Foto: Peter Rosbjerg I Flickr I CC BY-ND 2.0

Jetzt auch in deiner Apotheke: Die „Pille danach“ ist endlich rezeptfrei

Die Sorge, dass Notfallverhütung nun von vielen öfter genutzt wird, ist unbegründet, schürt aber Vorurteile gegenüber jungen Frauen.

 

16/03/2015

Fortschritt dank EU

Nicht die Bundesregierung hat in diesem Jahr den größten politischen Fortschritt für Frauen errungen, es ist die EU-Kommission. Sie hat die „Pille danach“ von der Rezeptpflicht befreit, so dass sie ab sofort auch in deutschen Apotheken ohne vorherigen Arztbesuch erhältlich ist. Von dieser Regelung profitieren deutlich mehr Frauen und Mädchen als von der Quote für Aufsichtsräte. Die „Pille danach“ kann ungewollte Schwangerschaften verhindern, wenn sie früh genug genommen wird. Mit dem Wegfall der Rezeptpflicht wird dies nun leichter. Dass Frauen selbst darüber entscheiden können, ob und wann sie ein Kind bekommen möchten, ist ein wesentliches Merkmal gleichberechtigter Gesellschaften.

Ohne die EU-Kommission wäre die Freigabe des Notfallverhütungsmittels in dieser Legislatur nicht geschehen. Der CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe musste sich nun der europäischen Entscheidung beugen. Bei den reproduktiven Rechten wollte die deutsche Politik nicht fortschrittlich sein. Deutschland ist nun eines der letzten EU-Länder, in dem die Pille danach in Apotheken ohne Rezept erhältlich sein wird.

Lieber einmal Übelkeit, als einmal abtreiben

Die „Pille danach“ ist ein sicheres Medikament mit überschaubaren Nebenwirkungen. Diese jedoch waren es, die Gesundheitspolitiker immer wieder ins Feld geführt hatten, um die Freigabe der Pille abzulehnen. Doch die Idee, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Zyklusstörungen als ernsthafte Nebenwirkungen zu bezeichnen, stößt bei vielen Frauen auf ein amüsiertes Lachen. Die meisten von uns kennen diese Wehwehchen seit der ersten Regelblutung, bei PMS oder auch von Schwangerschaften. Die Verhinderungsversuche aus dem konservativen Lager haben sowohl Frauen als dumm verkaufen wollen und ihnen die Fähigkeit verantwortungsvolle und gut informierte Entscheidungen zu treffen abgesprochen, als auch Mitarbeiter in Apotheken diskreditiert. Besteht wirklich Zweifel daran, dass Menschen mit einem akademischen Abschluss in Pharmazie fundiert zur „Pille danach“ beraten können?

Abstruser wurde die Argumentation dann in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Der Autor Markus Günther schreibt in seinem Plädoyer gegen die Freigabe, das Interesse der Apotheker sei wirtschaftlich getrieben, denn sie dürften nun besonders an den Wochenenden höhere Umsätze erwarten. Er schließt sich damit dem CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn an, der befürchtet hatte, die „Pille danach“ würde nach der Freigabe eingenommen „wie Smarties“. Ein Bild, das Frauen belehren will, als seien sie unmündige Kinder, ohne einen Funken Verantwortung. Doch die Befürchtung, ein Notfallverhütungsmittel würde nun zu einer Standardverhütungsmethode, ist nicht nur herablassend, sie ist außerdem realitätsfremd: Bei Kosten, die pro Pille bei 18 bis 35 Euro liegen, dürften gerade Mädchen und junge Frauen sich das Medikament weder regelmäßig leisten können noch wollen. Die „Pille danach“ bewahrt sie jedoch vor der weitaus größeren finanziellen und psychischen Belastung, die ein etwaiger Schwangerschaftsabbruch mit sich bringen würde.

Verhütungspannen passieren jedem

Die Freigabe der „Pille danach“ weiter zu diskutieren ist müßig. Es ist ein Fortschritt für all diejenigen, denen nach einem Unfall beim Sex der Schreck in den Knochen steckt. Wem noch nie ein Kondom geplatzt ist, der werfe jetzt gern das erste Smartie. Denn Verhütungspannen passieren nicht nur Teenagern am Wochenende, sie passieren montags und mittwochs, sie passieren Trans-Männern, Menschen, die schon Kinder haben, und sogar in Ehen. Die „Pille danach“ ist damit eines ganz sicher nicht: ein „Lifestyle-Medikament“.

Und wie weiter? In Sachen Verhütung und reproduktive Rechte gibt es immer etwas zu tun. Sei es den Schwangerschaftsabbruch endlich vollständig aus dem StGB zu nehmen und zu einer normalen Gesundheitsleistung zu machen, die Kosten für Verhütung insbesondere für Hartz-IV-Empfänger zu übernehmen, wie es einzelne Städte schon tun, oder die „Pille für den Mann” Wirklichkeit werden zu lassen. Da Gesundheitspolitik in der aktuellen Regierung vor allem von Männern gemacht wird, wäre das doch endlich mal ein passendes Thema.

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