In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: Unsitten zu Weihnachten.
Ein Schlagstock unterm Weihnachtsbaum
In diesen Tagen kam mein Kind zu mir und bat darum, auf seinen Wunschzettel fürs Christkind noch etwas nachzutragen. Angesichts der Tatsache, dass diese Liste bereits etwa 35 Produkte enthielt, für welche die unverbindliche Preisempfehlung in einem niedrigen dreistelligen Bereich liegt, sagte ich: „Nein, das geht leider nicht, die habe ich schon ans Christkind geschickt“ (vulgo: Ich habe sie in mein Word-Dokument „Geschenke kaufen Weihnachten 2015“ eingepflegt und dann im Papiermüll entsorgt.)
Das Kind sah mich kurz schreckensstarr an, stieß einen markerschütternden Schrei aus und fing dann sehr, sehr laut an zu weinen. „Na gut, wir können ja noch eine Liste schreiben“, brach ich ein. „Aber man darf nur eine einzigste Liste ans Christkind schicken, haben wir im Kindergarten gelernt, buhuuuuu“ heulte das Kind. Ich versicherte ihm, dass auch
beim Christkind der digitale Wandel Veränderungen möglich gemacht habe und
es absolut legitim sei, ihm eine Mail mit dem Betreff „Nachtrag Wunschzettel“ zukommen zu lassen. Das Kind sammelte sich und setzte sich neben mich und den Computer. Dann diktierte es tapfer mit noch tränenerstickter Stimme: „Maschinenpistole – Handschellen aus Eisen – Schlagstock – Pfefferspray“. Ich notierte, sagte dabei öfters „Hmmmmm“ und überlegte in Panik, wie ich das Unmögliche würde schaffen können: Auf die SEK-Ausrüstung als Präsent zu verzichten, ohne an Heiligabend unschöne Ausfälligkeiten („Das ist der schlimmste Tag in meinem ganzen Leben! Ihr seid alles Blödmänner!“) zu riskieren.
Schießen bitte nur mit der Puddingpistole
Fast war ich schon wieder dabei, zu meinem üblichen Sermon anzusetzen, den ich selbst eigentlich schon lange nicht mehr hören kann, von wegen dass das Christkind ja Pazifist sei und Waffen nicht so gerne möge und wenn, dann dürften aus der Pistole ja höchstens Gummibärchen oder Pudding geschossen kommen, blabla….
Vielleicht, dachte ich mir dann aber, könnte ich die Sache geschmeidiger aus der Welt räumen: Immerhin war es mir kürzlich schon gelungen, dem Kind die fixe Idee auszutreiben, die Lego-City-Polizeistation (Unverbindliche Preisempfehlung: 169,99 Euro) könnte ja dieses Jahr unterm Bäumchen liegen: Dabei spielte mir diese alarmierende Meldung in die Hände. Nachts wacht das Kind seither ab und an schweißgebadet auf, oder es schreit im Schlaf laut nach Lego. „Lego! Nicht genug Lego!“ Tagsüber fantasiert es darüber, dass es gerne Onkel Dagobert wäre und seinen Geldspeicher nicht mit Goldtalern, sondern mit Legosteinen füllen würde… jedenfalls hat es die Message geschluckt, dass wegen der Produktionsengpässe in den Fabriken die Lego-Präsente zu Weihnachten in diesem Jahr bei allen Kindern etwas bescheidener ausfallen müssen.
(Mittlerweile bin ich mir übrigens sicher, dass es sich um eine konzertierte PR-Aktion von Lego gehandelt hat: Panische Eltern, die vor Kaufhäusern campieren, um noch ein paar Lego-Restbestände zu ergattern, genau das wollten die doch! Die Regale sämtlicher Kaufhaus-Spielwarenabteilungen, die ich zuletzt aufgesucht habe, bogen sich geradezu unter all den prächtigen Lego-Vorräten).
Unsitte: Weihnachtskarten mit Vorzeige-Kindern
Jedenfalls: Ich sagte dem Kind, dass sich dieses Jahr so viele Kinder Maschinenpistolen, Handschellen aus Eisen und Pfefferspray wünschen würden, dass die entsprechenden Fabriken gar nicht so recht mit der Produktion hinterherkämen und es nicht sauer sein solle, falls es in diesem Jahr nicht klappt mit der Prügelausrüstung. Das stimmt ja sogar auch irgendwie.
Das Kind schrie „Dann bist du nicht mehr meine Mama!“ und zog sich weinend zurück. Ich studierte die Post. Auch in diesem Jahr verfallen wieder viel zu viele Eltern der Unsitte,
Weihnachtskarten mit aufgedruckten, sehr vorbildlichen Fotos ihrer Kinder zu verschicken, in der Regel aus dem Aktivurlaub auf Lanzarote oder mit prestigeträchtigen Accessoires mit im Bild. Seht her, unsere Kinder machen in den Ferien Wildwasser-Rafting und spielen ein Instrument! Zuletzt im Briefkasten: zwei sehr artig lächelnde Kinder (in Tracht!) vorm Adventskranz, drumherum hübsch drapiert eine possierliche Querflöte und eine kleine Posaune.
Das Weinen im Nebenraum ebbte nicht ab. Ich sehe es kommen: Im nächsten Jahr will ich auch mithalten und werde dem Drang nicht mehr widerstehen können, auch solche Karte zu versenden. Nur dass die dann eher so aussehen werden. Und jetzt mal gucken, was der berüchtigte Karnevalsbedarf bei Amazon so alles hergibt.
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