Foto: CDU | Laurence Chaperon

Angela Merkel besetzt die CDU-Spitze mit vier weiteren Frauen – ein feministischer Gewinn?

Vier Frauen hat Angela Merkel in der vergangen Woche an die Spitze der CDU in der kommenden Legislaturperiode gesetzt. Aber bedeutet das auch einen Gewinn für feministische Themen? Das fragt sich unsere Volontärin Helen in ihrer Kolumne „Ist das euer Ernst?”.

5 Frauen an der Spitze

Am 25. Februar hat Angela Merkel ihre CDU-Ministerinnen und –Minister einer möglichen Großen Koalition offiziell benannt. Und das Unglaubliche ist passiert: Merkel hat tatsächlich neben drei Männern ebenso drei Frauen nominiert – und damit ein ausgeglichenes Team seitens der CDU aufgestellt: Ursula von der Leyen soll Verteidigungsministerin bleiben, Julia Klöckner Landwirtschaftsministerin werden und die bisher weithin unbekannte Anja Karliczek Bundesministerin für Bildung und Forschung. Darüber hinaus sollte  – und das wurde am Montag auf einem außerordentlichen Parteitag auch bestätigt – Annegret Kramp-Karrenbauer neue Generalsekretärin werden. Der Frankfurter Allgemeinen fiel dann bezüglich der Kandidatinnen nichts Besseres ein, als ein Bild vier der Frauen (Merkel, Kramp-Karrenbauer, Klöckner und von der Leyen) mit: „Weil ich ein Mädchen bin” zu untertiteln. So weit, so sexistisch.

Bei einem Frauenanteil von gerade einmal 30,6 Prozent im neugewählten Bundestag (und damit fünf Prozent weniger als in der vergangenen Legislaturperiode) ist die Nominierung dieser Frauen ein wichtiges Zeichen der Kanzlerin für Gleichberechtigung – egal, ob das von ihr auch so beabsichtigt war. Aber wie stehen vor allem die neuen Frauen in der ersten Reihe zu frauenpolitischen, feministischen Themen? Ist ihre Nominierung wirklich ein Grund zur Freude?

Stammtisch-Helden, Paragraf 219a und die Ehe für Alle

Die traurige Wahrheit: nein. Beispiele gefällig? Annegret Kramp-Karrenbauer setzt sich zwar für die Einführung einer Frauenquote ein, verglich die „Ehe für Alle” mit einer Ehe zwischen nahen Verwandten. Ihre „Angst”: die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare könnte die Forderung nach Viel-Ehen und Geschwisterehen nach sich ziehen. Und an dieser Behauptung hält sie auch als neue Generalsekretärin fest. In ihrer Rede zu ihrer Wahl als Generalsekretärin dankte sie „den stillen Helden an den Stammtischen” und kündigte an, alle Wurzeln der CDU zu bespielen, um als Partei in Zukunft stark sein zu können. Was diese Wurzeln bedeuten? Keine Abschaffung des Paragraphen 219a (der Ärztinnen und Ärzten verbietet auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren) und damit erst Recht keine Abschaffung des Paragraphen 218 (der Abtreibungen illegalisiert).

Auf die Wurzeln besinnen heißt wohl insgesamt, eine Politik zu machen, mit der man die Wählerinnen und Wähler, die man an die AfD verloren hat, zurückgewinnen kann. Da sind sie wieder, die „Helden der Stammtische”. Insgesamt vertritt Kramp-Karrenbauer ein konservatives Familien- und Frauenbild, das wenig Hoffnung für Alleinerziehende, junge Frauen und feministische Politik macht. Der Schutz des „ungeborenen Lebens” geht auch ihr immer über den Schutz von Schwangeren.

Eine Bildungsministerin, die keine Studien kennt

Viele Diskussionen gab es auch um die einzige richtige Überraschung auf Merkels Liste: Anja Karliczek. Die Frage: Kann eine Politikerin, die beruflich weder aus dem Schul-, noch aus dem Hochschulbetrieb kommt, eine gute Ministerin für Bildung und Forschung werden? Das Problem ist allerdings nicht eine Bildungsministerin, die selbst nur an einer Fern-Universität studiert hat, die weder den schulischen, noch den universitären Alltag beruflich durchlebt hat, die keine Akademikerin ist. Das Problem ist eine Bildungsministerin, die glaubt, dass Kinder, die bei Eltern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, aufwachsen, einen Schaden erleiden. Die im 21. Jahrhundert tatsächlich noch laut ausspricht, dass sie glaubt, dass es für Kinder wichtig ist, das „emotionale Spannungsfeld zwischen Vater und Mutter zu erleben.” Eine zukünftige Bildungsministerin, die ignoriert, dass es Langzeitstudien zu den vermeintlichen Auswirkungen auf Kinder in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt und Kinder in queeren Familien sich genauso gut entwickeln wie Kinder von heterosexuellen Paaren. Auch sie vertritt also ein konservatives, rückwärtsgewandtes Geschlechterbild, das aber gerade in Bildung und Forschung nichts mehr zu suchen hat.

Vorwärts oder rückwärts?

Und garniert wird das ganze schließlich noch mit einem designierten Gesundheitsminister, der glaubt, dass Frauen die Pille danach wie Smarties einnehmen, wenn man sie nur lässt. Und einer Landwirtschaftsministerin, die 2016 einen Gruß an den „Marsch fürs Leben” sendete. „Der Marsch des Lebens” ist eine jährlich stattfindende Demonstration von Abtreibungsgegnern, die sich selbst als „Lebensschützer” bezeichnen. Das „zu schützende” Leben ist dabei allerdings nie, wie Margarete Stokowski es so treffend auf den Punkt bringt, das einer schwangeren Person. Julia Klöckner beendete ihren Gruß mit den Worten: „Großes Dankeschön dafür! Die jährlich hohe Teilnehmerzahl zeigt: Viele Menschen sind bereit, ihre Überzeugung öffentlich kund zu tun und dafür einzustehen – das ist prima.” Ihr großes Dankeschön geht an Menschen, die Schwangere, die abtreiben stigmatisieren und öffentlich anprangern. Die Ärztinnen und Ärzte verklagen, die ihrer Informationspflicht nachkommen. An Menschen, die ihre Webseiten gegen Abtreibungen „Babycaust” nennen.

Das einzige frauenpolitische Anliegen, das Klöckner immer wieder fordert, ist ein Burka- und Niqab-Verbot für Deutschland, das eine sehr kleine, aber dennoch existente Frauengruppe in unserem Land eventuell sogar weiter ausgrenzen würde. „Rot-grünen Feministinnen” wirft die Politikerin Ignoranz vor. Diese setzten sich für gendergerechte Sprache ein, aber sie schwiegen, zur Rolle der Frau in arabisch-patriarchalischen Familien in Deutschland. Was sie jedoch damit zeigt: Sie nimmt feministische Diskurse in Deutschland nur selektiv wahr und versucht die Bewegungen als „Gedöns um Sprache“ zu diskreditieren. Für das breite Spektrum feministischer Anliegen reicht ihr Interesse nicht aus.

Das, was da gerade also als Verjüngung (die jüngste Frau ist Karliczek mit 47 Jahren und der jüngste Mann, Jens Spahn ist zwar im Pass erst 37, im Herzen aber ein alter, weißer Mann, der nicht möchte, dass in Berliner Cafés Englisch gesprochen wird), als Aufbruch der CDU gefeiert wird, ist aus feministischer Perspektive am hoffnungsvollsten als Stillstand zu bewerten. Mit einer Generalsekretärin und möglichen nächsten Kanzlerkandidatin, die die Wurzeln der Partei besingt, um die AfD-Wähler (zurück) zu gewinnen, ist es aber vielleicht sehr viel besorgniserregender. Umso wichtiger sind gerade weibliche Gegenstimmen, damit sich die Politik eben doch vorwärts und nicht rückwärts bewegt.

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