Foto: Bundesregierung / Steins

Das Wahlprogramm von CDU/CSU: Arme gehen leider leer aus

Weniger Steuern, mehr Arbeit, mehr Wohlstand: Das klingt gut, doch für Menschen, die wenig haben, hat das Wahlprogramm von CDU und CSU kaum etwas zu bieten.

Was verspricht das Wahlprogramm der Union?

CDU und CSU werden heute ihr Wahlprogramm vorstellen. Katharina Schuler, Redakteurin bei unserem Partner Zeit Online, kommentiert das Programm im Hinblick auf arme Menschen.

Als Angela Merkel im vergangenen November ihre erneute Kanzlerkandidatur ankündigte, haben ihre Vertrauten vielfach durchblicken lassen, dass es diesmal mit der Person allein im Wahlkampf nicht getan sei. Man brauche auch eine „Erzählung“, mit der man begründen könne, warum Merkel das Land weitere vier Jahre regieren soll. Wer nun gehofft hat, das Wahlprogramm, das CDU und CSU an diesem Montag vorstellen wollen, werde diese Erzählung liefern, der sieht sich – nach allem, was bisher bekannt ist – allerdings getäuscht.

Herausgekommen ist vielmehr eine lange Liste mehr oder weniger üppiger Versprechungen, die möglichst viele Menschen entlasten, aber niemanden belasten sollen. „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“, so lautet der Wahlslogan der Union, und er verspricht im Wesentlichen, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Nur besser kann es natürlich immer noch werden.

Die CSU und der Wirtschaftsflügel der Union haben dafür gesorgt, dass manches Versprechen sogar noch deutlich großzügiger ausfällt, als es der knausrige Finanzminister Wolfgang Schäuble – wohl auch aus taktischen Gründen – seiner Partei zunächst zugestehen wollte. Zu den von ihm angepeilten Entlastungen bei der Einkommenssteuer von 15 Milliarden Euro kommen weitere Milliarden für höhere Kinderfreibeträge und eine Erhöhung des Kindergelds. Außerdem ist der Einstieg in den Abbau des Solidaritätszuschlags sowie die steuerliche Förderung von Unternehmen beschlossen. Die CSU wäre gerade beim Thema Solidaritätszuschlag gern noch weiter gegangen.

Auf der anderen Seite hat die CDU manche unsinnige Forderung der CSU abgewehrt, etwa den Ausbau der Mütterrente, die nachweislich kein zielgerichtetes Instrument zur Bekämpfung von Altersarmut ist. Sie soll nun nur noch im CSU-eigenen Bayernplan auftauchen.

Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft

Bei der Obergrenze für Flüchtlinge wird man dagegen erst noch sehen müssen, wer sich am Ende durchsetzt. Schließlich macht CSU-Chef Horst Seehofer diese weiterhin zu einer Bedingung für seine Beteiligung an einer künftigen Bundesregierung, während Merkel sie ablehnt.

Positiv ist der Kompromiss, den man bei dem Streit um die doppelte Staatsbürgerschaft nun offenbar gefunden hat. Statt die von der großen Koalition erst in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene Abschaffung des Optionszwanges einfach wieder rückgängig zu machen, soll dem Vernehmen nach ein Generationenschnitt dafür sorgen, dass die doppelte Staatsbürgerschaft nicht immer weiter vererbt wird. Das ist eine vernünftige und den Migranten zumutbare Lösung: Wer in dritter oder vierter Generation in Deutschland lebt, muss nicht mehr über die Staatsbürgerschaft seiner Groß- oder Urgroßeltern verfügen.

Ohnehin ist gegen die Grundlinien dieses Programms wenig zu sagen: Wer kann schon etwas dagegen haben, dass die Mittelschicht entlastet wird und Familien gefördert werden? Die SPD will im Grunde das Gleiche. Den klassischen Unionswählern werden zudem die Versprechen zur Inneren Sicherheit gefallen: Mit mehr Polizisten sollen die Sicherheitsbehörden des Bundes gestärkt werden. Auch die Verteidigungsausgaben will die Union erhöhen, im gleichen Ausmaß sollen allerdings auch die Entwicklungsausgaben steigen. Dahinter steckt die Einsicht, dass äußere Sicherheit eben nicht nur mit militärischen Mitteln zu erreichen ist. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der sich gegen einen Anstieg der Rüstungsausgaben wendet, dürfte das den Angriff erschweren.

Was dem Programm fehlt

Und trotzdem hat das Programm eine Schlagseite. Die Klientel, an die CDU und CSU sich wenden, das ist eben die Mittelschicht und alle darüber. Für die, denen es wirklich schlecht geht, gibt es jenseits der Kindergelderhöhung kaum ein Angebot. Denn wer wenig oder keine Steuern zahlt, dem helfen eben keine Steuererleichterungen. Auch das geplante Bausparkindergeld oder der Wegfall der Grunderwerbssteuer beim Eigenheimkauf sind eine Förderung für Menschen, die immerhin so wohlhabend sind, dass sie überhaupt über den Kauf einer Immobilie nachdenken können. Allen anderen ist damit nicht gedient.

Und anders als die SPD will die Union Menschen, die sehr gut verdienen, auch nicht stärker belasten. Auch sie werden also von den Steuererleichterungen profitieren, obwohl es andere in der Gesellschaft gäbe, die Unterstützung wahrlich nötiger hätten.

Versprechen Vollbeschäftigung statt Rentenkonzept

Statt eines Rentenkonzepts verspricht die Union für Vollbeschäftigung zu sorgen, praktischerweise allerdings erst für das Ende der übernächsten Legislaturperiode. Merkel selbst wird sich an der Umsetzung dieses Versprechens also nicht mehr messen lassen müssen. Natürlich ist es richtig, dass nichts die Rente so sehr sichert wie eine gute wirtschaftliche Entwicklung und eine möglichst niedrige Arbeitslosigkeit. Doch was, wenn daraus nichts wird? Und was ist mit all denen, deren Risiko, im Alter arm zu sein, schon jetzt hoch ist, weil sie den größten Teil ihrer prekären Erwerbsbiografie bereits hinter sich haben?

Die Wähler sollten sich bei dessen Lektüre – wie bei jedem anderen Programm – nicht nur fragen, was drin steht, sondern auch, was fehlt. Erst dann ergibt sich ein vollständiger Eindruck.

Dieser Text ist zuerst auf Zeit Online erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

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