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Wir haben unsere Jobs für eine große Reise gekündigt – und so hat unser Umfeld reagiert

Job kündigen, Wohnung aufgeben, VW-Bus verschiffen und los geht’s. Klingt einfach? Das dachten Sandro und Gabriella auch, aber für viele Menschen ist ihre Entscheidung unverständlich.

 

Seine Sicherheiten aufzugeben, stößt bei vielen auf komplettes Unverständnis

Dass man in unseren Breitengraden sicherheitsbedürftig ist, war mir vorher schon irgendwie klar. Aber in letzter Zeit wurde es mir noch viel bewusster. Ich bin Journalistin und habe meinen gut bezahlten Job bei der meistgelesenen Zeitung der Schweiz gekündigt, um mit Freund und VW-Bus die Panamericana zu bereisen. So weit, so gut. 

Irgendwann fiel uns schließlich auf, dass wir beide ständig dieselben Fragen zu unserer Reise gestellt bekommen. Oft haben diese nichts mit dem Vorhaben an sich zu tun, sondern mit Sicherheitsbedenken, Karriereängsten und Geldsorgen.

Darum habe ich hier mal die häufigsten Reaktionen zusammengestellt. Nicht, um die Menschen zu kritisieren, sondern um zu zeigen, dass dahinter oft die eigenen Probleme und Ängste stehen. Wer es persönlich nimmt, ist selbst schuld. 

Wir gehen auf Reisen und diese Fragen beschäftigt unser Umfeld

1. Wie lange geht ihr genau weg?“

Wir wissen es tatsächlich nicht. Und wir wissen auch, dass die Antwort

„mindestens ein Jahr“ unbefriedigend sein muss. Aber wir wissen es WIRKLICH NICHT. Mach mal den Versuch, einen Tag lang komplett planlos zu sein, es wird dir gut tun!

2. „Hättest du nicht unbezahlten Urlaub nehmen können?“

Vielleicht, ja.  Aber dann hätten wir zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder da sein müssen und das wollen wir nicht. Ausserdem darf diese Reise auch gerne unsere Horizonte bezüglich der (beruflichen) Zukunft erweitern. Wir tauschen die (finanzielle) Sicherheit gerne gegen die (Entscheidungs-)Freiheit aus. Keine Angst, wir werden nicht heimkommen und verhungern.

3. „Wow, sowas wollte ich auch schon immer machen, aber…“

Hier kann so ziemlich alles eingefügt werden: kein Geld, Kinder, Job, Haus, kein Partner, lustloser Partner, irgendwann dann, jetzt muss ich noch – und so weiter und so fort. Die Leute bringen mich mit dieser Aussage leider unwissend in eine ganz komische Lage. Soll ich dir jetzt sagen, dass es mir unglaublich leid tut? Oder versuchen dich zu motivieren, in Lösungen zu denken und nicht in Problemen? Die Wahrheit ist: Diese Reise war vor einiger Zeit auch für uns eine sprichwörtliche Schnapsidee. Aber wir haben vieles daran gesetzt, dass sie möglich wird – das ist uns nicht zugeflogen. Bitte mach nicht, dass ich mich jetzt schlecht fühlen muss, weil du deine Träume nicht verwirklichst. 

4. „Geht ihr euch da nicht auf den Sack?“

Du gehst mir mit dieser Frage momentan mehr auf den Sack. 

5. „Wie kannst du dir das überhaupt leisten? Wie viel Geld nehmt ihr mit? IST DAS NICHT MEEEGA TEUER?“

Wir haben gespart. Das Leben hier in Zürich ist ca. vier- bis hundertmal teurer. Und den VW-Bus zu verschiffen, kostet nicht so viel, wie du denkst (wir bezahlen an die US-Westküste 2.500 Euro, an die Ostküste wäre es noch viel günstiger).

6. Hast du dann nicht eine Lücke im Lebenslauf?

Doch! Aber wenn das mein größtes Problem wäre, wäre mir die Idee dieser Reise wohl niemals gekommen. Frage dich selbst: Lückenloser CV oder Tacos in Mexiko? Lückenloser CV oder jeden Tag selber entscheiden? Lückenloser CV oder auf dem Weg vielleicht eine Betätigung finden, die keinen CV mehr benötigt?

7. „Ich könnte das ja nicht, weil…“

Auch hier lässt sich Beliebiges einfügen: kein Spanisch, nicht der Typ dazu, Familie und Freunde zu wichtig, zu heiss dort. Ich finde es echt toll, dass du ganz genau weisst, was du nicht willst. Aber was soll ich dazu sagen? Ja hast recht, jetzt wo ich es mir überlege: Ich sollte wohl doch nicht gehen.

8. „Ist Honduras/Kolumbien/Mexiko nicht mega gefährlich?! Ich hab da mal einen Dokumentarfilm gesehen!“

Doch! Darum mach dich gefasst darauf, dass wir uns nie wieder sehen! Ich zitiere hierzu sehr gerne meinen guten Jugendfreund Paulo Coelho: “If you think adventure is dangerous, try routine, it’s lethal.”

9. „Was machst du dann mit deiner Wohnung/den Möbeln? Ist doch schade!“

Ja, es ist schade. Aber noch mehr schade wäre es, diese Reise wegen einer Wohnung und einem Sofa nicht zu machen. 

10. „Und wenn du zurück bist? Was ist dann?“

Das will ich erst wissen, wenn ich zurück bin. Darum gehe ich ja weg. Wenn ich es schon wüsste, müsste ich das vielleicht gar nicht mehr. Wie gesagt: momentan gilt Freiheit über (langfristige finanzielle) Sicherheit.

11. „So lange Urlaub machen… also mir ist schon nach zwei Wochen langsam langweilig.”

Cool. 

Im Feedback-Kurs habe ich gelernt, dass man auch immer Positives hervorheben soll. Darum hier meine absolute Lieblingsfrage:

12. „So geil! Kann ich euch besuchen?“

….

Dieser Text erschien auch auf vanabundos.com. Wir freuen uns, das wir ihn auch hier veröffentlichen können.

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