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Wissen ist Geld! Warum ihr euch jetzt um eure Finanzen kümmern solltet

Wer denkt heute schon an seine finanzielle Zukunft? Es wird gerne aufgeschoben, sich Gedanken darüber zu machen. Doch es ist wichtig schon früh anzufangen.

Frauen sprechen weniger über Finanzthemen

Ein Treffen unter Freunden: Die Männer in der Runde tauschen sich aus, welche Aktien sie kaufen würden, in welchen ETF sie investieren wollen und bei welcher Bank es die besten Konditionen gibt. Die Frauen schweigen dazu oder unterhalten sich lieber über Shopping, den „Bachelor“ oder Kuchenrezepte. Alles nur ein Klischee? Offenbar nicht unbedingt.

„Nach unserer repräsentativen Umfrage im vergangenen Jahr sprechen Frauen in ihrem Freundeskreis tatsächlich seltener über Finanzthemen“, sagt Alexandra Niessen-Ruenzi, Professorin am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebs­wirtschafts­lehre und Corporate Governance an der Universität Mannheim, im Gespräch mit Cornelia Meyer von Business Insider.

Die meisten überlassen die Finanzplanung gerne ihrem Partner

Eine aktuelle Studie von UBS Global Wealth Management zeigt, dass 60 Prozent aller verheirateten Frauen in Deutschland die langfristige Finanzplanung immer noch ihren Partnern überlassen. Nur 21 Prozent kümmern sich selbst darum. Millennials tendieren sogar noch mehr dazu als ihre Eltern. Der Grund: Die Frauen glauben, dass die Männer sich beim Thema Geld und Finanzen besser auskennen als sie. 

„Frauen haben eine große Unsicherheit bei diesem Thema, auch wenn sie die gleiche Schulbildung wie Männer haben oder sogar ein Studium“, sagt Niessen-Ruenzi. Bei einem Finanzmarktquiz, bei dem zum Beispiel der Einfluss von Inflation bei der Geldanlage abgefragt wurde, schnitten Frauen tatsächlich auch schlechter ab.

„Da spielen nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung mehrere Dinge ineinander. Frauen fühlen sich unwissend und nicht kompetent genug, Männer überschätzen sich gern“, sagt die Finanzberaterin Helma Sick zu Business Insider. Sick ist auch Autorin mehrerer Bücher über das Thema Frauen und Finanzen, wie „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“, das sie zusammen mit der SPD-Politikerin und früheren Familienministerin Renate Schmidt geschrieben hat.

Die Reue kommt oft erst dann, wenn es zu spät ist

Die fehlende Eigenverantwortung beim Thema Finanzen könnte sich später jedoch bitter rächen: Reue empfinden Frauen vor allem dann, wenn es ihnen zum Verhängnis geworden ist, bei einer Scheidung oder wenn der Partner stirbt. Oder wenn klar wird, dass die Höhe der Rente nicht zum Leben reicht. 

Schon in der Lebensplanung treffen Frauen finanziell gesehen oft die schlechteren Entscheidungen. Sie wählen schlechter bezahlte Berufe, steigen für die Kindererziehung länger aus dem Job aus und arbeiten deutlich öfter in Teilzeit als Männer. Wenn der Partner als Versorger wegfällt und die Frauen keine Vorkehrungen getroffen haben, stehen sie nicht selten vor dem finanziellen Ruin.

Trotzdem machen sich immer noch zu wenige Frauen Gedanken darüber, wie sie ihr Geld am besten anlegen. Dabei sollten sich gerade Frauen für ihre Altersvorsorge interessieren. Schließlich leben sie laut Statistiken im Schnitt fast fünf Jahre länger als Männer. Bei einem Renteneintritt mit 67 Jahren haben sie noch 20 Jahre und mehr zu leben — Zeit, die finanziert werden muss.

Westdeutsche Frauen durften bis 1974 ohne die Erlaubnis ihres Mannes nicht arbeiten

Das heißt nicht, dass Frauen nicht mit Geld umgehen könnten. Das Bild der sparsamen „schwäbischen Hausfrau“ ist eben das: eine Frau. Zudem sind Frauen laut einer Studie der Creditreform seltener überschuldet als Männer. Jedoch durften westdeutsche Frauen bis 1962 kein eigenes Bankkonto eröffnen und bis 1974 auch ohne die Erlaubnis ihres Mannes nicht arbeiten.

„Männer waren der Hauptverdiener und zuständig für den Vermögensaufbau, Frauen haben das Haushaltsgeld verwaltet. Das wirkt immer noch nach“, sagt Niessen-Ruenzi. Ihr sei zwar keine Studie bekannt, die untersucht, wie genau die Erziehung das Interesse an Finanzthemen bei Jungs und Mädchen beeinflusst, so die Wirtschaftswissenschaftlerin. „Was man weiß: Mädchen erhalten weniger Taschengeld als Jungs, auch wenn es nur ein kleiner Unterschied ist.“ 

Man habe Frauen lange Zeit nicht für intelligent und fähig genug gehalten, sich mit Geldgeschäften zu befassen, sagt Finanzberaterin Sick: „Das war also eine Form weiblicher Unterdrückung.“

„Ostfrauen sind in dieser Hinsicht emanzipierter“

Doch auch Kultur und Politik spielen eine Rolle: In Skandinavien sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen laut der Finanzmarktexpertin Niessen-Ruenzi wesentlich geringer ausgeprägt als in Deutschland. Und in Deutschland sind ost- und westdeutsche Frauen ebenfalls anders geprägt.

Zwar haben auch ostdeutsche Frauen durch das DDR-System nicht so viel Erfahrung mit der Finanzplanung. „Sie sind aber überwiegend gut ausgebildet und sie sind berufstätig“, sagt Sick. „Deshalb haben sie zum Beispiel auch wesentlich höhere Renten als Westfrauen. Ostfrauen sind in dieser Hinsicht emanzipierter, sie arbeiten gern, verdienen gern eigenes Geld und haben keine Scheu, ihre Kinder in der Kita betreuen zu lassen.“

Männer fangen früher mit dem Sparen an als Frauen

Fehlt den Frauen der Einstieg in das Thema? Viele Fachmedien und Dienstleister setzen einiges an Wissen voraus. „Bisher wurde das Marketing eher auf männliche Zielgruppen zugeschnitten“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Niessen-Ruenzi. Zudem würden Frauen seltener von Finanzberatern angesprochen.

Immerhin: Langsam ändert sich etwas. Auch Frauenzeitschriften nehmen sich des Themas an. Von der „Brigitte“ bis zur „Cosmoplitan“ gibt es Tipps zur Geldanlage und Altersvorsorge. Bloggerinnen wie Madame Moneypenny machen auf das Thema Frauen und Finanzen aufmerksam. 

Auch Helma Sick beobachtet, dass inzwischen mehr jüngere Frauen mit Anfang 30 in ihre Finanzberatung kommen — „oft, weil sie gut verdienen und mehr aus ihrem Geld machen möchten“, so Sick. „Männer allerdings fangen in der Regel mit Anfang 20 an zu sparen.“

Immer mehr Banken laden gezielt Frauen zur Beratung ein. „Finanzinstitutionen haben erkannt, dass Frauen eine wichtige Kundengruppe sind und sprechen sie gezielt an“, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Niessen-Ruenzi. „Denn Frauen haben ein höheres Risiko, in die Altersarmut zu rutschen.“

Angst vor der Börse

An der Börse sind Frauen unterrepräsentiert. Laut den Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) sind nur 3,9 Millionen der insgesamt 10,3 Millionen Aktionäre in Deutschland weiblich. „Frauen sind risikoaverser als Männer“, sagt Niessen-Ruenzi. Deswegen beteiligen sie sich seltener am Aktienmarkt.

Dabei sind Frauen sogar die besseren Anleger. „Frauen schneiden im Schnitt besser ab, weil Männer öfter handeln. Das kostet aber Gebühren“, erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin. „Männer glauben häufiger, überlegenere Informationen zu besitzen.“

Frauen achteten bei der Aktienauswahl eher auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung als Männer — und investierten nicht in „Sündenindustrien“ wie Tabak oder Glücksspiel. „Die Grundregeln der Kapitalmärkte wie Diversifizierung, Minimierung der Transaktionskosten und Vermeidung von Anlagefehlern gelten für Frauen und Männer gleichermaßen“, so Niessen-Ruenzi.

Was können Frauen beim Thema Geld von Männern lernen — und was Männer von Frauen?

„Frauen müssen lernen, dass Geld wichtig ist, um unabhängig zu sein und ein gutes Leben, auch im Alter, führen zu können“, sagt die Finanzberaterin Sick. „Frauen müssen Interesse entwickeln für das Thema.“ Dies könnten sie zum Beispiel durch speziell auf Frauen zugeschnittene Workshops und Ratgeber mit Tipps zur Geldanlage und zum Vermögensaufbau. 

„Andererseits sind Frauen vorsichtiger, sie fallen nicht auf jeden Trend herein — das zum Beispiel könnten Männer von Frauen lernen“, findet Sick. „Sie glauben auch seltener als Männer, den Stein der Weisen bei der Geldanlage entdeckt zu haben. Frauen sind oft realistischer.“

Sicks wichtigster Ratschlag für junge Frauen: „Bleiben Sie im Beruf.“ Wer Kinder haben möchte, sollte die Elternzeit mit dem Partner teilen und über Teilzeit wieder Vollzeit in den Beruf zurückkehren. „Keinesfalls viele Jahre Teilzeit arbeiten. Das führt in die dauerhafte Abhängigkeit und zu einer ungenügenden Rente“, betont die Finanzberaterin.

Außerdem sollten Frauen früh anfangen zu sparen. „In die meisten Aktienfonds kann man mit einem Sparplan über 25 Euro pro Monat schon einsteigen“, meint Sick. „Langfristig bringt das eine ganze Menge. Bauen Sie dann diese Anlage sukzessive aus, überprüfen Sie alle paar Jahre wo Sie stehen und was Sie dazu noch in puncto Finanzen tun könnten.“

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