In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: laissez faire in der Schwangerschaft.
Schwanger sein heißt vor allem: Viele gute Ratschläge
Wer schwanger ist, der darf sich in der Regel viele, viele gutgemeinte Ratschläge anhören. Schwangere berichten, wie ihnen auf Hochzeiten das Glas Sekt zum Anstoßen vorsorglich von gutmeinenden Anwesenden aus der Hand geschlagen wurde, als sie es zum Mund führten. Stefanie Lohaus beschreibt im Missy Magazine, warum sie wirklich genervt ist von der Auffassung in unserer Gesellschaft, Schwangere seien unmündige Wesen, die man vor ihrem eigenen Verderben durch Unwissen und Laxheit schützen müsse.
Ich fürchte, ich muss langsam aufpassen, nicht ins groteske Gegenteil umzuschwenken. Ich muss nämlich klar feststellen: Die Euphorie, aber auch die Sorgen der ersten Schwangerschaft, die schon bei der zweiten nicht mehr so wirklich vorhanden waren, haben sich nun endgültig in Luft aufgelöst. Stattdessen herrscht eine gewisse, naja ich will mal sagen, gar nicht mal unangenehme, gleichgültige Abgestumpftheit.
Auf der Jagd nach Bakterien und Listerien
Während meiner ersten Schwangerschaft gelang es mir regelmäßig äußerst erfolgreich, Käse-Fachverkäuferinnen sowie die Menschen in der Schlange hinter mir in den Wahnsinn zu treiben, derart ausführlich versuchte ich zu ergründen, ob in einzelnen Käseprodukten Rohmilch enthalten sei oder es sich nun um einen Hart- oder Schnittkäse handelte. Oder auf wieviel Grad „thermisierte Milch“ denn nun erhitzt worden sei und wie wahrscheinlich es sei, dass durch so einen Thermisierungsprozess alle Bakterien, Listerien oder was auch immer ihr Leben gelassen hätten. Das ist vorbei. Eine enge Freundin, gerade mit dem ersten Kind schwanger, kommt nun also permanent in den Genuss meiner Laissez-faire-Ansichten rund ums Thema.
„Alles nur blöde Panikmache“, grummle ich, wenn sie beim gemeinsamen Einkauf Käseverpackungen nach Rohmilchhinweisen abscannt. „Fahrradfahren soll man ja lieber nicht mehr, wegen des nachlassenden Gleichgewichtssinns“, sagt meine Freundin treuherzig. Ich lache heiser und lasse sie wissen, dass ich mich selbstverständlich jeweils bis zum Tag, an dem die Wehen einsetzten, mit dem Fahrrad in den Berliner Berufsverkehr geworfen hätte. Neulich, gemeinsamer Kurzurlaub; „In die Sauna können wir ja, glaube ich,
nicht“. Ich verdrehe die Augen und verkünde, das aktuelle Baby selbstverständlich schon diverse Male der 90-Grad-Dröhnung einer Finnischen Sauna ausgesetzt zu haben.
Geburtskliniken angucken, zu Infoabenden gehen? Ach, vollkommen egal, ist doch überall die gleiche Soße! Geburtsvorbereitungskurs? Mehrere Nachmittage verschwenden, um sich gemeinsam mit sehr ernsthaften Paaren über Pezzi-Bälle zu rollen und gemeinsam Geburtsgeräusche zu imitieren? Kannste dir auch sparen! Verrauchte Kneipen meiden? Mein Gott, stell dich nicht so an! Mit dem Joggen aufhören und lieber Walken? Sieht doch peinlich aus! Vorkochen, damit die Tiefkühltruhe im Wochenbett schön voll ist? Mein Gott, ihr übertreibt es aber auch wirklich! Angeblich nur zwei Tassen Kaffee am Tag? Komm, hau dir die Plörre rein!
Ich glaube, ich muss langsam aufpassen. Nicht, dass ich sie demnächst bei einem Glas Limonade erwische und anraunze, sie solle sich gefälligst einen Gin Tonic bestellen.
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