Unsere Community-Autorin arbeitet in einer Behörde und ist nach fünf Monaten Elternzeit wieder in ihren Job zurückgekehrt – Begeisterungsstürme hat sie damit nicht ausgelöst, um es mal milde zu formulieren.
Keine „klassische“ Aufteilung
Im Dezember 2017 zeigte der Schwangerschaftstest zwei blaue Striche an. Die Kontrolllinie und daneben – mit bloßem Auge kaum erkennbar – eine zarte zweite blaue Linie. Wir hatten uns lange ein Kind gewünscht und schon viele Gespräche geführt, wie wir uns den Alltag mit Baby vorstellten – so theoretisch zumindest. Das war zwar ein bisschen wie Trockenschwimmen, aber für uns war zumindest klar, dass wir die 14 Monate Elternzeit mit Elterngeldbezug nicht „klassisch“ aufteilen wollten – ich als Mutter zwölf Monate und mein Mann zwei, wie das so viele Paare tun.
Stattdessen sollte mein Mann länger zuhause bleiben und ich dafür früher wieder in den Job einsteigen. Aus unserer Sicht sprach alles dafür: Ich liebe meinen Job als Abteilungsleiterin in einem Landratsamt – mein Mann sieht seine Arbeit als Ingenieur eher als Broterwerb. Ich fange zu Hause irgendwann an, wie Rilkes Panther auf und ab zu gehen – mein Mann fühlt sich dagegen in unserer Wohnung pudelwohl und kann sich endlos beschäftigen.
Verwunderung und klare Warnungen
Im März 2018 teilte ich meinem Vorgesetzten mit, dass ich schwanger bin, aber fünf Monate nach der Geburt wieder in Vollzeit an meinen Arbeitsplatz zurückkehren würde. Mein Mann würde weitere acht Monate Elternzeit übernehmen, einen Monat im Sommer würden wir gemeinsam nehmen. Ich erwartete nicht gerade eine spontane Gehaltserhöhung, aber irgendwie doch Erleichterung bei meinem Chef darüber, dass ich nicht ein komplettes Jahr zu Hause bleiben wollte.
Stattdessen riet er mir, mir ruhig Zeit zu lassen. Und sollte damit den Ton für die nächsten Monate setzen. Die Liste an Leuten, die verwundert, ohne Verständnis oder mit einer klaren Warnung auf unsere Pläne reagierten, wurde von Monat zu Monat länger und umfasste schließlich: Meine Kolleg*innen, meine Vorgesetzten aller Hierarchieebenen, meine Schwiegermutter, meine Freund*innen, meine Hebamme, meine andere Hebamme, alle Bekannten und zudem mir völlig Unbekannte, die einfach auch mal ihre Meinung kundtun wollten.
Der Gegenwind traf mich völlig unvorbereitet. Ich hatte mir naiverweise eingebildet, dass es Privatsache ist, wie jedes Paar individuell entscheidet, was es für richtig hält. Jetzt musste ich erkennen, wie umkämpft in Deutschland die Vorstellungen von Mutterschaft waren.
Wo sind die Vorbilder?
Das Ergebnis war totale Verunsicherung: Hatten wir alles falsch entschieden? Würde ich es bereuen, mit Grausen dem ersten Arbeitstag nach der Elternzeit entgegenbangen? Würde mich die Mutterschaft tatsächlich so sehr verändern, dass mir meine Arbeit wie ein seelenloser Zustand aus einer anderen Zeit vorkommen würde? Was mir in dieser Zeit fehlte, waren Vorbilder irgendeiner Art. In der Gesellschaft und in den Medien kommen Mütter wie ich scheinbar nicht vor. Oder nur in Person von Spitzenpolitikerinnen oder Top-Managerinnen, die wenige Wochen nach der Geburt wieder fest im Sattel sitzen. Ich bin aber keine Topmanagerin, sondern eine ganz normale Frau, die ihren Job mag.
Und dann gab es da noch die ganz hässlichen Gedanken: Wenn es scheinbar so unnormal und falsch ist, nach einigen Monaten mit dem Baby gerne wieder arbeiten zu gehen, vielleicht war einfach etwas mit mir nicht richtig? Vielleicht würde ich mein Kind nicht richtig liebhaben können? Vielleicht war das Ganze mit dem Kind eine Scheißidee gewesen?
große Zweifel und leiser Trotz
Währenddessen konnte mein Mann bei dem Gedanken, seinen Chefs seine Pläne einer achtmonatigen Elternzeit „beichten“ zu müssen schon ein dreiviertel Jahr vorher nicht mehr gut schlafen. Insgesamt fühlte sich das alles wie eine monatelange Schlacht an, geschlagen nicht mit Schwertern oder Gewehren, sondern mit ungebetenen Meinungen und großen Zweifeln und leisem Trotz.
Und dann war unsere Tochter Miriam da. Und es war schön, zuhause zu sein. Langsam einsteigen zu können in dieses neue Leben. Und natürlich hatte ich meine Tochter sehr lieb. Aber was mir im Laufe der Monate immer mehr fehlte, waren die sichtbaren Resultate. Ergebnisse, die über ein sattes Baby und einen gewischten Küchenboden hinausgingen. Im fünften Monat Elternzeit flehte ich meinen Mann an, die Pfandflaschen zurückbringen zu dürfen, während er das Baby hütet. Ich fing an, die Steuererklärung zu machen, obwohl das Steuerjahr noch nicht einmal beendet war. Und war schließlich froh, wieder arbeiten zu dürfen.
Ich war nicht unersetzbar
Nach einer Woche zurück bei der Arbeit kam dann alles anders: Ich stürzte vom Fahrrad und brach mir kompliziert den Ellbogen. Das bedeutete eine Woche Unfallkrankenhaus, 50 Kilometer entfernt. In der Notaufnahme heulte ich: Meine Tochter war doch noch so klein, erst fünf Monate alt! Mein Mann blieb alleine mit unserer Tochter zu Hause, und weil es für die Kleine jedes Mal eine Stunde Fahrt bedeutete, besuchte er mich nur jeden zweiten Tag mit ihr. Und es funktionierte. Ich war in diesem Moment heilfroh, dass meine Tochter noch eine andere Bezugsperson hatte, dass ich nicht unersetzbar war.
Später, als ich wieder zurück bei der Arbeit war, rief dieser Gedanke in schwachen Momenten ein bisschen Eifersucht auf den Plan. Unersetzbar sein ist schließlich nicht nur ziemlich anstrengend, sondern auch ein bisschen schön. Aber meine Tochter hatte nicht nur eine Lieblingsmama, sondern auch einen Lieblingspapa, den sie mindestens genauso toll fand wie mich. Und manchmal vielleicht ein ganz bisschen toller, weil sie mehr Zeit mit ihm als mit mir verbrachte. Es dauerte ein paar Monate, bis dieses Gefühl ganz verschwunden war. Ihre ersten Schritte machte sie, als ich gerade den Staatsminister davon zu überzeugen versuchte, in unseren Landkreis zu investieren. Ich freute mich, es machte mir nichts aus. Vielleicht, weil ich meine Selbstbestätigung nicht nur aus meiner Mutterrolle schöpfe, sondern auch aus meinem Job, meinen Freund*innen und meinem ausgeprägten Sinn für abseitigen Humor.
Unser Glück war auch, dass ich eben nicht Fernfahrerin, sondern Abteilungsleiterin auf dem Amt bin: Flexible Arbeitszeiten, 30 Tage Urlaub und jede Überstunde kann wieder abgebummelt werden. Darüber hinaus wohne ich in der Stadt, in der ich arbeite, und fahre jeden Morgen nur 20 Minuten mit dem Fahrrad. Morgens machte ich die Kleine fertig, alberte mit ihr herum und legte sie meinem Mann ins Bett, der mühsam die Augen aufklappte – schließlich war er es, der nachts Fläschchen gab und Schnuller wieder unter dem Bett hervorzauberte. Nachmittags war ich meistens um halb fünf zuhause und hatte noch drei Stunden gemeinsame Zeit mit meiner Tochter. Es war schön zu sehen, wie meine Tochter und mein Mann zu einem starken Team zusammenwuchsen. Und es war schön, dass wir schnell beide gleich kompetent in der Kinderpflege waren. Wenn die Kleine mal wieder nicht einschlafen konnte, überlegten wir gemeinsam, welches probate Mittel wir noch im Instrumentenkasten hatten.
Die richtige Entscheidung
Meine Berufstätigkeit bedeutete aber natürlich auch ein Freiticket für das Zweischicht-System aller berufstätigen Mütter (und engagierten Väter): Erst auswärts malochen, dann übergangslos das Kind bespaßen und nebenbei irgendwie noch das Gröbste im Haushalt wuppen (Naja, zumindest das Allergröbste). Schön war dagegen, dass es mir (meistens) nichts ausmachte, zwei Stunden am Stück Sandkuchen für meine Tochter zu backen – ich hatte meine intellektuelle Herausforderung bei der Arbeit schon gehabt. Und es erwies sich als äußerst vorteilhaft für den Frieden in unserer Beziehung, dass mein Mann und ich jeweils aus eigener Erfahrung nachfühlen konnten, vor welchen Herausforderungen der*die andere stand: Wir wussten, dass es genauso anstrengend ist, einen kleinen Wirbelwind großzuziehen wie bei der Arbeit große Projekte zu leiten.
Während ich diesen Text tippe, sind wir in unserem gemeinsamen Elternzeitmonat angekommen. Mein Mann und ich sind beide überzeugt davon, dass wir für uns genau die richtige Entscheidung getroffen haben. Es hat sich gelohnt, gegen alle Einwände von außen und alle Zweifel im eigenen Herzen für unseren Weg zu kämpfen. Ich bin überzeugt davon: Es gibt keine Patentlösung für alle, dafür sind die Lebensumstände zu verschieden. Es kann gerade auch bei mehreren Kindern eine Lösung sind, wenn ein Elternteil mehrere Jahre zuhause bleibt. Aber wenn ich bei der Vereinbarkeits- Fee einen Wunsch frei hätte, würde ich mir mehr Vielfalt und mehr Mut in unserer Gesellschaft wünschen – mehr Mut, als Familie den jeweils eigenen Weg zu finden und zu gehen. Und für alle, die einer jungen Familie beim Wachsen zugucken: Einfach mal die Klappe halten.
In eigener Sache
Wir haben eine eigene Facebook-Gruppe rund um das Thema Familie. Wir wollen uns mit allen austauschen und vernetzen, die sich für das Leben mit Kindern interessieren – egal ob ihr selbst Eltern seid oder nicht. Schaut doch mal vorbei!