Unsere Community-Autorin Meike ist eine Weltenbummlerin und hat mit ihren 31 Jahren schon 78 Länder bereist. Eine ihrer größten Sehnsuchtsorte war schon immer der Iran. Was sie dort erlebt hat, hat sie in einem spannenden Reisebericht festgehalten.
Die Sehnsucht nach dem Iran
Meine Sehnsuchtsorte sind die Destinationen, die auf meiner Reise-Prioritätenliste aus nicht immer erklärbaren Gründen, ganz oben stehen. In meinem Fall sind es, nicht selten, ungewöhnliche Ziele: Uzbekistan (erfüllt), Montenegro (erfüllt), Grönland (unerfüllt), Kolumbien (unerfüllt), Sansibar (erfüllt), Island (erfüllt) oder Libyen (erfüllt).
Ich weiß nicht mehr genau, was es war, dass diese Iran-Faszination in mir entfachte aber ich bekam diesen Reisetraum einfach nicht mehr weg. Im Mai 2014 war es dann soweit: Ich hatte in meiner Cousine eine tolle Reisegefährtin gefunden und wir buchten: Frankfurt – Istanbul – Teheran. Interessant war gleich zu Beginn die Reaktion unseres Umfelds auf die geplante Reise. Ich wunderte mich, wie wenig die meisten über dieses Land wussten und wie groß gleichzeitig die Vorurteile gegenüber dem alten Persien waren. Das hätte ich in der Form nicht vermutet. Es sei doch ein total gefährliches Land, bekamen wir häufig zu hören. Wir sollten am besten gar nicht hinfahren, auf keinen Fall aber alleine, ohne geführte Gruppe. Wir müssten uns doch ganzkörperverschleiern, oder? Dürfe man dort überhaupt als Frau auf die Straße gehen? Und so weiter und so fort.
Wir stellten fest: Der Iran wird häufig schlichtweg mit einem Land wie Saudi-Arabien verwechselt. Doch wer sich tiefer in historische, kulturelle und gesellschaftspolitische Zusammenhänge einarbeitet, stellt viele tiefliegende Unterschiede fest. Meine Cousine und ich ließen uns jedoch nicht irritieren. Mehr noch: Wir fanden es umso wichtiger die Reise anzutreten, da anscheinend noch niemand aus unserem Bekanntenkreis selbst einmal dort war. Wir buchten, abgesehen vom Flug, gar nichts. Kein Hotel, keinen Transfer, keinen Guide. Nur die ungefähre Reiseroute Teheran – Isfahan – Schiraz – Yazd – Kashan legten wir fest.
Der Iran wird von den meisten unterschätzt.
Vielleicht nehme ich die wichtigsten Erkenntnisse, dieser zehntätigen Reise, direkt einmal vorweg:
* Ich bin viel herumgekommen in der Welt, aber ich habe noch niemals ein so gastfreundliches Land kennengelernt wie den Iran.
*Das Herumkommen in einem Land habe ich selten so unkompliziert, sicher und einfach erlebt wie im Iran.
Wie in tausend und einer Nacht
Es ging schon direkt bei unserer Ankunft in Teheran los. Wir kamen spätabends an und dachten, wir müssten bestimmt die erste Nacht in der Hauptstadt verbringen. Doch im Iran ist transporttechnisch alles möglich. Drei Stunden später, setzte uns ein Taxifahrer sicher in Isfahan ab – für umgerechnet 20 Euro. In der Stadt, die wohl zu den schönsten und verwunschensten der Welt gehört, erlebten wir also unseren ersten Tag. Von dort an fühlten wir und wie in tausend und einer Nacht: Die Schönheit und Erhabenheit dieser altehrwürdigen persischen Kultur und Architektur nahm uns den Atem. Da das Bild vom Iran bis heute noch verschwommen und von wenig persönlichen Reiseberichten geprägt ist, liegt es mir am Herzen, ein paar kleine Mitbringsel von meiner beeindruckenden Reise zusammenzufassen:
Aufrichtigkeit, Nettigkeit, Hilfsbereitschaft und Sicherheit
Die Iraner waren immer freundlich, nie aufdringlich, aufrichtig interessiert und neugierig. Sie wollten wissen, was uns hier hinführe, woher wir kamen, wie wir ihr Land, auf das sie sehr stolz sind, finden. Zudem habe ich selten so eine Hilfsbereitschaft erlebt, wenn es um Auskünfte, Wegbeschreibungen, Reisetipps oder Ähnliches ging. Obwohl meine Cousine und ich alleine unterwegs waren, gab es nicht eine Situation, in der wir uns unsicher oder gar gefährdet fühlten. Die Iraner fallen durch äußerst höfliche Umgangsformen und sehr gute Englischkenntnisse auf.
„Warum tragt ihr denn nur schwarz?!”
Ganz schwarze Kleidung sind die Iraner nicht gewohnt.
Lustig ist, dass wir wegen ganz anderer Äußerlichkeiten auffielen als anfangs vermutet. An unserem ersten Tag liefen wir in Isfahan ganz in schwarz gekleidet und mit schwarzem Kopftuch herum. Dabei wurden von Mädels, in unserem Alter, in bestem Englisch angesprochen: „Girls, why are you wearing all black?“ Und es stimmte: Inmitten der farbenfroh gekleideten, das Kopftuch als besseres Accessoire betrachtenden, Damenwelt Isfahans wirkten wir, als wären wir frisch aus einem Kloster geflohen oder kämen direkt von einer Beerdigung. Bei einem Besuch auf dem lokalen Markt änderten wir das und kauften uns Tücher in allen Farben des Regenbogens.
Facebook ist zwar verboten, erfreut sich aber größter Beliebtheit
Von kaum einer Reise aus einem Land, das Social Media technisch eigentlich total abgeschottet sein sollte, kehrt man nach Hause und hat so viele neue Facebook-Freunde: Sei es die nette Rezeptionistin des Hotels, eine Gruppe von Mädels, die wir in einem Café kennenlernten, oder der nette Café-Besitzer selbst. Überall wurden wir gefragt, wie unser Facebook-Name denn sei. Wir waren anfangs noch verwundert: „Ist das bei euch nicht verboten? Der Zugang gesperrt?“ Dies wurde nur mit einem Lächeln beantwortet. Die Krux: Das ganze Land weiß ganz genau wie man elegant um die Facebook-Sperre herumkommt, aber als ahnungslose Touristin geht dies leider nicht so einfach. So warteten beim ersten Login nach unserer Rückkehr zahlreiche, iranische Facebook-Anfragen auf uns. Noch heute gehören meine iranischen Facebook-Freunde zu denen, die nicht einen einzigen ‘Like’ meiner Posts verpassen.
Von einer iranischen Familie adoptiert
Eine wunderbare Geschichte, von spontaner Gastfreundschaft, erlebten wir in Kashan. Wir hatten, wie immer, nichts vorher gebucht und Warnungen, dass es aufgrund des großen Rosenfests schwierig sein könnte, ein Hotel zu finden, als iranische Übervorsicht abgetan. Wir hatten zudem einen späten Bus genommen, von dem wir dachten, er würde zumindest so etwas wie einen Busbahnhof im Stadtzentrum ansteuern. Das tat er aber nicht. Er fuhr nach Teheran weiter und hielt quasi nur am Straßenrand. Meine Cousine und ich fanden uns also um kurz vor Mitternacht außerhalb der Stadt Kashan wieder. Eine iranische Mutter mit ihrer Tochter, die zuvor ihre andere Tochter in unseren Bus nach Teheran gesetzt hatte, sprach uns in gebrochenem Englisch an. Wenig später saßen wir zu iranischen Klängen in ihrem alten, klapprigen Auto und fuhren alle Hotels Kashans ab – erfolglos.
So pragmatisch und brutschützend wie Mütter aller Länder nun einmal sind, wurden wir kurzerhand bei ihnen einquartiert, wenngleich es im Iran eigentlich verboten ist, Gäste privat und ohne Voranmeldung unterzubringen. Während der Vater des Hauses schon schlief und nicht merkte, wie er gerade zwei neue deutsche Töchter ins Haus bekam, wurde uns in kürzester Zeit ein wunderbares Bett bereitet, ein kleiner Mitternachts-Snack gemacht und Tee gekocht. Am nächsten Tag beschloss die Mutter Azar, in Anbetracht des unerwarteten Besuchs, nicht zur Arbeit zu gehen. Sie ist Lehrerin und meldete sich einfach krank. Stattdessen, wurden wir mit einem großen Frühstück geweckt und Azar und Simin, ihre Tochter, zeigten uns den ganzen Tag die schönsten Ecken Kashans. Wäre dies auch in Deutschland passiert? Ich wage zu behaupten: wohl eher nicht. Schweren Herzens reisten wir am Folgetag weiter. Noch heute, stehen wir in regelmäßigen Kontakt mit unserer iranischen Familie, schreiben uns Briefe oder Nachrichten auf Facebook. Natürlich liken auch sie jeden, aber auch wirklich jeden Facebook-Post und nehmen so an unserem Leben teil.
Rohani und ein Stück Hoffnung
Ich möchte in diesem Artikel nicht viel über Politik schreiben – es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Nur eins haben aus der Zeit in dem Iran mitgenommen: Er scheint bereit sich zu öffnen. Es scheint, dass seitdem Hassan Rohani 2013 die Präsidentschaftswahl gewonnen hat, die Iraner dem Wunsch, wieder Teil der Weltgemeinschaft zu sein, einen Schritt nähergekommen sind. Viele Iraner sagten uns, sie fühlen sich freier als in den Jahren zuvor. Sie freuen sich auf die Welt und die Welt sollte sich auch auf den Iran freuen. Hier liegt so viel Talent, so viel Kultur, Bildung, so viel Potential, so viel historische Tiefe. Aber es gibt auch viel aufzuholen und zu verbessern: Menschenrechte, Gleichberechtigung der Frau, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und wirklich vieles mehr. Allerdings kann das ein Land in Isolation nicht schaffen. Wenn die Weltgemeinschaft es aufnimmt, kann dies gelingen. Für uns war wichtig, dass wir durch unsere Reise mit eigenen Vorurteilen aufräumen konnten. Wir haben gelernt, unseren Augen und Eindrücken mehr zu vertrauen als dem Bild, das die Politik und die Medien uns vermitteln. Deshalb unser Appell an alle Reisenden: Lernt das Land selbst kennen!
Nachtrag:
* Im Juli 2015 wurde mithilfe der Regierung Barack Obamas der Nukleardeal mit dem Iran verhandelt. Der UN-Weltsicherheitsrat sicherte zu, die Sanktionen langsam aufzuheben.
* Die Touristenzahlen schossen 2015 um 240 Prozent in die Höhe. „Neues altes Reiseziel Iran“ titelt die Süddeutsche Zeitung.
Dieser Text ist zuerst im Zukunftsblog erschienen.
Titelbild: Flickr – David Stanley – CC BY 2.0
Mehr bei EDITION F
(Reise-)Freiheit? Das ist ein Privileg. Weiterlesen
Wir haben unsere Jobs für eine große Reise gekündigt – und so hat unser Umfeld reagiert. Weiterlesen
Pleiten, Pech und Pannen: Was auf Reisen alles schiefgehen kann. Weiterlesen