Foto: Liza Summer | Pexels

Wie schließe ich mit der Freundin ab, die mich „geghostet” hat?

Das Ende einer Freundschaft ist manchmal unabwendbar und kann sogar sehr befreiend sein. Wie aber soll man mit einer Freundin abschließen, die plötzlich einfach weg war?

Liebe „Ghosterin“,

wir kennen uns schon lange, seit unserer Kindheit. Fast 24 Jahre haben wir gemeinsam erlebt. Wir haben Gutes und Schlechtes geteilt. Wir haben einander in unserer Entwicklung begleitet. Da waren die ersten Make-up-Versuche, Liebeskummer, die erste heimliche Zigarette. Gemeinsam haben wir zu viel getrunken, auf Partys auf denen wir gar nicht sein sollten. Das Drama der Pubertätsjahre, die Suche nach Sinn, nach der richtigen Ausbildung. Wir haben Männer, Wohnungen und absurde Lieblingsklamotten kommen und gehen sehen im Leben der Anderen. Wir haben alles miteinander besprochen. Nicht als beste Freundinnen, aber als Konstanten im Leben der Anderen. Zumindest alle paar Monate gab es einen Abend, an dem bei Spritzer oder Wein alles besprochen wurde. Das war gut. Das war schön.

Dann wurden wir älter, hatten mehr Verpflichtungen und weniger Zeit. Die Leben entwickelten sich auseinander. Aber immer noch blieb die Konstante:  miteinander lachen, einander zuhören und Ratschläge geben. Eine Zeit lang habe ich dir stundenlang zugehört auf deiner Suche, während ich meine Kleinkinder betreut habe, weil wir nahe beieinander gewohnt haben. Dann bin ich weggezogen.

Hat der Umzug alles verändert?

Es dauerte lange, bis ich mit diesem Umzug klarkam, bis meine beruflichen Pläne und die Betreuungssituation der Kinder geklärt waren. Ich hatte damals erwartet, dass wir auch das besprechen können und miteinander teilen. Ohne Urteil, Wertung oder Ungeduld deinerseits. Aber zu der Zeit hast du einen neuen Job angefangen und es war zum Beispiel monatelang nicht möglich, einen Termin für ein gemeinsames Geburtstagsessen zu organisieren. Normalerweise fixe Tradition. Das hat mir wehgetan und mich verletzt, ich war wütend und enttäuscht, dass dir das deine Zeit anscheinend nicht wert war.

Als ich dir dann in unserer Whatsapp-Gruppe einen Link zu einem EDITION F-Artikel geschickt habe, wars bei dir aus.  Anfangs war ich sauer und auf trotzige Art froh über die Sendepause. Wir hatten monatelang keinen Kontakt. Vor dem Geburtstag einer gemeinsamen Freundin, so dachte ich, sollten wir die Wogen glätten. Leider kam keine Reaktion. Ich wurde „geghostet“. Soweit so okay.

Ich brauche ein klärendes Gespräch

Dann gab es einen Todesfall in meiner Familie und ich sah mich mit der Endlichkeit unseres Lebens konfrontiert. So banal das klingen mag, es hat etwas geändert. Ein Bild formte sich in meinem Kopf: Wir gehen beide mit Freunden die Straße entlang, sehen einander, Blickkontakt. Wir nicken einander freundlich zu und gehen weiter. Beide lächelnd und zufrieden in unserer Welt. Das wäre schön. Das wäre okay, so hätte ich es gerne.

Um dieses Bild aber erleben zu können, brauche ich Klärung. Ich habe alle Gefühle erlebt, die das Ende einer Freundschaft bedeuten: Wut, Trauer, Enttäuschung. Ich war wütend über so viel Unverständnis, über mangelndes Mitgefühl. Traurig über dieses nicht mehr vorhandene Band, das uns unser Leben lang begleitet hat und das jetzt zerrissen ist. Ich war sehr enttäuscht, dass mein Verweis auf den Artikel, in dem es doch um mehr Verständnis zwischen Müttern und Kinderlosen geht, so missverstanden wurde. Es ging um mehr miteinander machen und reden lassen, mehr gemeinsam lachen und gemeinsam unterschiedlich sein.

Leider kam diese Botschaft nicht an, wurde falsch verstanden. Ich möchte das auch gar nicht ausdiskutieren, niemand muss sich rechtfertigen. Vor allem wir Frauen müssen einander schließlich auch darin bestärken, zu sein wie wir sein wollen und uns das Leben nicht zusätzlich gegenseitig schwer machen.

Wann kann eine entspannte Begegnung wieder möglich sein?

Unausgesprochen war das also das Ende und wir ließen einander gehen. Aber dann kam meine Konfrontation mit dem Tod und das tiefe Bewusstsein über meine eigene Endlichkeit. Ich will nicht noch einmal der Mutter meiner verlorenen Freundin begegnen. Sie: ahnungslos, dass wir uns schon lange nicht mehr treffen, und Ich: nicht wissend was ich dazu sagen soll.

Ich will dieses entspannte Bild erlebbar machen: Wir begegnen uns freundlich und ohne Vorwurf. Auf der Straße, vielleicht Neuigkeiten austauschend, in Frieden. Das wünsche ich mir, auch für meine Trauerseele. Bei Ghosting rutscht man leicht in Zweifel. Nicht in Zweifel im Bezug auf das Wieso und Warum. Das Wer-hat-was-wie-gemeint löst sich auf bei einem Blick in vertraute Augen, weil die andere genau weiß wie, was gemeint war.

Es ist Zeit, in verschiedene Richtungen zu gehen

Das sind Vorteile wenn man einander sehr gut kennt, keine Spielchen und Erklärungen mehr. Mit dieser Loslösung voneinander kann ich gut leben. Ich habe dich auch nicht vermisst, liebe Ghosterin, in den vergangenen Monaten. Du bist mir vertraut, aber das Drama drumherum wurde schlicht zu viel. Manche Freundschaften lösen sich einfach auf, weil man unterschiedliche Leben lebt. Damit kann ich gut umgehen.

Womit ich nicht gut umgehen kann sind die Selbstzweifel, die ungelösten Fragen, die sich mir als „Geghostete” stellen: „So schrecklich bist du also, dass jemand einfach geht? Eine, die dich wirklich kennt. Geht sie vielleicht gerade weil sie dich so gut kennt?“ Diese Gedanken, die im Dunkeln kommen. Und ich weiß, von außen sind diese Gedanken nicht heilbar. Die Aktion, die der Verletzung zugrunde liegt bleibt. Auch damit kann ich leben. Das Ende der Freundschaft ist wirklich okay für mich. Aber es soll friedlich sein, ohne Verletzungen. Geht das? So viel schuldest du mir eigentlich.

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