Nein, die Zeit im Wochenbett ist kein Sabbatical, schreibt Barbara Fischer – aber warnen muss man davor auch niemanden. Sie erzählt von der Gefühlswelt, die sie in ihrem Wochenbett erlebt.
Was eine junge Mutter über die Warnungen an Mütter denkt
Ich habe nicht viel Zeit, diesen Artikel zu schreiben.
Vielleicht wird er deshalb kürzer und nicht ganz perfekt ausfallen. So wie
vieles im Augenblick nicht perfekt läuft. Ich bin seit sechs Wochen Mutter.
Während ich diese Zeilen schreibe, schläft mein kleines Mädchen. Hunger, Durst,
eine volle Windel oder einfach der normale Schlaf-Wach-Rhythmus könnten sie in
jedem Moment aufwecken.
Der
Artikel ist mir ein großes Anliegen. Angesichts der vielen Warnpostings zum
Thema Mutterschaft möchte ich als Jungmutter live aus dem
Spätwochenbett dazu Stellung beziehen.
Es stimmt. Seit die Kleine bei uns ist, ist nichts mehr, wie es einmal war. Das
Wochenbett ist kein Sabbatical, in dem man kurz Kraft tankt, um dann wieder gestärkt
in den gewohnten Rhythmus seines Lebens zurückzukehren. Es gilt alles neu zu
definieren: die Vorstellungen vom eigenen Leben, den Alltag, die Paar– und
Familienbeziehung, Freizeit und Beruf. Aber muss dieses „Neu“ und „Anders“ zwangsweise
als Einschränkung erlebt werden?
Hat meine Generation Angst vor dem Reifungsprozess?
Nach nur sechs Wochen Erfahrung traue ich mir
zu sagen, dass ich in meinem Erwachsenenleben noch nie eine so große
Veränderung durchgemacht und in so kurzer Zeit so viel gelernt und so viel Liebe erlebt habe. Das
Mutter-, Vater- und Familiewerden ist im Leben eines Menschen wohl einer der
größten Reifungsprozesse. Hat meine Generation Angst vor dieser Reife? Haben
wir, die wir meist das 30. Lebensjahr bereits hinter uns haben, bevor wir das
Projekt „Mutterschaft“ überhaupt in Erwägung ziehen, Angst vor dem letzten Schritt zum wirklichen Erwachsenwerden?
Anders als unsere Mütter, die sich meist bereits Anfang 20
auf das Abenteuer Familie einließen, genießen wir Kinder der 80er Jahre eine verlängerte
Jugend, die uns ausgiebig Zeit und Raum für einen ersten Selbstfindungstrip
bietet. Anstatt die Familiengründung als einen weiteren Entwicklungsschritt zu
sehen, haben viele junge Frauen Angst, die hart erarbeitete Freiheit und
Unabhängigkeit durch die Entscheidung für die Mutterschaft zu verlieren. Wenn
ich von jungen Frauen Vorträge über die möglichen Entwicklungsstörungen von
nicht gestillten oder institutionell betreuten Kleinkindern höre, wenn ich in
Internetforen mit den schier unerfüllbaren Anforderungen an eine gute Mutter
konfrontiert werde, dann kann ich diese Vorbehalte durchaus verstehen. Es gibt in unserer Gesellschaft scheinbar keinen Weg zwischen der Hypermutti, die ihr ganzes Leben der Aufgabe „Kind“
unterordnet und der unabhängigen Frau, die ihr Leben dem Hedonismus und der Selbstfindung verschreibt.
Abenteuer Familie: Keiner kann euch sagen, wie das Leben mit Kind aussehen wird
Die aktuellen Postings zum Thema „Was Frau wissen
sollte, bevor sie Mutter wird“ lassen vermuten, dass – um auf Nummer sicher zu gehen – das Modell der unabhängigen Frau das erstrebenswertere sei. Als Neomutti kann ich euch jungen Frauen und Männern mitgeben,
dass euch keiner sagen kann, wie sich das Leben nach der Geburt eines Kindes für euch anfühlen wird. Ich kann nach sechs Wochen für mich sagen: Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich dem Abenteuer Familie eine Chance gegeben habe.
Ja, unser Leben ist jetzt anders, es ist
reicher, bunter und spannender, aber auch herausfordernder und vor
allem weniger planbar geworden. Sich auf das Leben mit Kindern einzulassen, bedeutet im
Hier und Jetzt zu sein, zuzulassen, dass genau das wichtig ist, was gerade ist.
Andere besuchen teure Achtsamkeitstrainings, um genau das zu lernen. Ich freue mich über das
wunderbare Geschenk, diesen kleinen Menschen begleiten und mit ihm wachsen zu dürfen und bin überzeugt, dass ich dafür nicht zur Hypermutti mutieren muss.
Meine Tochter ist übrigens soeben aufgewacht und
verlangt meine volle Aufmerksamkeit. Zeit diesen Artikel zu beenden.
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