Das Bild zeigt die Regisseurin Sofia Coppola vor einer weißen Wand stehend.
Sofia Coppola hat Priscilla Presleys Geschichte verfilmt. Foto: Melodie McDaniel

„Ich war Elvis’ Puppe“ – Sofia Coppola erzählt die Geschichte von Priscilla Presley

Priscilla Presley wurde als „Kinderbraut“ des King of Rock ,n‘ Roll bezeichnet. Im Film „Priscilla“ gibt Regisseurin Sofia Coppola der Frau an Elvis’ Seite eine eigene Bühne.

Elvis Presleys Leben bietet Stoff für zahlreiche Filme. Innerhalb von zwei Jahren widmeten sich nun gleich zwei gefeierte Regisseur*innen Erzählungen über den King of Rock ,n‘ Roll. Nachdem Baz Luhrmann im Biopic „Elvis“ (2022) das Verhältnis zwischen dem Musiker und seinem Manager beleuchtete, befasst sich Sofia Coppola in ihrem neuesten Werk mit der anderen prägenden Beziehung von Elvis: seiner Frau Priscilla. Während sie in Luhrmanns Film nur eine Nebenrolle spielt, macht Coppola Priscilla zur Heldin der Erzählung. Aber ist es überhaupt möglich, ihre Geschichte zu erzählen, ohne dass die Legende Elvis Presley alles überstrahlt?

Das Drehbuch von Sofia Coppola basiert auf Priscilla Presleys Memoiren „Elvis and Me“ (1985) und auf Gesprächen mit der heute 78-Jährigen. Im Interview mit EDITION F erzählt die Regisseurin, dass Presley als Co-Produzentin am Film beteiligt war, ursprünglich jedoch nicht vorhatte, ihre Geschichte zu verfilmen. „Ich habe ihr Buch gelesen und fand es wirklich faszinierend“, sagt Coppola. Presley habe auf ihre Anfrage zögerlich reagiert, sie beschütze die Geschichte.

Priscilla Anne Beaulieu ist 14 Jahre alt, als sie den zehn Jahre älteren Elvis Presley während seines Armeedienstes in Deutschland kennenlernt. Sie, die Tochter eines in Wiesbaden stationierten US-Air Force Offiziers, sehnt sich nach ihren Freundinnen in den Staaten. Er der Star, dessen Karriere pausieren muss, ist ebenfalls von Heimweh und zudem von Trauer um seine kürzlich verstorbene Mutter geplagt. Die Begegnung zwischen der Schülerin und dem Superstar ist keineswegs Zufall. Ein Freund von Elvis spricht Priscilla in einem Diner an: Ob sie Elvis‘ Musik möge und ihn bei einer Privatparty kennenlernen möchte.

Machtgefälle

„Elvis schüttete mir sein Herz aus. Seine Ängste, seine Hoffnungen. Ich war die Person, die dasaß und ihn tröstete. Das war unsere Verbindung. Obwohl ich erst 14 war“, erzählte Priscilla Presley bei den 80. Filmfestspielen von Venedig, wo das Drama im September Premiere feierte. Das Kennenlernen der beiden ist mehr als 60 Jahre her, die Dynamik dahinter aber erschreckend aktuell: Berühmte, reiche, mächtige Künstler, die sich von ihrer Entourage jüngere, nicht annähernd so einflussreiche Frauen zuführen lassen.

Angesprochen auf die Parallelen zu aktuellen Fällen aus der Musikindustrie sagt Sofia Coppola im Interview mit EDITION F: „Als Priscillas Buch in den 80ern erschienen ist, haben die Leute die kritischen Aspekte der Beziehung eher leichtfertig abgetan. Heutzutage wird diese Kultur, junge Mädchen in den Backstagebereich einzuladen, kritischer beäugt. Es findet eine andere Auseinandersetzung damit statt, wie Frauen behandelt werden.“

Und wie blickt Coppola auf das enorme, auch altersbedingte Machtgefälle zwischen Elvis und Priscilla? „Ich habe den Eindruck, dass die Bereitschaft heute größer ist, sich mit ihrer Version der Geschichte zu beschäftigen und damit, wie das Machtungleichgewicht die Beziehung beeinflusst hat. Wenn ich in ihrem Buch lese, wie sehr sie sich abgemüht hat, kann ich mir vorstellen, wie schwer die Situation für sie gewesen sein muss.“

Priscilla macht ihre Hausaufgaben in einem nach US-Vorbild gestalteten Diner – und wird dort von einem Freund von Elvis zu einer Privatparty eingeladen. Filmstill: Philippe Le Sourd | MUBI

„Warum meine Tochter?“

Auf das erste Treffen, bei dem Elvis und Priscilla ihre Sehnsucht nach den USA miteinander teilen, folgen viele weitere. Priscilla ist unsterblich verliebt und überzeugt ihre Eltern, Zeit mit Elvis verbringen zu dürfen. „Warum meine Tochter? Ihnen werfen sich doch unzählige Frauen an den Hals“, fragt Priscillas Vater den Musiker. Sie sei reifer als andere in ihrem Alter, erklärt der. Priscilla höre ihm zu, sei für ihn da, kurz: sie tue ihm gut. Dem Künstler, so scheint es, ging es dabei allerdings weniger um sie als vielmehr um sich selbst.

Sex haben die beiden bis zu Priscillas Volljährigkeit keinen – so die offizielle Version des Paares. Doch das ist Auslegungssache: Mehrfach äußerte Priscilla ihren Unmut darüber, dass Elvis sich ihr nicht vollständig hingebe, woraufhin er ihr erklärt, dass die beiden neben Geschlechtsverkehr auch „andere Dinge“ miteinander tun könnten. Dennoch gibt sich Elvis jahrelang als ehrbaren Bewahrer von Priscillas „Jungfräulichkeit“, die sich die beiden bis zur Eheschließung aufheben sollen.

„Elvis’ persönliche Puppe“

Der Film begleitet Priscilla (gespielt von Cailee Spaeny) von dem Moment an, als sie Elvis (gespielt von Jacob Elordi) erstmals begegnet bis zur Scheidung des Paares 14 Jahre später. Als Priscilla 17 Jahre alt ist, erlauben ihre Eltern, dass sie zu Elvis auf sein Anwesen in Memphis zieht und vor Ort eine katholische Mädchenschule besucht. Dort formt Elvis sie zur idealen Ehefrau entsprechend seiner Vorstellung: die Haare soll sie schwarz färben und voluminös frisieren; die Augen soll sie mit dicken Lidstrichen und falschen Wimpern betonen; die Kleidung soll stets figurbetont sein, keine Muster von ihrer zierlichen Figur ablenken, gedeckte Töne sollen es sein, aber auf keinen Fall braun oder dunkelgrün, weil ihn das an die Farbwelt der Armee erinnert.

Priscilla stylt sich nach Elvis’ Vorliebe. Filmstill: MUBI

„Ich war Elvis‘ Puppe. Seine persönliche, lebende Puppe, ganz nach seinen Vorstellungen“, beschreibt Priscilla Presley seinen Einfluss in „Elvis and Me“. Das Puppenhaus dazu sein Anwesen, Graceland, in dem sie sich nach ihm verzehrt, während er wochenlang ohne sie auf Filmsets und für Auftritte unterwegs ist. Mit langen Einstellungen schafft Sofia Coppola im Film Raum für Priscillas Perspektive: Priscilla, die allein durch das luxuriöse Anwesen streift, die gelangweilt auf einem Klavier klimpert, die ihr plüschiges Hündchen kuschelt, das Elvis ihr gegen die Einsamkeit schenkt. Freundinnen darf sie keine nachhause bringen, Elvis‘ Privatsphäre soll schließlich gehütet werden. Einen Job in einer lokalen Boutique darf sie auch nicht annehmen. „Wenn ich anrufe, musst du für mich da sein“, erklärt er ihr am Telefon.

Jahrelang versucht sie, vollkommen zu sein und ist dennoch nie genug – bis sie ihren eigenen Wert erkennt und die Scheidung einreicht. Der Weg dahin setzt sich allerdings aus teils schwer erträglichen Szenen zusammen. Elvis, der Drogen nimmt, um zu funktionieren und Priscilla davon überzeugt, dass sie den Schulalltag mit chemischen Hilfsmitteln besser bewältigen kann. Elvis, der Kritik nicht erträgt und einen Stuhl nach Priscilla wirft, als sie ihm ehrlich sagt, wie sie über einen neuen Song denkt. Elvis, der Diskussionen über seine Affären mit manipulativen Taktiken unterbindet und immer wieder droht, sie zu ihren Eltern zurückzuschicken.

„Eine komplexe Beziehung“

„Ich mag Geschichten, die nach außen wie ein Traum wirken, uns bei genauerer Betrachtung aber daran erinnern, dass die Realität hinter der schönen Fassade oft anders aussieht. Wir alle haben mit menschlichen Problemen zu kämpfen“, sagt Regisseurin Sofia Coppola im Interview mit EDITION F. Der Film zeigt Abgründe der Beziehung, nimmt sich diesen düsteren Themen allerdings kaum an. Auch Priscillas Gedankenwelt wird leider weitgehend ausgespart. Die Regisseurin lässt ihre Heldin leiden, schmachten, warten, hoffen, aber was sie dabei denkt und wie sie Erlebtes reflektiert, bleibt unter der Bildschirmoberfläche verborgen. Der Film erzählt, ohne zu bewerten. Dieser fehlende Tiefgang mag als Zuschauer*in irritieren, entspricht aber Priscillas Erzählweise in „Elvis and Me“.

2020 sprach sie die Geschichte als Hörbuch ein und versah dabei auch schwer verdauliche Anekdoten mit einem versöhnlichen Schmunzeln. Zwischen den Zeilen wird deutlich: Schwierige Erlebnisse mit Elvis sind für sie lediglich Facetten eines vielschichtigen Mannes. Priscilla Presley entstamme einer anderen Generation, meint Sofia Coppola: „Elvis war die Liebe ihres Lebens, die beiden hatten eine komplexe Beziehung.” Ihr sei wichtig gewesen, alle Charaktere als menschlich darzustellen und deren Herausforderungen zu zeigen.

Sofia Coppola und Priscilla Presley bei einer Premiere des Films. Foto: Stefania D’Alessandro | Getty Images

Im Interview sagt die Regisseurin: „Ich verspürte eine große Verantwortung, Priscillas Geschichte so zu erzählen, dass sie sich mit dem Ergebnis wohlfühlt. Mir war wichtig, dass der Film ihrer Realität entsprach.“ Es sei das erste Mal gewesen, dass sie sich nicht nur darauf fokussieren konnte, was sie selbst zum Ausdruck bringen wollte in einem Film. Aber ist die künstlerische Freiheit unter solchen Voraussetzungen überhaupt noch gegegeben? Priscilla Presley habe ihr viel Freiraum gelassen, ihren eigenen Film zu drehen, erzählt Coppola.

„Sie vertraute mir, dass ich die Geschichte mit der nötigen Sensibilität erzähle.“ So sei Priscilla Presley kein einziges Mal am Set erschienen. Dennoch sei Coppola erleichtert gewesen, als Priscilla gerührt auf den fertigen Film reagiert und gesagt habe: „Das war tatsächlich mein Leben.“ Der Film hätte laut Coppola noch düsterer sein können. Das im Drama abgebildete Verhältnis von Licht und Dunkelheit entspreche Priscillas Erzählung. So mischt die Regisseurin immer wieder leichte Szenen unter, die sie mit stimmungsvoller Musik und pudrig-sanfter Optik abrundet.

Priscillas andauernde Zuneigung für Elvis

„Ich wollte Elvis nicht zum Bösewicht machen, sondern als den Mann abbilden, der er in Priscillas Augen war“, sagt Sofia Coppola. Sie überlegt kurz und fügt an: „Ich denke, wir alle wissen um die Situation. Doch das Ziel war, mich an ihrem Erleben zu orientieren.“ Priscilla Presley spricht in Interviews heute noch über die Zuneigung, die Elvis und sie bis zu seinem Tod füreinander hatten.

„Ich war sehr glücklich, dass ich die Story erzählen durfte. Auch weil ich mich immer schon für die Erzählung der ,Trophy Wife‘ interessiert habe“, sagt Coppola. Sie sei beeindruckt von Priscilla Presleys Stärke. Von ihrer Mutter wisse sie, wie schwierig es als Frau in den frühen 70ern gewesen sei. „Damals die Scheidung von einem mächtigen Mann einzufordern und das ohne eigenes Einkommen, erforderte viel Stärke.“ Priscillas Durchsetzungswillen zeige sich bereits zu Anfang ihrer Geschichte mit Elvis: „Sie war der Motor hinter ihrem Umzug auf sein Anwesen.“

Priscillas Zeit in Graceland könne man mit Alice im Wunderland vergleichen, findet Coppola. „Sie begibt sich in Elvis‘ Welt, sie treibt ihre Geschichte voran, findet sich dabei selbst und schließlich raus aus Graceland.“ Diese Willenskraft ist spürbar, doch der Film zeichnet seine Heldin als kaum mehr als eine Reaktion auf Elvis.

Originalfoto des Promipaares: Priscilla und Elvis Presley blieben sich auch nach ihrer Scheidung verbunden. Foto: Bettmann | Getty Images

„Ich sah mich zum ersten Mal selbst“

Priscillas Entwicklung vom Mädchen zur selbstbestimmten Frau zeigt die Regisseurin auf subtile Weise: Parallel zu ihrem wachsenden Selbstbewusstsein entledigt sich Priscilla der auferlegten Symbole. Ihr Make-up wird leichter, die falschen Wimpern lässt sie weg, ihre Haare, die zuvor in die Höhe toupiert wurden, fallen nun sanft über ihre Schultern. „All die Dinge, die mir Sicherheit geben sollten, legte ich ab – und sah mich zum ersten Mal selbst“, schreibt Priscilla Presley in „Elvis and Me“.

Auch auf Elvis Manipulation reagiert Priscilla zunehmend ungerührt. Eine Szene zeigt das besonders gut: Einmal mehr beendet Elvis die Diskussion über eine Affäre, indem er seiner mittlerweile schwangeren Frau mitteilt, dass er eine Beziehungspause wünscht. Im Gegensatz zu vorherigen Szenen dieser Art bricht Priscilla jedoch nicht zusammen. Sie bittet ihn lediglich, ihr mitzuteilen, wann sie abreisen solle – und verlässt den Raum. Das reicht offenbar, um das Machtspiel zu ihren Gunsten zu drehen. Wenige Momente später teilt ihr Elvis mit, dass sie bleiben soll.

Sofia Coppola zeichnet in „Priscilla“ das Portrait einer Frau, die sich zielgerichtet in eine Beziehung hineingibt, dort jegliche Selbstbestimmung verliert und sich diese wieder zurückholt. In der letzten Filmszene setzt die Regisseurin ihre Heldin ans Steuer ihres Fahrzeugs: Anstatt von einem Chauffeur kutschiert zu werden, fährt sie selbst vom Anwesen. Dieser Fokus auf Priscillas Zeit in Graceland funktioniert auf der Leinwand, die gezeigte Emanzipation entspricht aber nur einer reduzierten Version ihrer Beziehung zu Elvis, der bis heute ihr Leben prägt. Das am Ende des Films eingespielte „I Will Always Love You“ könnte als Kompromiss Coppolas gewertet werden, Priscillas Version der bis heute währenden Liebe Rechnung zu tragen.

Die Erzählung allein aus Priscillas Sicht ist unvollständig und zuweilen oberflächlich. Doch in einer Welt, die die Perspektiven von Frauen noch immer unterrepräsentiert, ist das irgendwie auch in Ordnung.

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„Priscilla“ könnt ihr derzeit im Kino sehen oder ab März beim Streamingdienst MUBI. Hier könnt ihr euch den Trailer anschauen.

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