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Liebe Generation Y, euer Egoismus beim Daten kotzt mich an!

Ich will nicht mehr zu euch gehören! Ich hab keinen Bock mehr auf euch und eure Beziehungsunfähigkeit, eure Selbstverliebtheit, euren Egoismus, euren übertriebenen Selbstverwirklichungsdrang und Freiheitswahn.

Was ist los mit euch?

Ich habe wirklich keinen Bock mehr. Das geht schon beim Daten los: Ich will niemanden auf Tinder kennenlernen, ich will rausgehen und angesprochen werden. Meinetwegen auch selber ansprechen, wir haben ja schließlich 2017 und sind alle emanzipiert. Ich will nicht jedes Mal, wenn ich jemanden kennengelernt habe, befürchten, dass ich nur eine von vielen, eine Option, vielleicht gar eine Notlösung bin. Ich will auch mit niemandem wochenlang inhaltsleer hin und her schreiben, ich will jemanden treffen, ihm in die Augen sehen, mit ihm reden und richtige Gespräche führen – ganz altmodisch, ohne Smartphone als bindendes Glied.

Offene Beziehungen sind doch bloß eine Flucht

Bitte, hört doch endlich auf euch offene Beziehungen und Polyamorie schönzureden. Vielleicht funktioniert das für manch wenige, vielleicht ist das in gewissen Situationen sinnvoll, das kann schon sein. Aber, wollt ihr wirklich, dass das die neue standardmäßige verbreitete Beziehungsform wird? Macht man es sich mit solchen Modellen nicht auch ein bisschen zu einfach? Sind Aussagen wie „Ich habe einfach festgestellt, dass Monogamie für mich nicht funktioniert“ nicht eher ein Geständnis zu „Ich will und kann mich einfach nicht festlegen und lasse mir lieber immer eine Hintertür auf“? Offene Beziehungen versuchen, einer Angst aus dem Weg zu gehen – Angst vor dem Enttäuscht-, Betrogen- und Verlassenwerden – indem sie von vornherein alles, was wehtun könnte, legitimieren. Doch ich möchte meinen Partner nicht teilen, und ich möchte auch nicht geteilt werden. Natürlich kann man sich auch als vergebene Person mal zu anderen Menschen hingezogen fühlen, aber liegt nicht der größte Liebesbeweis gegenüber unserem Partner darin, sich solchen Gefühlen und Verlangen eben nicht hinzugeben?

Bitte, streicht „Ghosting” wieder aus eurem Wortschatz

Und lasst uns auch endlich aufhören, Spielchen zu spielen. Wenn ich jemanden mag, möchte ich ihm das zeigen und sagen dürfen, ohne Angst zu haben, zu früh zu viel preis zu geben und mich so uninteressant zu machen. Ich möchte nicht berechnend eine gewisse Zeit warten, bis ich antworte, und ich möchte mir keine Gedanken darüber machen, warum er welche oder gerade keine Emojis verwendet. Sollte Liebe nicht aus dem Bauch raus passieren, ohne Hintergedanken und ohne Logik?

Und wenn ich doch das Interesse an jemandem verliere, dann möchte ich ihm das ehrlich und aufrichtig sagen, mit der Hoffnung, dass mit mir ebenso offen gesprochen wird. Ich würde viel darum geben, wenn wir „Ghosting“ wieder aus unserem Wortschatz streichen könnten, und wenn Schlussmachen über neue Medien schlichtweg nicht mehr praktiziert würde.

Für mehr Face-to-Face-Komplimente

Ich möchte kein „Like“ für mein neues Profilbild bekommen und mich darüber freuen, als sei es ein Heiratsantrag. Viel lieber wäre mir ein „Ich mag dein Lächeln“ oder „Das Top steht dir wunderbar“ direkt ins Gesicht. Dann reagiere ich vielleicht mit leichtem Erröten und einem kurzen Moment der Sprachlosigkeit, weil da eben kein Bildschirm zwischen uns ist und ich keine Schonzeit zum Überlegen habe, ob und wie ich reagiere. Aber das ist dann wenigstens persönlich, echt, und menschlich.

Ich möchte vertrauen – blind vertrauen. Obwohl ich weiß, wie viel Scheiße da draußen miteinander getrieben wird, obwohl ich genug Geschichten selbst erlebt oder von anderen gehört habe, bei denen nichts blieb als Kopfschütteln. Ich möchte wirklich vertrauen. Und wenn ich mir dabei wehtue, wenn ich dabei falle, dann falle ich – um anschließend wieder aufzustehen, ein Pflaster draufzukleben und da weiterzumachen, wo ich aufgehört habe. Weil eine Generation, in der man nichts und niemandem mehr vertrauen sollte, keine Generation ist, zu der ich gehören möchte.

Wir verstecken uns hinter unserer Generation

Wisst ihr, was das Problem ist? Wir, oder zumindest die meisten von uns, wissen, wie falsch und kaputt und verkorkst das alles ist. Aber wir verstecken uns hinter dem Stempel der Generation Y und nutzen diesen als Entschuldigung: Wir haben halt so viele Möglichkeiten, wir wissen halt nicht was oder wen wir wollen, wie können wir auch?! Aber wir sind nicht beziehungsunfähig, vielmehr sind wir beziehungsunwillig. Weil wir für wahre, tiefgehende Beziehungen zu bequem und zu egoistisch und vor allem zu ängstlich sind. Weil wir nicht gelernt haben, geduldig und nachsichtig zu sein, und an Beziehungen zu arbeiten, bevor wir sie wegschmeißen. Ob uns das niemand versucht hat beizubringen oder wir einfach nicht hingehört haben, weiß ich nicht mehr.

Ich strebe ja gar nicht nach einer spießigen Klischeebeziehung, die im Einfamilienhaus am Stadtrand mit dem Familienwagen im Hof endet. Das einzige, was ich suche, ist etwas mehr Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, und den Mut, an sich selbst und seiner Beziehung zu arbeiten. Und dass ihr alle wieder etwas mehr riskiert und es mal öfter wagt, euch festzulegen. Auch wenn das erstmal beängstigend ist. Ja, ich habe keinen Bock mehr einer von euch zu sein. Und bin und bleibe es doch.

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