung gelernt. Darunter auch, welche Chancen in einer Krise stecken.

Ich habe durch meine Scheidung wichtige Dinge gelernt

Was zunächst wie ein Märchen klingt, zeigte sich als die größte Herausforderung meines Lebens. Meine Jugendliebe und ich sahen uns vor zehn Jahren in der Oberstufe des Gymnasiums zum ersten Mal. Zwei Jahre später sind wir zusammengezogen und führten eine harmonische Beziehung. Dabei haben wir wichtige Schritte im Leben miteinander geteilt und uns gegenseitig bei Ausbildung und Studium unterstützt. So erhielt ich nach acht Jahren Beziehung
einen äußerst romantischen Heiratsantrag im New Yorker Central Park. Und schon waren wir im Juni 2015 glücklich verheiratet. Wir planten unsere Flitterwochen und unsere gemeinsame Zukunft. Aber dann kam plötzlich der Bruch.

Zwei Monate nach der Trauung folgte die Trennung und ich zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Nun, im Oktober diesen Jahres folgte die einvernehmliche Scheidung. Diese Erfahrung hat mich in meinem letzten Lebensjahr stark geprägt. Und ich habe acht wichtige Dinge aus dieser Krise gelernt:

1. Man kann keinen Menschen unterstützen, der keine Hilfe annehmen möchte

Ich habe meinem Ex-Mann vor und während der Trennung jede Menge Unterstützung, Alternativen und Hilfe angeboten. Er hat keine der Möglichkeiten ernst genommen und alle Vorschläge abgeblockt. Es tut weh, einen Liebenden leiden zu sehen. Es schmerzt noch mehr, wenn die Person keinerlei Hilfeleistungen annimmt. Irgendwann musste ich mir – auch zum Selbstschutz — eingestehen, dass es Nichts gab, was ich noch tun konnte. Damit eine Beziehung Krisen überleben kann, müssen beide Seiten sich darauf
einlassen wollen und bereit sein, daran zu arbeiten. Wir sind trotz mehrfacher
Gespräche im letzten Jahr nicht zu dem Punkt gelangt, an dem beide dazu bereit gewesen wären. Deshalb haben wir die Beziehung und schlussendlich auch die Ehe beendet.

2. Eine Scheidung bedeutet nicht auf ganzer Linie zu scheitern

Da ich aus einer Scheidungsfamilie stamme, wünschte ich mir nichts sehnlicher als das Idealbild einer glücklichen Familie zu erfüllen. Dies bedeutete für mich verheiratet zu sein, einen guten Job zu haben und die gemeinsamen Kinder zu erziehen. Die Vorstellung nach nur einem Jahr Ehe wieder geschieden zu werden, war für mich mit dem Versagen meiner Person gleichzusetzen. Alle meine damaligen Lebensziele wurden damit zunichte gemacht. Heute habe ich verstanden, dass zwar meine Ehe nicht funktioniert hat, das aber keine langfristigen Auswirkungen auf meine Lebensqualität hat.

Meine Ehe ist gescheitert, ich bin daran aber nicht zerbrochen. Wie bin
ich zu der Erkenntnis gelangt? Erst durch das Ende meiner Beziehung konnte ich mich auf meine eigenen Werte zurückbesinnen. Es hat sich in den letzten Jahren eingeschlichen, dass ich mich stark über meine Beziehung identifiziert habe. Ich konnte nun aber feststellen, dass ich als eine eigenständige Person über tolle Charaktereigenschaften verfüge. Das heißt ich benötige nicht zwingendermaßen einen Mann oder eine Frau, um mich zu vervollständigen. Die nächste Beziehung, die ich eingehen werde, kann ich somit mit einer ganz anderen Grundeinstellung eingehen. Anstatt einen Partner für mein Glück verantwortlich zu machen, geht es eher darum einen Menschen zu finden, der einen auf dem Lebensweg begleitet.

3. Den richtigen Seelenpartner oder Seelenpartnerin zu treffen, ist eine Besonderheit

Obwohl mein Ex und ich eine langjährige und schöne Beziehung geführt haben, würde ich uns nicht als Seelenpartner beschreiben. Die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, war schön und für den Zeitraum angemessen. Allerdings entwickeln sich Menschen immer weiter. Die Kunst besteht darin, dass die Wege zweier Menschen sich über einen langen Zeitraum weiterhin kreuzen. Ich denke, dass Seelenpartner die Entwicklungen des Gegenübers wahrnehmen und lernen damit um- und darauf einzugehen. Das hilft dabei, Krisen gemeinsam zu überwinden. Mein Ex und ich haben unsere große Krise nicht zusammen meistern können. Und das bedeutet für mich, dass wir zukünftig nicht mehr die richtigen Partner füreinander sind.

4. Die Verantwortung für eine glückliche Beziehung liegt bei beiden!

Eine Beziehung ist ein Prozess, der einem ständigen Wandel und somit einer gewissen Dynamik unterliegt. Beide Partner sind gleichermaßen dafür verantwortlich, eine Beziehung am Leben zu erhalten. Sie müssen ihre Zeit und Ressourcen investieren, damit es langfristig funktionieren kann. Das heißt bei einem Ende der Beziehung ist es sinnvoll zu reflektieren, wo die Gründe für die Trennung liegen. Dabei habe ich die Schuld nicht alleine auf meinen Ex-Partner geschoben, sondern auch meine Fehler kritisch beäugt. Ein wichtiger Aspekt, der im Alltag schnell untergeht und auch in unserer Beziehung zu kurz gekommen ist, war die Kommunikation. Wir haben uns zwar regelmäßig unterhalten, allerdings auf einer sehr oberflächlichen Art und Weise. Wir haben beispielsweise nicht genug über unsere Gefühle, Wünsche oder auch Ziele gesprochen. Wir dachten, wir kennen den anderen nach den ganzen Jahren bereits in- und auswendig. Wir haben zwar beide gesehen, dass der andere sich auch weiterentwickelt hat, aber in welche Richtung genau haben wir nicht genug hinterfragt, geschweige denn uns dazu ausgetauscht. Dadurch konnte sich eine starke emotionale Kluft zwischen meinem Ex und mir bilden, was
letztendlich mit zur Trennung geführt hat.

5. Behaltet den respektvollen Umgang miteinander!

Ein Thema auf das ich besonders stolz bin ist die gegenseitige Wertschätzung. Den Respekt aufrechtzuerhalten, auch wenn man nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner kommt. Ich habe es geschafft meinen Ex-Mann, seine Familie, seine neue Freundin etc. mit Respekt zu behandeln und meine definitiv kurzzeitig vorhandenen Rachegelüste nicht in die Tat umzusetzen. Ich bin unheimlich froh, dass ich dem Motto treu geblieben bin. Wem hilft es langfristig schon weiter, der neuen Freundin die Schuld an der Misere zu geben und ihr oder dem Ex das Leben zur Hölle zu machen. Jeder hat seine eigenen Probleme und Herausforderungen, mit denen er sich auseinandersetzen muss. Meine Ziele waren höher als das. Ich wollte mich stärker auf mein eigenes Leben und meine zukünftigen Chancen konzentrieren als auf die aktuelle „Misere“. Unmut und zu viele negative Gedanken sind absolute Zeitverschwendung. Auch hier hat es mir geholfen, intensiver nachzuforschen und zu prüfen, wie es zu der Situation gekommen ist. Ich kam zu der Erkenntnis, dass die Krise ein Weckruf war. Mein Ex-Mann und ich waren schon länger nicht mehr glücklich in der Beziehung und haben viele Zeichen unterdrückt anstatt sie zu hinterfragen.

6. Jede Krise birgt neue Chancen!

Nachdem ich die Tatsache akzeptiert habe, dass meine Beziehung und Ehe vorbei ist und ich verstanden habe wo dafür die Gründe liegen, konnte ich nach vorne schauen. Ich konnte alle Idealbilder, bisherigen Ziele, äußere Einflüsse etc. über Bord werfen und mir neu Gedanken darübermachen, was ich mir vom Leben wünsche und was ich dafür tun möchte, um die Ziele zu erreichen. Dabei habe ich mir vermeintlich einfache Fragen gestellt und genauer untersucht. Fragen nach meinen Zielen und Wünschen. Aber auch Fragen zum Thema
Partnerschaft und Lebensführung. Auch andersherum: Was bin ich bereit für meine Ziele aufzugeben? Ich habe erkannt, dass das ebenfalls ein wandelnder Prozess ist. Nur weil für mich ein großes Lebensziel einmal die Ehe war, heißt das nicht, dass ich an diesem Ziel bis an mein Lebensende festhalten muss. Ich freue mich, dass ich aus der Krise die Chance erkennen konnte. Ich hatte die
Gelegenheit mich neu kennenzulernen und habe diese auch genutzt. Als Ziel habe ich mir zum Beispiel gesetzt, achtsamer durch meine Leben zu gehen und
regelmäßig in mich hinein zu hören, ob das noch der Weg ist, der weiterhin zu
mir passt. Ziele im Leben und auch die Wege dorthin können sich im Laufe des
Lebens ändern, und das ist auch gut so.

7. Jede Begegnung in deinem Leben erfüllt einen Sinn!

Ich habe die unglaubliche Erfahrung machen dürfen, dass ich ein wundervolles Netz aus Familie und Freunden und sogar auch verständnisvollen Arbeitskollegen hatte, dir mir zur Seite standen. Ich bin unendlich dankbar für jeden, der mich in der schwierigen Zeit unterstützt hat. Die Kraft, die ich daraus schöpfen konnte, ist immens. Dabei ist mir verstärkt aufgefallen, dass jeder Mensch in meinem Leben eine bestimmte Rolle übernimmt. Während meine Eltern und Großeltern mich momentan noch auf meinem Weg begleiten
können und eine große Stütze sind, weiß ich, dass sie irgendwann von uns gehen. Sie werden hoffentlich noch eine Weile auf der Erde verbringen, aber sie werden nicht mein ganzes Leben da sein. Ganz im Gegenteil zu meiner kleinen Schwester. Sie wird im Idealfall den Rest der Reise mit mir antreten. Ihre Bedeutung für mein Leben ist riesig. Sie ist für mich mittlerweile (bedingt durch einige Krisengespräche) beste Freundin, Mentorin, Diskussionspartnerin und Impulsgeberin geworden.

Die meisten Freunde begleiten mich über einen gewissen Zeitraum. Das ist meist abhängig von bestimmten Lebensabschnitten. Sie treten in mein Leben und bleiben unterschiedlich lange. Aber jeder FreundIn bereichert mein Leben auf unterschiedliche Art und Weise. Ein weiteres Beispiel ist eine Affäre nach der Trennung. Davon mal abgesehen, dass mir nach der Ablehnung die Zuwendung durch einen anderen Menschen gutgetan hat, hat der Mann mich zu dem Zeitpunkt inspiriert und angeregt mir Gedanken über mich selbst und die Welt zu machen. Er hat meinen kindlichen Wissensdurst und meine Spontanität geweckt. Kurz gesagt,er hat mich gefordert und das Beste aus mir herausgeholt. Es war somit unglaublich wichtig für mich, dass ich diesem Menschen begegnete, um mich weiterzuentwickeln. Also egal wie lange ein Mensch in meinem Leben bleibt ob lang oder kurz, es gibt meiner Meinung nach immer einen größeren Zusammenhang, den es zu verstehen gilt.

8. Die Lebenszeit ist begrenzt!

Im Vergleich zu anderen Krisen, wie schlimmen Krankheiten, erscheint meine natürlich sehr klein und unbedeutend. Dennoch war es für mich eine große Herausforderung, der einen Reifeprozess erfordert hat. Ich nehme die Welt und die Zeit dadurch anders wahr. Es wird plötzlich deutlich, dass das Leben endlich ist und dass es grundsätzlich schneller vorbei sein kann als man denkt. Ich möchte meine Zeit nun sinnvoller gestalten. Beispielsweise weniger schlechten Fernsehkonsum und gezieltere Informationssammlung zu Themen, die mich persönlich oder beruflich weiterentwickeln. Ich wünschte ich hätte bestimmte Veränderungsprozesse bereits früher gehabt. Aber ich bin dankbar, dass ich überhaupt so weit gekommen bin. Besser spät als nie!

Dies sind einige der wichtigsten Lerneffekte, die ich im Zuge meines letzten Jahres machen konnte.  Es ist schön zu sehen, Veränderungsprozesse an mir selbst wahrzunehmen. Aber auch nach kurzer Zeit wurde an mich zurück gespiegelt, dass meine Umwelt die Veränderung ebenfalls wahrnimmt. Ich wünsche allen, die eine ähnliche Situation erleben, dass sie dies mit genauso viel positiver Energie angehen können und rückblickend beurteilen. In schweren Zeiten haben mich die einfachen Worte meiner Schwester aufgebaut „du siehst es jetzt noch nicht, aber die Krise hat ihren Sinn“, erst ein Jahr später werden mir die Bedeutung dieser Worte wirklich bewusst.

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