Foto: Matthias Muehlbradt / CC BY-SA 2.0 / Flickr

Herbert Grönemeyer positioniert sich gegen rechts und löst damit eine „kontroverse Debatte“ aus – ist das euer Ernst?

Der Sänger Herbert Grönemeyer hat sich bei einem Konzert klar gegen rechts positioniert – und damit tatsächlich eine Debatte ausgelöst. Wir müssen dringend darüber reden, was kontrovers diskutiert werden kann und was nicht, fordert unsere Autorin Helen Hahne heute in ihrer Politik-Kolumne: „Ist das euer Ernst?“

Antifaschismus – oder soll man es lassen?

Es ist Herbst in Deutschland: Die AfD hat gerade in zwei Bundesländern über 20 Prozent der Wähler*innenstimmen erhalten. Im rechtsextrem motivierten Mordfall an CDU-Politiker Walter Lübcke wird die These des Einzeltäters immer fragwürdiger. Auf dem Mittelmeer ertrinken weiter Menschen, weil die EU sie nicht rettet. In den griechischen Lagern für Geflüchtete müssen immer noch viel zu viele Menschen unter viel zu unwürdigen Bedingungen leben. Aber seit Sonntagabend führen Teile der deutschen Gesellschaft mal wieder lieber eine Debatte über: Antifaschistisches Bekenntnis – oder soll man es lassen?

Was ist passiert: Der deutsche Sänger Herbert Grönemeyer hat bei einem Konzert in Wien eine klare Ansage gemacht: „Ich glaube, es muss uns klar sein, auch wenn Politiker schwächeln (…) – und ich glaube, das ist in Österreich nicht anders als in Deutschland – dann liegt es an uns, zu diktieren, wie eine Gesellschaft auszusehen hat. Und wer versucht, so eine Situation der Unsicherheit zu nutzen für rechtes Geschwafel, für Ausgrenzung, Rassismus und Hetze, der ist fehl am Platze. Die Gesellschaft ist offen, humanistisch, bietet Menschen Schutz. Und wir müssen diesen Menschen so schnell wie möglich und ganz ruhig den Spaß daran austreiben. Keinen Millimeter nach rechts! Keinen einzigen Millimeter nach rechts! Und das ist so und das bleibt so!“

Was man dazu wissen muss: Er tat dies in einer riesigen Halle (Musiker*innen, die relativ erfolgreich sind, spielen öfter mal in großen Hallen) und er schrie seine Aussage ins Mikrofon (eigentlich wie immer bei Herbert Grönemeyer). Außenminister Heiko Mass empfahl das Video und gleichzeitig nutzten Rechtspopulist*innen die Art und Weise, wie Grönemeyer seine Aussage tätigte und die Formulierung „diktieren“, um den so alten wie absurden Vorwurf rauszukramen: Antifaschisten seien eigentlich auch nur Faschisten. Grönemeyer wurde von einigen wenigen Rechtspopulisten mit dem Chef-Propagandisten der Nationalsozialisten, Joseph Goebbels verglichen.

So weit, so absurd. Aber einige Medien konnten es trotzdem nicht lassen und sprachen nun von kontroversen Aussagen Grönemeyers. Die Welt sprach von „Lob und Ärger“ für Grönemeyer, der Merkur schrieb von einer „enormen Debatte“, Zeit Online sprach von „viel Wirbel“ den Grönemeyer mit seinem Auftritt auslöste. Eine super Analyse dazu hat die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl hier aufgeschrieben. Darin beschreibt sie die Dynamik zwischen einer kleinen Gruppe von Rechtsextremen, die sich über den Auftritt lautstark aufregt und Medien, die daraufhin von einer „kontroversen“ Debatte sprechen. Und damit den Spin dieser Gruppe übernehmen. Damit wird gesellschaftlicher Konsens (Antifaschismus) von rechts in frage gestellt, Linke werden mit Rechten gleichgesetzt und Herbert Grönemeyer mit Goebbels. Und dann springen auch noch Konservative auf die Argumentation an und der Diskurs verschiebt sich wieder ein Stück.

Interviews mit Nazis? Sollte man lassen!

Am gleichen Wochenende darf AfD-Chef Alexander Gauland im ARD-Sommerinterview mal wieder versuchen, seine im Kern rechtsextreme Partei als bürgerlich zu inszenieren, und das ZDF veröffentlicht ein Interview mit Björn Höcke, und strahlt auch die Minuten nach dem Abbruch des Interviews durch Höcke aus, in denen Höcke sich über den medialen Umgang mit ihm empört und vernebelte Drohungen gegen den Journalisten ausspricht. Zwei AfD-Politiker bekommen also eine mediale Bühne. Dabei zeigt das abgebrochene ZDF-Interview, warum das selbst dann problematisch ist, wenn der Journalist wahnsinnig gut vorbereitet ist und einen super Job macht – denn auch das ändert eben bei einer rechtsextremen Partei nichts daran, dass diese das Interview bei ihrer Wähler*innenschaft für sich nutzen kann. Denn die AfD ist eben keine normale Partei (Alexander Nabert hat das für die taz hier sehr gut auf den Punkt gebracht).  Und Herbert Grönemeyer löst eine „enorme Debatte“ mit einer Haltung aus, die eigentlich Minimalkonsens sein sollte: Antifaschismus.

Vielleicht sollten wir uns also in Erinnerung rufen, was kontrovers diskutiert werden kann und was nicht. Kontrovers diskutieren kann man gerne, wie viele Thinkpieces von Journalist*innen es noch über E-Roller geben sollte, ob der Sommer nun wirklich vorbei ist oder die Kandidat*innenteams für den SPD-Parteivorsitz. Was dagegen absolut keine Kontroverse auslösen sollte: Kritik an rassistischem Verhalten. Rassismus ist keine Meinung. Genauso wenig wie Faschismus. Im Gegenteil: Antifaschismus muss Minimalkonsens in der Gesellschaft sein. Nicht das angestrebte Ziel, sondern das Fundament unserer Gesellschaft. Und wenn die Politik das nicht hinbekommt, müssen wir sehr dankbar für Künstler*innen wie Herbert Grönemeyer sein, die mit solchen Auftritten daran erinnern.

Quelle Foto: Matthias Muehlbradt / CC BY-SA 2.0 / Flickr  Hinweis: Das Foto wurde von EDITION F zugeschnitten.

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