Foto: Symbolbild: Online Marketing | Unsplash

Verkleinerung der Vulvalippen: Wie ein Arzt online für Intimchirurgie wirbt

Sollte ein Arzt ein sensibles Thema wie Intimchirurgie in einem kommerziellen Video bewerben? Ein Düsseldorfer Arzt tut dies und wird dafür von einer Bloggerin kritisiert.

Werbevideo für Operation mit Mitarbeiterin

Klitorismantelstraffung ab 2.400 Euro. Vulvalippenverkleinerung ab 2.400 Euro. Wiederherstellung des sogenannten Jungfernhäutchens ab 1.200 Euro. Auf derlei Eingriffe stößt, wer sich mit dem Aussehen des weiblichen Intimbereichs, der Vulva, beschäftigt. All diese Angebote beinhalten, dass es gewisse Ideale gibt, wie eine Vulva aussehen sollte und dass jegliche Abweichungen korrigiert werden können.

Immer mehr Ärzt*innen interessieren sich für Intimchirurgie und ästhetische Chirurgie und führen derartige Eingriffe durch. Eine Düsseldorfer Arztpraxis hat sich darauf spezialisiert und bietet laut Webseite alle drei Eingriffe an. Um diese zu bewerben, stellten sie auf ihrem Youtube-Account ein Video unter dem Titel „Schamlippenkorrektur Erfahrungsbericht: OP-Tag der Intim-Operation, innere Schamlippen verkleinern” online. Darin ist eine junge Frau vor dem Eingriff zu sehen. Sie berichtet von ihren Sorgen. Es folgen Aufnahmen aus dem OP-Saal und schließlich wieder die Frau, die erzählt wie einfach alles war und wie gut sie der Arzt namens Stephan Günther betreut hätte. Mehr als 294.000 Aufrufe hat das Video mittlerweile. Der Instagram-Account der Praxis zeigt, dass die junge Frau im Video eine Mitarbeiterin der Praxis ist. Sie arbeitet am Empfang. Also alles inszeniert?

Keinen Bock mehr auf Mythen und Schönheitsideale

Die Bloggerin und Studentin Jorinde Wiese stieß auf das Video und kritisierte den Arzt dafür öffentlich auf Instagram und ihrem Blog. Jorinde ist die Initiatorin der Petition #KeinBockaufMythen und setzt sich für einen Stopp von Eingriffen zur Wiederherstellung des sogenannten Jungfernhäutchens, sowie mehr Aufklärung darüber, ein. Zu ze.tt sagt sie: „Ob das wirklich eine Mitarbeiterin im Video ist, die gleichzeitig auch Patientin ist, sei mal hinten angestellt. Viel erschreckender finde ich die Art, wie hier Werbung gemacht wird. Es wird eine scheinbare Authentizität vorgespielt. In einer Zeit in der Fake Videos kursieren, ist es wichtig auf sie aufmerksam zu machen.“

ze.tt hat Stephan Günther kontaktiert und ihn gefragt: „Wie seriös ist ein Erfahrungsbericht mit einer Mitarbeiterin?“ Seine Antwort ist eine Gegenfrage: „Warum sollte man, wenn man solche Eingriffe durchführt, diese nicht auch einer Mitarbeiterin anbieten, wenn diese das Bedürfnis danach hat?“ Zu seinem Angebot der Wiederherstellung des sogenannten Jungfernhäutchens sagt er, dass diese gesellschaftlich kritisch zu behandeln sei. „Wir finden es auch nicht mehr zeitgemäß … die betroffenen Frauen aber stehen vor ganz anderen Problemen.“ Weitere Fragen wollte Günther nicht beantworten.

Werbung in der Medizin

Bei dem Video stellt sich zudem die Frage: Was dürfen Ärzt*innen eigentlich bewerben? Und was nicht? Die Ärztin Kristina Hänel hatte auf der Website ihrer Praxis über Schwangerschaftsabbrüche informiert und war dafür zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden. Das Urteil ist mittlerweile aufgehoben worden. Seitdem wird intensiv über Werbung und Aufklärung in der Medizin diskutiert. Darf der Arzt also für eine Vulvalippenverkleinerung mit einer mutmaßlichen Mitarbeiterin werben?

Grundsätzlich gestattet ist nach Berufsordnung der deutschen Ärzte (MBO) die sachlich berufsbezogene Information. Wortwörtlich heißt es dort: „Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Ärztinnen und Ärzte dürfen eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden.“ Um irreführende Werbung handelt es sich beispielsweise, wenn damit Fehlvorstellungen über die Person des Arztes oder der Ärztin entstehen können. Konkret bedeutet das: Mehrdeutigkeit, Unklarheit, Verschweigen wichtiger Sachverhalte.

Laut dem Ärzteblatt werden dazu häufig als Richtlinie die frühere Bundesverfassungsrichterin Renate Jaeger zitiert: „Information, die vom Patienten nachgefragt wird und die von den Leistungserbringern im Gesundheitswesen inhaltlich richtig, in verständlichen Worten, jede Irreführung vermeidend und ohne Übertreibung an den Patienten herangetragen wird, verbessert die Beziehung zwischen Arzt und Patienten und damit die Gesundheitsversorgung.“ Inwiefern ein Erfahrungsbericht mit einer Mitarbeiterin diese Vorgaben erfüllt, ist fraglich.

Welche Schönheitsideale haben wir?

Bloggerin Jorinde will auf die herrschenden Schönheitsideale in der Gesellschaft aufmerksam machen und sie ins Gespräch bringen. Das Schönheitsideal der Vulva stammt ihrer Meinung nach vor allem aus der Pornografie und ist klein und möglichst unscheinbar.

Obwohl bei vielen Frauen die inneren Vulvalippen größer seien, habe sich ein Ideal durchgesetzt, dass sie so auszusehen hätten, wie die Vulva eines Mädchens vor der Pubertät. „Das ist gefährlich, weil diese Ideal vielen Mädchen und Frauen vermittelt sie seien nicht normal“, sagt sie. Werbung wie das Video verstärke den Leidensdruck bei den Betroffenen, anstatt ihnen zu helfen sich schön zu fühlen und sich nicht für das Aussehen ihrer Vulva zu schämen.

Der Originaltext von Eva Reisinger ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.

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