In ihrer Thirtysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche darüber, wie sehr es schmerzt, wenn man sich in einer Beziehung zu verlieren droht.
Wo bist du gerade?
Er geht an mir vorbei und ich bin mir nicht mal sicher, ob er wahrgenommen hat, dass ich da bin. Oder ob das überhaupt von Belang ist. Es ist schon wieder einer dieser Abende, an dem wir eigentlich Zeit gehabt hätten, noch ein wenig zusammenzusitzen und zu reden. Oder nebeneinander zu lesen, zu schweigen, was auch immer – einfach miteinander zu sein. Eigentlich. Dieses beschissene Gefühl, wenn man mit jemandem zusammenlebt, und irgendwie doch nicht mehr. Wenn das Nest, das gemeinsamen Zuhause, auf einmal Löcher bekommt. Nur noch zusammengehalten wird durch die strengen Vorgaben des Alltags, durch das Funktionieren, durch Abläufe, die man in- und auswendig kennt. Wie verdammt nochmal, kam es dazu?
Früher war das anders. Früher gab es in diesen festen Strukturen noch ganz viel Wir, kleine Fluchten, Gespräche über Gott und die Welt. Über uns. Gab es Albernheiten, ausgetauschte Träume, Blicke und Berührungen, die keinen Zweifel am Gemeinsamen gelassen haben, auch wenn man sich mal fern war. Früher wussten wir, wo der andere steht oder zumindest, dass alles in Ordnung ist. So generell. Und zwischen uns. Und dann, irgendwann, kehrte auf einmal sehr viel Stille in die Wohnung ein. Ganz langsam, ganz schleichend. Und so ätzend bedrückend. Hört sich so das Ende an?
Wie ist es zu diesem Riss zwischen uns gekommen?
Wir waren doch mal sowas wie Seelenverwandte. Ein Team, das im Zweifel gegen alles da draußen ankam. Und jetzt stehen wir immer öfter hinter- oder vor-, aber ganz sicher nicht mehr nebeneinander. Wie geht man damit um, wenn die Gespräche immer häufiger an der Oberfläche haften bleiben, wenn da ständig diese Unsicherheit ist, weil das, was einmal ein klares Wir war, an den Rändern ausfranst, blasser wird, wie eine Milchglas-Scheibe, durch die man sich als Paar nur noch schemenhaft erkennt?
Wie geht man mit diesem Riss um, der sich immer mehr auszudehnen scheint? Wie hält man das auf, und vor allem: Wie beginnt man wieder ein Gespräch? Oder braucht es das gar nicht, weil jetzt eben auch mal Raum für diese Stille da sein muss? Dieser verdammte Eiertanz. Dieses Misstrauen, das alle Worte zweideutig und jeden Schritt aufeinander zu, zu einem ins Ungewisse macht.
Ein neuer Ort für uns zwei
Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Nur, dass irgendwie neue Klarheit her muss. Nicht in dem man drückt und zieht, als würde das je etwas helfen, sondern indem man wahrscheinlich diesen elenden Abstand einfach tatsächlich mal annimmt, statt immer wieder in die andere Richtung zu schauen, ihn eine Weile wirklich aushält, beobachtet und diesen scheiß Schmerz, den das auslöst, ein wenig zur Seite schiebt. Indem man sich ganz ehrlich die Frage danach stellt, was einen da genau hat auseinanderdriften lassen.
Gab es vielleicht doch einen Auslöser oder hat man sich tatsächlich und klischeehaft irgendwo auf dem Weg verloren? Geht es da wirklich um uns, oder passiert da draußen einfach gerade so viel, dass sich drinnen was verändert? Vielleicht spürt und tastet man auch noch einmal, ob die Unsicherheit wirklich durch den anderen entsteht – oder ob das etwas ist, was man vor allem mit sich selbst ausmachen muss. Herrje, oder man ist nicht so verdammt vernünftig und schreit und tobt, bis der Seele wieder etwas Luft gemacht wurde.
Vielleicht braucht es aber, wenn es in der Wohnung zu still geworden ist, auch einfach einen neuen Ort, um wieder ins Gespräch und in Sichtweite zu kommen. Sowas wie ein Date, in der Lieblingsbar. Einfach so, ohne Tamtam, sich mal wieder gegenübersitzen, wo kein Alltag herrscht und man „nicht eben noch was machen muss“. Ich sag’s euch, was so simpel klingt, kann vielleicht nicht alles sofort ändern, aber tatsächlich viel bewirken.
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