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Engagiert euch endlich! – Ein Weckruf an die Generation Y

Lange hat es sich die Gernation Y gemütlich gemacht. Die aktuellen politischen Ereignisse lassen das nicht mehr zu, findet unsere Community-Autorin: Engagiert euch endlich!

 

Wo ist nur all die Leidenschaft hin?

Meine bisherige persönliche politische Karriere fand ihren Höhepunkt im Alter von elf Jahren. In einen A5-Ringelblock erhielt mein Vater ein Pamphlet gegen Atomenergie als Weihnachtsgeschenk. Ausgeschmückt mit vielen Zeichnungen und die klare Forderung des Atomausstiegs an Herrn Kohl. Die elf-jährige kleine Version von mir, hatte sich ihr Wissen, damals noch eifrig über ein CD-Rom Kinderlexikon am Computer angelesen und Seiten über Seiten ausgedruckt. Auslöser für meine politische Karriere war das Buch „Die Wolke“ von Gudrun Pausewang. 

Beim Aufräumen ist mir vor Kurzem mein kleines Büchlein wieder in die Hände gefallen. Das Durchlesen hat zu herzlichen Lachanfällen geführt, aber es hat mich auch mit stolz erfüllt, zu sehen mit wie viel Leidenschaft ich meine Meinung vertreten habe. Was ist in den letzten 20 Jahren passiert? Wo ist meine glühende Begeisterung versandet? Und wieso meldet sich jetzt die politische Elf-Jährige zu Wort und sagt: Mach was, meckre nicht rum, engagiere dich und übernimm Verantwortung für dich, dein Leben und die Gesellschaft, in der du leben möchtest?

Generation „Y“ – kein Grund zur Sorge

Ich bin wohl ein perfekter Vertreter der Generation Y. Wir werden als Millennials oder Digital Natives beschrieben. Spaßgesellschaft, Streben nach
Work-Life-Balance und den Fokus auf Selbstverwirklichung sind zutreffende
Schlagwörter für uns. Und wie steht es mit dem Politikgewissen der
Millennials? Die letzten Jahre waren super bequem. Zu Abizeiten wurden die Verrückten, die sich in der „Jungen Union“ oder bei den „Sozis“ engagierten, belächelt. Wer wollte damit schon Zeit verschwenden. Eine politische Richtung zu vertreten war äußert uncool. Mit 18 zum ersten Mal den Gang zur Wahlurne anzutreten war schon wichtig. Schließlich war damit umso klarer, dass man erwachsener wurde und bald losziehen konnte, um die weite Welt zu erobern. 

Doch bis es soweit war, stand erst mal das Abitur auf dem Programm. Auf dem Weg dahin, sollte unser politisches Denken im Politik- und Wirtschaftsunterricht heran gebildet werden. Darüber hinaus wurde uns in allen Fächern immer und immer wieder unser politisches Vermächtnis deutlich gemacht. Aus den Fehlern der Weimarer Republik und dem Dritten Reich zu lernen, war fester Bestandteil in fast allen Fächern. Sonnenklar für uns, wir Deutsche hatten aus der Vergangenheit gelernt, Phänomene wie Faschismus und Populismus, würden uns doch nie mehr passieren. Und gerade gab es doch keinen Grund zur Sorge. Es lief doch alles super! 

Die größte Sorge galt dem Thema, wie es nach dem Abitur weitergeht. Hier galt: Augen auf bei der Berufswahl. Politiker? Das ich nicht lache… Waren wir nicht alle der Meinung, nur wer dumm ist, geht in die Politik? Und richtig Kohle kann man nur in der freien Wirtschaft verdienen. Zudem verfehlten die damaligen Repräsentanten in politischen Ämtern bei mir jedes „politisches Marketing“.

Läuft doch, oder?

In den folgenden Jahren war die größte politische Errungenschaft für mich, dass
eine Frau als Bundeskanzlerin die politische Glasdecke durchbrochen hatte. Ein
Hoch auf die Emanzipation! Aber das war es dann auch schon. Welche politische
Partei die Regierung stellte, war gefühlt egal. Irgendwie lief es immer weiter
und das ja eigentlich ganz gut. Also genug Zeit für Generation „Y“, mich eingeschlossen, dem schönen Leben zu frönen. Studieren, Partys feiern, im Ausland leben, Zeit mit Freunden verbringen und einfach das Leben genießen. Mit den Problemen der Welt, konnten sich andere beschäftigen und wenn das schlechte Gewissen zu groß wurde, konnte eine Spende bei „Ein Herz für Kinder“ Abhilfe schaffen. Kommt euch das bekannt vor? Das hört sich jetzt dramatischer und überspitzer an, als es ist. Natürlich war ich an dem Tagesgeschehen interessiert, aber nie meldete sich die elf-jährige Atomgegnerin mit ihrer Leidenschaft zurück zu Wort – bis vor Kurzem.

Und plötzlich: Was ist denn hier los?

Die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, die Ausschreitungen in Bautzen und nicht zuletzt die US-Wahl in Amerika, haben mich wachgerüttelt. Dachte ich bis dahin doch, dass Populismus wie zu Zeiten des Dritten Reichs in Europa nicht mehr möglich wäre, wir hatten doch alle unsere Lektion gelernt und uns geschworen, dass so was nie wieder passieren würde. Die Kommentare auf Facebook von meinen ehemaligen Highschool-Mitschülern in Texas zur US-Wahl verwirren mich und machen mich wütend. Was ist bloß passiert? Darüber, wo diese Entwicklungen herkommen, haben die Talkshows von Anne Will bis zu Sandra Maischberger genug diskutiert. Aber mir ist bisher die Selbstverantwortung, die jeder Bürger trägt zu kurz gekommen. Die bequemen Zeiten sind vorbei. Ich für mich habe erkannt, dass das ewige Rumgenöle und Rumgemotze nervt. Klar ist das super, wenn man immer sagt,
die da „Oben“ die machen ihren Job „scheiße“ und hätte Frau Merkel doch mal
schön die Grenzen zu gelassen. Von außen betrachtet, sind wir in unserem
Fernsehsessel und mit einer Packung Chips in der Hand immer schlauer. Wenn man es doch immer besser weiß, wieso meldet man sich dann nicht und macht es besser? Ist es vielleicht doch gar nicht so einfach? Ja, dann müsste man schließlich raus aus der Komfortzone, die eigene Freizeit opfern und sich in Diskussionen mit anderen um Standpunkte streiten.

Tschüss Komfortzone

Eine Lehrstunde, die ich erst jetzt so richtig begreife, haben mir meine Eltern
vorgelebt. Mein Vater war ständig am „Motzen“ über den Ortsbeirat. Meine Mutter konnte es irgendwann nicht mehr hören und sagte ihm: „Dann ändere was und stell dich selbst zur Wahl.“ Danach folgten 15 Jahre politisches Engagement auf kommunaler Ebene. 

Und genau vor dieser Entscheidung stehe ich jetzt auch: entweder ich halte meine Klappe und lasse andere Menschen dieses Land regieren und gestalten, dann muss ich aber auch damit leben, dass ich viele Dinge, die passieren nicht gut heißen kann. Sogar noch schlimmer, ich überlasse den sogenannten „Wutbürgern“ das Feld und bleibe so stumm und still wie viele Deutsche zu Zeiten der Weimarer Republik. Dachten damals nicht auch viele, dass Hitler nur ein Phänomen sei, das schnell wieder von der Bildfläche verschwindet? Oder rapple ich mich auf, erkenne, dass ich als mündiger Bürger mit meiner Stimme und meinem Engagement etwas verändern kann. Tschüss an die Welt, in welcher es so einfach war, alle und jeden zu kritisieren. Die Qual der Wahl. 

Ein Hoch auf die Selbstbestimmung

Moment! Ich habe eine WAHL. Die wohl wichtigste Erkenntnis, die mich im letzten Jahr erreicht hat, so simpel, banal und schlicht. Es stimmt: man hat immer eine Wahl. Wer dem nicht zustimmt, der spricht mir als Mensch meine Selbstbestimmtheit aber auch meine Selbstverantwortung ab. Diese Erkenntnis macht frei, aber gleichzeitig übernehme ich nun auch die volle Verantwortung für meine Entscheidungen, mich und mein Leben. Ich hoffe, dass ich nicht die Einzige bin, die sich so fühlt und erkannt hat, dass meine politische Gleichgültigkeit an ihr Ende gekommen ist. Also auf geht’s Generation „Y“, zeig dich und gestalte aktiv die Zukunft der Gesellschaft, wie du sie dir wünschst.

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