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Urmi Prasad Richardson: „Nicht immer ist die Reise zum Ziel eine gerade Linie“

Die Linde-Managerin Urmi Prasad Richardson gilt als innovative Vordenkerin und Rolemodel. Ein Gespräch über Produktivitätskiller und Kontrolle.

„Glaubt an euch selbst und eure Erfahrungen“

Urmi Prasad Richardson ist Leiterin des Gesundheitsbereichs bei Linde, einem globalen Technologiekonzern und Weltmarktführer im Bereich Industriegase. In Deutschland beschäftigt das Unternehmen 7000 Mitarbeiter*innen. Richardson gilt bei Linde nicht nur als innovative Vordenkerin, sondern auch als Dealmakerin. Im gerade anstehenden Integrationsprozess mit dem US-Konzern Praxair kann sie Brücken bauen, weil sie viele Jahre in den USA gearbeitet hat.

Als Chefin ist die 47-Jährige viel unterwegs, ihre Teams sind über den ganzen Globus verteilt. Ohne ihr Handy, erzählt uns die Top-Managerin, die ihren Tag mit einer Meditation beginnt, wäre sie aufgeschmissen. Richardson hat in sechs Ländern gelebt, spricht sechs Sprachen und mag es überhaupt nicht, wenn Mitarbeiter*innen unvorbereitet in Meetings kommen. Den deutschen Winter bekämpft sie mit mehreren Schichten: Bluse, Pullover, Poncho und noch ein paar Jacken.

Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt.

Frau Richardson, was machen Sie morgens als erstes im Büro?

„Eine Liste der Dinge, die ich bis zum Ende des Tages erledigt haben möchte.“

Was sind Ihre Stärken?

„Ich lerne schnell. Mit meinen naturwissenschaftlichen Abschlüssen, der Biotechnologieforschung, einem MBA und mehr als 20 Jahren Berufserfahrung kann ich die Naturwissenschaften und Technologien auf die finanziellen Ziele des Unternehmens sowie die Marktfähigkeit des Konzerns abstimmen. Dabei bin ich ziemlich gut darin, die richtigen Leute miteinander zu vernetzen und dann den Prozess abzubilden und zu leiten, der notwendig ist, um das Ziel zu erreichen. Außerdem habe ich gelernt, dass Empathie ein wichtiges Attribut in der Führung ist. Denn nur wenn ich die Perspektive aller Teammitglieder verstehen kann, kannst ich sie coachen, unterstützen und dazu befähigen, erfolgreich zu sein.“

Haben Sie ein persönliches Motto, das Sie antreibt und motiviert?

„Verstehe, was du kontrollieren kannst und was nicht und lasse die Dinge los, die du nicht kontrollieren oder ändern kannst. Das ist ein täglicher Kampf.“

Wer ist Ihr persönliches Rolemodel und warum?

„Das ist meine Mutter, die mir beigebracht hat, keine Angst vor harter Arbeit zu haben, diszipliniert zu sein in dem, was ich tue, Glück dankbar anzuerkennen und freundlich zu sein.“

Bitte ergänzen Sie den Satz: Ich unterstütze meine Mitarbeiter*innen (Nachwuchskräfte, Kolleg*innen) in schwierigen Situationen, indem…?

„…ich für Ruhe sorge und zunächst versuche, den Kern des Problems oder Konfliktes zu finden. Dann suche ich nach dem gemeinsamen Nenner aller Beteiligten, wobei hier der Kernpunkt die Kommunikation ist. Niemand sollte das Gefühl haben, missverstanden zu werden oder dass der eigene Standpunkt nicht anerkannt wird.“

Angenommen eine Freundin/Kollegin/Mitarbeiterin denkt oft: „Ich verdiene den Erfolg gar nicht“, „Ich bin gar nicht gut genug“, „Das schaffe ich nie“, „Andere sind um Welten besser als ich…“ – Was raten Sie?

„Versuche nicht, eine Herausforderung auf einmal zu meistern. Zerlege sie stattdessen in einzelne Etappen, die realisierbar sind. Mache einen Schritt nach dem anderen! Dieses Setzen von erreichbaren Zielen und dann die erfolgreiche Umsetzung werden dein Selbstvertrauen und deine Produktivität erhöhen.“

Ein No-Go im Umgang mit Mitarbeitern ist für mich…?

„… mangelnde Verantwortlichkeit. Nichts zu ändern, wenn sich ein unerwünschtes Muster weiter wiederholt und Kollegen, die Teamleistungen für sich alleine beanspruchen.“

Feedback ist für mich…?

„… sehr wertvoll, muss jedoch immer auch eine Perspektive und Kontext beinhalten.“

Welches Tool ist bei der Arbeit für Sie unverzichtbar?

„Ein Performance-Dashboard, mit dem ich die operative und geschäftliche Leistung im Blick behalte und Arbeit zusammenfassen und konzentrieren kann. Außerdem ist mein Handy ziemlich wertvoll für mich, weil ich oft reise. Meine Teams arbeiten weltweit, und mit dem Telefon kann ich endlose E-Mail-Schleifen und Telefonkonferenzen gut verwalten.“

Ihr persönlicher Produktivitätskiller?

„Wenn alle Beteiligten erkennen, dass Veränderung notwendig ist, die Änderung und die Lösung identifiziert wurden, man sich geeinigt hat und es dann doch nicht umgesetzt wird. Außerdem, wenn Mitarbeiter*innen unvorbereitet in Meetings kommen, die vorbereitet werden sollten.“

Über ihre Erfolge sollten Frauen…?

„… vor allem sollten Frauen an sich selbst glauben und an ihre Erfahrung. Um Erfolg zu haben, ist es wichtig, sich immer wieder konkrete Ziele zu setzen, diszipliniert zu sein und immer auch Kompromisse im Blick zu haben. Denn nicht immer ist die Reise vom Ausgangspunkt zu ihrem Ziel eine gerade Linie. Also seid immer auch flexibel und offen für neue Möglichkeiten und Erfahrungen!“

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„Vergleiche dich mit dem Markt, finde deinen Wert heraus, und dann geh’ es an!“

Verbündete und Mentor*innen finde ich, indem…?

„Mentor*innen können einem dabei helfen, durch Arbeits- und Lebenssituationen zu navigieren und Perspektiven zu geben, wenn man sich in einer Situation sehr alleine fühlt. Gleichzeitig kann ich selbst das Gelernte nutzen, um es an Nachwuchskräfte und Talente weiter zu geben, die sich an mich wenden. Ich habe immer noch Kontakt mit früheren Vorgesetzten, mit denen ich eine großartige Beziehung hatte und von denen ich viel gelernt habe. Bei Bedarf frage ich einfach aktiv nach ihrem Rat und Unterstützung. Ich begegne gleichzeitig immer wieder auch neuen Menschen im Berufsleben, die ich bewundere und von denen ich lernen möchte, und kontaktiere sie gerne direkt.“

In Konfliktsituationen bin ich…?

„Die Dinge sind selten schwarz-weiß. Ich erinnere mich dann immer daran, dass die andere Seite auch eine Perspektive und Bezugspunkte hat, die sich wahrscheinlich von meiner Sichtweise unterscheiden.“

Pannen sind…?

„Wenn Probleme auftreten, trete ich zurück und schaue mir das Gesamtbild an. Es ist wichtig zu beurteilen, was genau passiert ist, und nicht meine emotionale Reaktion darauf. Ich bekomme dann Input von denen, die sachkundig sind oder einen positiven Beitrag dazu leisten können, mich und mein Team neu zu konzentrieren und das Problem anzugehen. Und natürlich versuche ich, den Fehler nicht zu wiederholen.“

Wie fängt Ihr Tag an?

„In den zehn Minuten zwischen den Schlummeralarmen meditiere ich. Dann wecke ich meine Kinder und beginne unseren gemeinsamen Morgen.“

Wie schalten Sie abends ab und wann gehen Sie ins Bett?

„Ich versuche bis 23 Uhr ins Bett zu gehen, aber globale Geschäfts- und Zeitzonen können eine regelrechte Flut von späten E-Mails verursachen, die stören können. Ich mag es, wenn ich 30 Minuten Zeit zum Entspannen vor dem Schlafengehen habe.“

Nein sagen sollten Frauen zu…?

„… allem, wozu auch ein Mann nein sagen würde!“

Sie merken, dass Sie unglücklich sind in Ihrem Job. Was tun Sie?

„Nicht jede*r kann einfach gehen, wenn er*sie unglücklich ist. Wenn das passieren würde, gäbe es überall sporadische Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsleben hat, wie das Privatleben auch, Ebbe und Flut. Auf lange Sicht, wenn es nicht gut aussieht, sollte man sich Pläne für Veränderungen machen und die Verantwortung für sein Leben übernehmen. Man sollte sich aber nicht von seinen Emotionen zu voreiligen Entscheidungen treiben lassen.“

Anderen Chef*innen würde ich gerne sagen,…?

„… dass nachhaltige Höchstleistungen und konsistente Ergebnisse nur durch gute Kommunikation verbessert werden können. Vor allem Perspektiven und Transparenz tragen wesentlich dazu bei, Mitarbeiter*innen zu motivieren, das Beste zu sein, was sie sein können. Und: Hab’ immer einen Sinn für Humor. Nimm dich selbst nicht zu ernst. Was du ernst nehmen kannst, sind deine Handlungen und ihre Auswirkungen auf die Menschen und die Welt um dich herum!“

Frau Richardson, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt. Mehr Interviews zu Diversity, Management und Leadership findet ihr im Handelsblatt-Special „Shift“. Carina hat außerdem eine Karriere-Kolumne bei Audible.

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