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Benching? Die echte Demütigung wartet in der Steigerung des Phänomens

In ihrer Thirtysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche über das elende Prinzip des Warmhaltens.

Das Phänomen Benching

Nachdem zu Beginn des Jahres das Phänomen des Ghostings diskutiert wurde, das beschreibt, wie ein Mensch einfach ohne Vorwarnung aus dem Leben des anderen verschwindet – früher nannte man das wohl einfach „Zigaretten holen“ – kam dann im Sommer das Benching auf: etwas und jemanden auf die lange Bank schieben. Nun, auch da muss man sagen, so richtig neu mag mir das nicht vorkommen, es scheint doch aber interessant, dass die Begriffe wieder Aufwind bekommen; es fällt nicht schwer das mit der Diskussion um „Generation Beziehungsunfähig“ zu verknüpfen. Aber wie genau funktioniert es und gibt es nicht etwas, das viel schwerwiegender ist und für das wir noch keinen knackigen, englischen Begriff gefunden haben? Ich sage, ja.

Denn Benching beschreibt nach Jason Chason, der den Begriff im Nymag mit als Erster in die Runde schmiss, dass man jemanden getroffen hat, sich nicht für oder gegen diese Person entscheiden kann, gewisse Sympathien hegt und die Entscheidung für oder gegen eine Beziehung ohne das Wissen des anderen hinauszögert – in dem man immer mal wieder Mal einen netten Emoji rumschickt, oder ein „Hi wie geht’s?“ zur richtigen Zeit, also genau dann, wenn der andere sich gerade noch freut, etwas zu hören und hungrig genug ist, das erstmal als wirkliche Aufmerksamkeit zu werten. Stimmt ja vielleicht auch, denn nicht jeder Bencher (heißt das so?) macht das ja aus bösem Willen. Vielmehr machen es sicher viele, weil man sich in seiner Unfähigkeit für Entscheidungen eben oft nicht bewusst ist, dass man damit dem anderen eventuell mehr weh tut als gedacht.

Schlaflose Nächte vs. Horror-Monate des Selbstzweifels

Denn hat die andere Seite schon echte Gefühle und Hoffnungen investiert, dann kann dieses Verhalten, auch wenn kaum etwas passiert ist, nein, gerade deswegen, enorm wehtun. Denn was löst mehr Angst und Selbstzweifel aus als die Schwebe – und das Wissen, dass jemand anderes dich darein bugsiert hat und man selbst das mit sich machen lässt? Nichts. Und genau das ist beim Benching nicht der Fall, wenn ich das richtig verstanden habe. Das Benching ist das, was am Anfang auftritt, was wehtun kann, nerven, was auch mal schlaflose Nächte verursacht – und das ist verdammt ungerecht und ja, kann auch sehr verletzend. Doch im Gegensatz zu einem Warmhalten, das Jahre dauern kann, dass eventuell erst nach Jahren entsteht, und für das es meiner Meinung nach keine Erklärung als puren Egoismus gibt, ist es doch vergleichsweise harmlos. Vielleicht sollten wir also mal hierüber reden. Denn mal ehrlich, kennen wir nicht alle jemandem, der in so einer Verbindung lebt – oder sich das mal angetan hat?

Es ist die uralte Geschichte, gerne erzählt anhand „der Sekretärin“, die über Monate, Jahre oder Jahrzehnte die zweite Geige spielt. Nun ja, euphemistisch ausgedrückt. Denn es gibt auch Fälle, in denen kommt es gar nicht zu der Beziehung als zweite Geige – es kommt zu gar nichts, zu kaum etwas, und doch gelingt es nicht wenigen Menschen einen anderen an sich zu binden. Gelingt es ihnen, andere dazu zu bringen, mit ihnen zu gehen, parat zu bleiben, indem sie immer wieder die Hoffnung auf eine möglicherweise gemeinsame Zeit in der Zukunft vorbeten – nur, um sich dann wieder zurückzuziehen.

„Jetzt nicht, aber ich fühle wahnsinnig viel für dich …“. „Hätten wir uns nur zu einer anderen Zeit getroffen …“ „Ich weiß, ich sollte zu dir kommen, aber gerade schaffe ich es nicht.“ Es ist bitter und es ist demütigend. Und es ist ein Verhalten, das andere ganz ganz klein machen kann, sie aufhält, sie in der ewigen Warteschleife lässt. Vielleicht finden wir deshalb keinen fancy englischen Begriff dafür? Denn wenn es bitter wird, ist das Deutsche vielleicht doch die bessere Wahl. So oder so, wer auch immer sich dazu berufen fühlt: Lasst es einfach. Ihr spielt hier mit mehr als mit eurem Ego-Barometer.

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