Foto: Annette Etges

„Die Digitalisierung kann Frauen helfen, die gläserne Decke zu durchbrechen”

Kund*in
BCG
Autor*in
EDITION F studio
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Wie hängen die Digitalisierung und weibliche Karrierewege zusammen? Das haben wir Susanne Dyrchs gefragt, die sich als Personalerin bei der Unternehmensberatung BCG mit genau diesem Thema beschäftigt.

Digitalisierung ist Frauensache

Die öffentlichen Diskussionen über eine Frauenquote in Vorstandsetagen und Unconscious Bias im Recruiting nehmen nicht ab. Trotzdem scheint die gläserne Decke kaum Risse zu bekommen und ein echter Durchbruch weit entfernt. Können digitale Bewerbungsprozesse für mehr Gleichberechtigung bei Personalentscheidungen sorgen? Und wie findet man eigentlich die Talente, die man wirklich braucht? Susanne Dyrchs ist HR-Expertin und Projektleiterin bei The Boston Consulting Group (BCG). Als Mitglied der Praxisgruppe „People and Organization“ hat sie Recruiting-, Diversity- und Employer-Branding- Strategien für zahlreiche DAX-30-Unternehmen entwickelt. Im Interview erklärt die zweifache Mutter und Bloggerin, wie die Digitalisierung das Recruiting verändert und welche Chancen sich dadurch für Frauen ergeben.

Digitalisierung und HR: Wie passt beides zusammen? Oder geht es gar nicht mehr ohne einander?

„Gerade in kleineren Traditionsbetrieben oder im Handwerk mag manchen die Digitali­sierung noch sehr weit entfernt erscheinen. Dabei ist es mit der Digitalisierung ein bisschen wie mit der Erfindung des Buchdrucks oder der Dampfmaschine: Man kann sie mögen oder nicht, aber das ändert nichts daran, dass sie mit exponentieller Geschwindigkeit die Art und Weise revolutioniert, wie wir miteinander leben und arbeiten. Täglich entstehen neue digitale Jobs, während andere Tätigkeiten und Handwerke langsam verschwinden. Digitale Talente gehören weltweit zu den begehrtesten Köpfen auf dem Arbeitsmarkt. Wie unsere Studie ,Twelve Forces That Will Radically Change How Organizations Work‘ zeigt, werden zwölf zum großen Teil digitale Megatrends wie Automation, Big Data, Internet of Things oder agile Arbeitsweisen die Arbeitswelt von morgen grundlegend verändern. Daher gibt es auch keinen Zweifel daran, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen HR und Digitalisierung besteht.”

Wie können HR-Abteilungen darauf reagieren?

„Für die Personalabteilungen ergeben sich daraus meines Erachtens zwei Fragen, die es zu beantworten gilt. Erstens: Wie schaffen wir es, für digitale Talente nachhaltig attraktiv zu sein ohne dabei die aktuelle Belegschaft stehenzulassen statt mitzunehmen auf dem Pfad der Digitalisie­rung? Und zweitens: Wie können wir als HR-Abteilung selbst die Digitalisierung nutzen, um in unseren Prozessen und in unserer Arbeitsweise objektiver, serviceorientierter, agiler und transparenter zu werden? HR ohne Digitalisierung ist gar nicht mehr denkbar.”

Wie wichtig bleibt trotz der zunehmend digitalen Prozesse das Bauchgefühl für HR-Entscheidungen?

„Sei es im Recruiting, bei Beförderungsentscheidungen oder im Training – die Digitalisierung soll dabei helfen, HR-Prozesse zu unterstützen, sie aber nicht komplett abschaffen. Das Bauchgefühl ist eine großartige Fähigkeit, die aus unzähligen Erfahrungswerten, Erziehung und Erinnerungsbruchstücken zusammengesetzt ist. Im Recruiting ist das für all diejenigen Bewerberinnen und Bewerber von Vorteil, deren Aussehen, Gestik, Mimik und Stimmlage im Erfahrungs- und Erinnerungsschatz des Personalers positiv besetzt sind. Alle anderen haben vom Bauchgefühl leider oft gar nichts. Denn Erfahrung macht eben nicht nur weise, sondern auch betriebsblind. Häufig tritt der sogenannte Mirroring-Effekt ein: Wir stellen denjenigen ein, der uns ähnlich ist. Wenn es also immer nach dem Bauchgefühl ginge, hätten Diversity-Kandidatinnen und -Kandidaten oft schlechtere Karten. Gerade deshalb ist es toll, dass uns die Technik heute die Möglichkeit bietet, Daten innerhalb kürzester Zeit zu sammeln und auszuwerten, um damit unsere HR-Entscheidungsprozesse auf ein objektiveres Fundament zu stellen. Die finale Entscheidung trifft immer noch der Mensch. Neben dem Bauchgefühl werden so aber auch andere Kriterien berücksichtigt, die wichtig sind.”

Könnte es sein, dass Bewerberinnen und Bewerber in Zukunft im Bewerbungs­prozess nur noch mit digitalen Tools zu tun haben?

„Für die Vorauswahl kann das z.B. ein realistisches und auch sinnvolles Szenario sein. MithiIfe von Algorithmen können online ausgefüllte Bewerbungen priorisiert werden; durch über­mittelte Videos können Körpersprache und Wortschatz ausgewertet werden. Und durch Online-Tests, Gamification, also den Einsatz von Computerspielen, und Challenges wie Hackathons können benötigte Fähigkeiten getestet werden. Durch den Einsatz eines Computers kann die Vorauswahl effektiver und vorurteilsfreier werden. Chantals oder Justins werden nicht benachteiligt und Harvard-Absolventen nicht bevorteilt, nur weil der Name der Universität positive Assoziationen im Kopf des Personalers auslöst. Die Personaler wiederum können sich auf die Bewerbungsgespräche, ob via Skype oder in persona, konzentrieren, anstatt Hunderte von Lebensläufen nach Schlüsselbegriffen zu durchsuchen. Zudem müssen Bewerberinnen und Bewerber nicht Wochen und Monate warten, bis sie vom potenziellen Arbeitgeber hören und sich womöglich über eine Absage ärgern.”

Welche anderen Herausforderungen bringt die Digitalisierung im HR-Bereich, auch für Personalverantwortliche, mit sich?

„Ich denke, dass 90 Prozent aller Personalabteilungen noch weit entfernt sind von einer Digitalisierungsstrategie. Viele wissen noch nicht, wie sie mit der Digitalisierung umgehen sollen, weder innerhalb der Abteilung noch in Hinblick auf potenzielle Arbeitnehmer. Sie stehen vor vielen Fragen: Wie finde ich heraus, welchen Bedarf mein Unternehmen an digitalen Fähigkeiten hat? Welche digitalen Fähigkeiten suche ich? Reicht es, Excel und Powerpoint draufzuhaben, oder muss man digitale Geschäfts­modelle, agile Arbeitsmethoden und das Programmieren digitaler Produkte beherrschen? Und welche Tools und neuen Profile werden benötigt, um die Digitalisierung auf den Weg zu bringen? Gerade traditionelle Großunternehmen müssen sich teilweise neu erfinden, um digitale Talente zu gewinnen. Wie wir mit unserer Untersuchung ,How to Gain and Develop Digital Talent and Skills‘ herausgefunden haben, arbeiten aktuell nur 25 Prozent der Digitalexperten in Firmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern. Das muss sich ändern.”

Wie fließen da die Ansprüche der Arbeitnehmer mit ein?

„Heutzutage wollen Arbeitnehmer nicht nur einmal im Jahr im Mitarbeitergespräch Feedback bekommen, um dann irgendwann mit viel Glück eine Beförderungsnotiz in der Hand zu halten. Eine zeitgemäße Personalabteilung bietet Arbeitnehmern und Führungskräften ein täglich aktualisiertes Performance- und Potential-Dashboard, Real-Time-Möglichkeiten für Feedback, Entwicklung und Dialog, Transparenz über neue Stellen und zeitlich begrenzte Projekte im Unternehmen sowie Programme zur Unterstützung agiler Arbeitsmethoden. Auch wenn es ein paar Vorreiter gibt, in dieser Hinsicht können die wenigsten Unternehmen von sich behaupten, am Puls der Zeit zu sein.”

Wie helfen digitale Tools dabei, Talente zu entdecken?

„Man kann sicherlich noch vereinzelt Bewerberinnen und Bewerber per Zeitungsanzeige finden, aber die digitalen Talente wird man so kaum erreichen. Mehr als 90 Prozent dieser Zielgruppe suchen Jobs ausschließlich online und das auch nicht mehr nur über Xing oder Linkedln. Diese Talente sind meist in anderen, spezifischeren Communities unterwegs, wie etwa Kaggle, Stack Overflow oder GitHub. Oft bewerben sie sich auch über Apps wie Debut. Wer heute in Personalabteilungen nicht bereit ist, neue Wege zu gehen, ist schnell aus dem Blickfeld der Bewerberinnen und Bewerber verschwunden. In Zeiten der Digitalisierung brauchen auch Personalabteilungen Digitalexperten, die wissen, wo sich die digitalen Talente tummeln.”

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in Sachen Gleichberechtigung? Was ist hier in Zukunft noch möglich?

„Im Hinblick auf HR-Prozesse bringt die Digitalisierung viele Vorteile für Frauen mit sich. Ein Computer ist emotionslos – er bewertet weder Geschlecht noch Alter noch Namen oder Kleidung eines Kandidaten. Unternehmen wie Google oder Apple nutzen schon heute People Analytics in Personalprozessen, beispielsweise eine Software, die in Bewerbungen automatisch Geschlecht, Alter und Herkunft schwärzt. Auch in Beförderungs­prozessen kann das für die Bewerberinnen und Bewerber vorteilhaft sein. Schließlich wollen Unternehmen nicht die sympathischste Kraft für den hochdotierten Job gewinnen, sondern die objektiv beste Kraft. Wenn eine Mitarbeiterin datenbasiert z.B. mehr Verträge abgeschlossen, Projekte gemeistert oder Mitarbeiter gefördert hat, wird es schwer zu argumentieren, sie habe die Beförderung nicht verdient. Auch der Mitarbeiter, der zwar schlechtere Ergebnisse erzielt, aber in den Augen des Personalers sympathischer rüberkommt und das Bauchgefühl überzeugt, hat dann keine Chance. Nicht umsonst gibt es in den meisten Symphonieorchestern weltweit mittlerweile sogenannte Blind Auditions, in denen Anwärterinnen und Anwärter hinter einem Vorhang vorspielen. Warum sollte das nicht für andere Jobs möglich sein?”

Du bist Koautorin der BCG-Studie „Shattering the Glass Ceiling”. Wie durchbrechen Frauen die gläserne Decke? Und welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

„Die Digitalisierung wird uns einen großen Schritt nach vorne bringen. Nüchtern betrach­tet agieren die meisten Unternehmen gewinn- oder zielorientiert. Für diese Ausrichtung brauchen sie die fähigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bis dato war es nicht mög­lich, Bewertungsprozesse zu objektivieren; man musste schlichtweg dem jeweiligen Vorgesetzten Glauben schenken, dass er den richtigen Riecher in Sachen Talentförderung hat. Diese Methode benachteiligte viele hochqualifizierte Frauen, sei es bei Beförderungs- oder bei Recruiting-Prozessen. Durch People Analytics können clevere Unternehmen dem einen Riegel vorschieben. Die deutsche Wirtschaft kann es sich schlichtweg nicht mehr leisten, hochqualifizierte Kräfte ziehen zu lassen, auf dem Abstellgleis zu parken oder vollkommen zu ignorieren. Hierin sehe ich eine große Chance für zahlreiche Frauen, endlich die gläserne Decke zu durchbrechen.”

Trainieren mit Expertinnen

Trainiert mit erfahrenen Beraterinnen, wie ihr Stolpersteinen im Berufsalltag aus dem Weg geht und mit euren Talenten überzeugt. Erfahrt außerdem mehr über eure Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten bei BCG. Teilnehmen können heraus­ragende Universitätsstudentinnen, Promovendinnen und Professionals aller Fachrich­tungen. Bitte bewerbt euch bis zum 8. September mit euren vollständigen Bewer­bungsunterlagen unter womeninconsulting.bcg.de

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