Foto: Roman Odintsov | Pexels

Kann ich überhaupt noch ohne mein Smartphone? Ein ehrlicher Selbstversuch

„Digital Detox”? Unsere Community-Autorin ist gerne 24/7 online – und hat sich genau deshalb, eine Woche Smartphonepause verordnet.

Wir sind eigentlich immer online

Digital Detox”, was schlicht nicht mehr bedeutet als zeitweilig offline sein ist mittlerweile ja schon zu einem Megatrend geworden. Wie vegan leben (No offense)! Ich will eigentlich gar nicht den hundertsten Beitrag darüber schreiben, dass wir alle süchtig nach unseren Smartphones sind. Ich glaube, dessen sind wir uns alle sehr bewusst. Die Digitalisierung hat uns schon längst eingeholt und betrifft heute alle unsere Lebensbereiche. Man könnte tatsächlich schon fast von einer Revolution sprechen. Was vor ca. fünf Jahren noch unbekanntes Territorium war, ist jetzt selbstverständlich – und ich liebe es! Ich liebe, was für Möglichkeiten wir mittlerweile haben, alles ist viel einfacher geworden. Aber je einfacher es wird, desto häufiger assoziiert man das digitale Zeitalter mit negativen Stichpunkten.

Als ich letztens in meinem Lieblings-Magazin das „Offline-Heftchen” entdeckt habe, dachte ich mir deshalb: Okay, ich wage das Experiment.

Mich dann wirklich davon zu überzeugen war aber gar nicht so leicht. denn was ist eigentlich dabei, dass ich lieber durch Twitter scrolle, anstatt mir den hässlichen Hauptbahnhof anzuschauen? Ich würde ja liebend gerne in der Bahn mehr Bücher lesen, aber mal ehrlich, wird euch davon nicht schlecht? Bei mir funktioniert das nicht. Es ist immer so hektisch, alle wollen sich noch reinquetschen und es riecht unangenehm. Deshalb höre ich lieber Musik, um den Lärm ein wenig einzudämmen und bete innerlich, bald am Ziel anzukommen.

Das Internet kann auch überfordern

Die andere Seite der Medaille: Ich bin überfordert. Ich habe das Gefühl, keine Zeit mehr zu haben, um das Internet genug zu nutzen. Netflix, Youtube, Spotify und Co. Und dann noch versuchen den Alltag zu bewältigen – schon ist der Tag  vorbei. Und für mich ist es ein absoluter Albtraum, den Tag nicht ausgenutzt zu haben. Wieso lasse ich mich, lassen wir alle uns, so sehr hetzen?

Ich habe das Gefühl, die Zeit rast einfach so an mir vorbei und ich bewege mich kein bisschen weiter – danke Netflix.  Darüber hinaus läuft alles parallel ab. Man kann sich gar nicht mehr auf ein Medium oder ein Ereignis konzentrieren. Alles passiert gleichzeitig und auf alles soll gleichzeitig reagiert werden.

Das Smartphone in der Tasche zu lassen kann sehr befreiend sein

Ganz besonders schwer fällt es mir auf der Arbeit, das Smartphone zu ignorieren. Meine Hand wandert automatisch zum Handy, manchmal nur für Sekunden, aber trotzdem lenkt es mich immer wieder ab. Ich bin wirklich genervt von dieser Angewohnheit,  aber kann es trotzdem nicht lassen Und das obwohl ich gute Erfahrungen gemacht habe, wenn ich das Smartphone in Meetings auf dem Schreibtisch liegen gelassen habe oder es sogar den ganzen Tag in meiner Tasche ließ. Natürlich war ich automatisch produktiver, weil ich nicht abgelenkt wurde. Außerdem habe ich mich besser gefühlt.

Höchste Zeit also für das „7-Tage-Digital-Detox-Experiment”. Leider ist es mir aus beruflichen Gründen nicht möglich, komplett auf mein Smartphone zu verzichten. Deshalb habe ich versucht, meinen Alltag in diesen sieben Tagen bewusster anzugehen, eine Balance zu finden. Ich wollte unbedingt meine alten Gewohnheiten loswerden und die Frage beantworten, was ich mit der ganzen gewonnenen Zeit stattdessen tun könnte. Mein Experiment war also nicht ganz konsequent, dafür aber sehr realistisch.

Tag 1: Aus den Augen, aus dem Sinn

Ich war sehr motiviert. Nachdem ich aufgestanden bin, habe ich das Handy in meine Tasche gesteckt und dort vergraben. Was ich stattdessen getan habe?
Während der Fahrt, zur Arbeit habe ich endlich das Buch zu Ende gelesen, dass ich seit Wochen erfolgreich ignoriert hatte. Durch meinen Blog und meine Social-Media-Aktivitäten sieht mein typischer Morgen ansonsten so aus: ungefähr 20 Minuten lang ein Bild zum Teilen finden, passenden Text schreiben und Hashtags aussuchen. Das hab ich versucht die ganze Woche zu vermeiden. Nach dem Mittagessen wurde es, durch die ganze Korrespondenz mit Freunden und Familie, schwieriger. Schließlich kann ich niemanden bitten, mir einen Brief zu schreiben …

Erst hatte ich Angst, dass es am Abend noch schwieriger wird und ich doch bei Youtube und Co. ende. Aber ich habe den Abend genutzt, um gemütlich Tee beim Nachbarn zu trinken und eine nette Unterhaltung zu führen. Vor dem Schlafen gehen konnte ich es mir allerdings nicht verkneifen, eine Folge meiner aktuellen Lieblingsserie zu schauen. Und ich finde, dass hab ich mir verdient.

Tag 2: die Welt mit anderen Augen sehen

Das Problem bei mir ist, dass ich unbewusst zum Handy greife. Wirklich instinktiv. Am besten es ist nicht in meiner Sichtweite, denn dann schaffe ich tatsächlich es zu vergessen. Und an Tag lief es tatsächlich schon viel besser! Beim Abendspaziergang habe ich bewusst, das Handy daheim gelassen. Irgendwie habe ich mich aber verloren gefühlt, ohne Musik, ohne Kontakt. Ich kann leider nicht sagen, dass ich den Spaziergang wirklich genießen konnte. Ich wünschte, es wäre so. Trotzdem habe ich mich an meine eigene Offline-Regel gehalten und noch einen neuen Roman angefangen. Ich habe noch so viele ungelesene Bücher zu Hause und kaufe mir keine neuen, bis ich diese zu Ende gelesen habe. Vor dem Schlafen gehen habe ich dann doch noch die neuesten Videos auf meinem Lieblingskanal angeschaut, StyleLikeU, da diese Videos für mich persönlich eine große Inspiration sind. Und darauf wollte ich nicht verzichten. Zum Einschlafen habe ich mir trotzdem noch ein Hörbuch von Stephen King gegönnt.

Tag 3: etwas ohne Smartphone unternehmen

Der Tag verlief eigentlich wie die letzten zwei Tage. Ich konnte das Smartphone nicht komplett aus meinem Alltag streichen. Es war beruflich, aber auch organisatorisch und privat nicht möglich. Am Abend habe ich es dann doch noch geschafft, es zuhause zu lassen, während ich zur Pilates-Stunde ging. Um ehrlich zu sein: Es war unbehagliches Gefühl, aber kein Weltuntergang. Ich bin  nicht sicher, ob ich das gerne noch einmal tun würde. Ohne Smartphone bin ich dann gestresster als mit – und das kann ja auch nicht Sinn der Sache sein.

Tag 7: Zeit für ein Fazit

Kommen wir zum Ende meines Experimentes. Ich habe stets versucht, das Handy aus meinem Alltag zu verbannen – so gut es eben ging. Fazit: Ich als Online-Junkie kann sagen nach diesen sieben Tagen sagen: Wenn ich es schaffe, dann schaffen es alle, nur eben nicht mit einem strikten Verbot, sondern einer „Low-Smartphone-Regel”, die die Online-Zeit reduziert und dadurch mehr Zeit, für andere Dinge einräumt, ohne die positiven Seiten der digitalen Welt auszugrenzen. Wir können uns vielleicht nicht komplett von der neuen Technik befreien, doch wir sind durchaus in der Lage, Grenzen zu setzen, auch uns selbst.

Wie empfindet ihr das? Seid ihr auch total fixiert auf euer Smartphone? Fällt es euch genauso schwer wie mir? Und findet ihr das vielleicht sogar gut?

Dieser Text ist zuerst auf Oh Zone erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

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