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Did you know? Über Schmerzen beim Sex, Periode und Untersuchungen

Was wissen wir alles über unseren eigenen Körper? Manchmal ist es, gerade bei jungen Frauen, doch sehr viel weniger als man eigentlich denkt – ganz besonders, wenn vermeintliche Tabuthemen dazu beitragen, dass wir uns nicht offen miteinander austauschen.

Von Wissenslücken, Klischees und Fakten

Was wissen wir eigentlich wirklich über unseren Körper, wo gibt es Lücken und was sind einfach nur Klischees? Etwa jenes, dass Frauen so viel sensibler als Männer sein sollen? Nun, Frauen sind aufgrund ihres Hormon-Levels tatsächlich mehrheitlich schmerzempfindlicher als Männer. Während Testosteron, von dem Männer meist mehr produzieren, die Schmerzempfindlichkeit senkt, wird es von Östrogen, das bei Frauen meist höher konzentriert ist, hingegen gesteigert. So kann es sein, dass eine Frau ein Wirken auf ihren Körper schmerzhafter empfindet als ein Mann in einer ähnlichen Situation. Auf düstere Weise interessant ist aber dann doch, dass Schmerzen bei Frauen dennoch häufig weniger ernst genommen werden, was tatsächlich ein medizinische Risiko für sie bedeutet, denn das kann eben auch zu Fehldiagnosen führen.

Wichtig ist also, sich selbst sehr ernst zu nehmen, wenn Schmerzen auftreten – ganz egal wo es weh tut. Achtet auf euch und sucht eine*n Ärzt*in auf sobald ihr nicht wisst woher die Schmerzen kommen, sie über einen längeren Zeitraum auftreten oder euch in eurem Alltag einschränken. Aber wo treten häufig Schmerzen auf und warum? Hier ein paar Beispiele:

Schmerzen während der Menstruation

Ein wiederkehrender Schmerz, der bei jeder unterschiedlich stark ist und unterschiedliche Mittel helfen, ist der während der Menstruation. In dieser Zeit lösen sich die oberen Schichten der Gebärmutterschleimhaut ab und kann es zu Krämpfen kommen, die unterschiedlich stark oder schwach sein können. Manche Menstruierende spüren sie kaum, andere haben sehr starke Schmerzen (die in ihrer Intensität sogar den Schmerzen bei einem Herzinfarkt gleichen können). Ist es ein leichter Krampf, helfen dagegen oft die bekannten Hausmittel wie Wärmflaschen, Tees, Schmerzmittel oder Entspannung und Ruhe.

Manchmal helfen diese Mittel aber eben nicht und der Schmerz kann den Alltag stark beeinflussen. Woher kommt der unerträgliche Schmerz? Hängt er noch mit der Periode zusammen oder steckt mehr dahinter? Eine mögliche Verursache des Schmerzes, die nichts mit der Menstruation zu tun hat, kann zum Beispiel Endometriose sein. Ein Merkmal davon sind starke Schmerzen während, aber auch außerhalb der Periode.

Endometriose

Endometriose ist eine der häufigsten und gleichzeitig eine der am wenigsten bekannten Krankheiten bei Frauen. Bei der Krankheit treten Zysten und Entzündungen an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell auf. Die sogenannten Endometrioseherde können mit dem hormonellen Zyklus wachsen und bluten. Die Krankheit kann sich ganz unterschiedlich äußern, wie zum Beispiel in Schmerzen während oder außerhalb der Periode, beim Geschlechtsverkehr, beim Stuhlgang oder Wasserlassen. Hinzukommen können Begleitsymptome wie Blasen- oder Darmbeschwerden, Schmierblutungen, Schwindel, Kopf- oder Rückenschmerzen.

Aufgrund dieser vielfältigen Symptome und dem Unwissen vieler Ärzt*innen auf diesem Gebiet, wird die Krankheit im Schnitt erst nach sechs Jahren diagnostiziert. Sie ist die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung und schätzungsweise gibt es 30.000 Neuerkrankungen jährlich.

Falls Ärzt*innen euch Behandlungsmöglichkeiten für starke Unterleibsschmerzen verschreiben und ihr keine Besserung merkt, dann habt keine Scheu, euch eine zweite Meinung einzuholen. Beispielsweise könnt ihr euch in Endometriose-Zentren von Expert*innen auf diesem Gebiet untersuchen lassen. Ihnen stehen spezielle Untersuchungsmöglichkeiten zur Verfügung, um die Krankheit zu erkennen oder auszuschließen.

Umgang mit Endometriose

Symptome und Verlauf der Krankheit können bei erkrankten Person ganz unterschiedlich sein. Genauso unterschiedlich sieht auch die Behandlung der Krankheit aus. Bisher gibt es noch keine Methode, die die Krankheit vollends heilt, sondern nur Möglichkeiten, um die Schmerzen zu lindern.

Die Behandlung kann bei Betroffenen stark variieren und ist von ihrer Situation abhängig. Zur Schmerzlinderung können Beispielsweise Hormone oder Schmerzmittel genommen werden. Auch eine Operation ist möglich, bei der die Endometrioseherde entfernt werden. Hier ist die Wahrscheinlichkeit allerdings sehr hoch, dass sich nach ein paar Jahren die Herde wieder bilden. Martina Liel, Ärztin und Betroffene von Endometriose, hat die individuelle Erfahrung gemacht, dass eine Ernährungsumstellung und der Verzicht auf Zucker und Weizen geholfen, um die schlimmsten Schmerzen zu lindern. Aber das ist eben eine Einzelerfahrung, die nicht für jede*n die gleiche Wirkung haben muss.

Es ist wichtig, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, ob betroffen oder nicht. Und deshalb ist es so problematisch, dass die Periode nach wie vor ein Tabuthema ist und das Sprechen darüber Scham auslöst, gerade bei jungen Frauen. Aber wenn nicht darüber gesprochen wird, woher sollen sie wissen, dass mehr als der „normale“ Regelschmerz dahinter stecken könnte? Das Tabu könnte ein Grund dafür sein, dass junge Frauen Endometriose nicht kennen. Es ist also wichtig, die Gespräche darüber in Gang zu bringen, am laufen zu halten und noch sehr viel besser über den weiblichen Körper aufzuklären. Nur so kann man seine eigenen Beschwerden besser einordnen und entsprechend handeln.

Schmerzen beim Sex

Sex sollte nicht weh tun. Nie. Weder beim ersten Mal, noch beim hundertsten Mal. Und wenn ihr dennoch Schmerzen habt, diese aber ignoriert oder selbst kleinredet, weil euch das unangenehm ist, könnte es passieren, dass er schlimmer wird und sich das auch irgendwann seelisch auswirkt. Viele Lösungen dafür können schon ganz einfach sein und die wohl simpelste ist: Reden. Redet mit eurer*m Partner*in, Freund*innen oder Ärzt*innen und erzählt von euren Schmerzen.

Sie können unterschiedliche Ursachen haben. Beispielsweise kann der Schmerz hormoneller Natur und dadurch nur phasenweise sein, das heißt zum Beispiel kurz vor eurer Periode, nach einer Schwangerschaft oder während den Wechseljahren verändert sich der Hormonhaushalt. Andere Ursachen können körperlich oder psychisch sein.

Körperliche Ursachen

Unter körperliche Ursachen fallen zum Beispiel eine zu trockene Vagina, weil ihr nicht erregt oder noch nicht erregt genug seid, eine verspannte Körperhaltung, schmerzende Stellungen oder zu schneller und langer Sex. Sprecht darüber, es ist überhaupt nicht peinlich und es geht vor allem auf Kosten von eurer eigenen Lust!

Sagt, dass ihr ein längeres oder ein anderes Vorspiel braucht, weil eure Vagina noch zu trocken ist. Eine feuchte Vagina verhindert nicht nur Schmerzen, sondern steigert die Vorfreude und das intensive Gefühl für euch sowie eure*n Partner*in. Dafür gibt es auch Gleitgel, denn auch in den verschiedenen Zyklusphasen produziert der Körper mal mehr, mal weniger eigene Feuchtigkeit.

Es kann sein, dass bestimmte Stellungen für euch unangenehm sind und es lohnt sich neue auszuprobieren – so bleiben dann nicht nur die Schmerzen aus, sondern vielleicht entdeckt ihr auch ganz neue Vorlieben. Außerdem bedeuten schnelle und heftige Bewegungen nicht gleich guten Sex. Ganz im Gegenteil, kann hier die Vagina nicht mehr mit der Produktion von Flüssigkeit hinterherkommen und das schöne Gefühl verflüchtigt sich. Daher ist es auch immer, absolut immer okay, Sex abzubrechen, wenn man sich nicht wohl fühlt. Neben Reden hilft es auch, sich mit sich selbst zu beschäftigen und sich Gedanken zu machen: Was finde ich sehr schön? Was gefällt mir überhaupt nicht?

Natürlich gibt es auch körperliche Ursachen, die nicht gelöst sind durch ein ehrliches Gespräch mit eurer*m Partner*in oder Freundinnen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Hier ist es wichtig, dass ihr eine Praxis aufsucht und euch untersuchen lasst. Es kann medizinische Erklärungen dafür geben, warum ihr beim Sex Schmerzen habt.

Psychische Ursachen

Neben den körperlichen Ursachen kann der Schmerz auch daher kommen, dass euch psychisch etwas belastet. Das heißt, ihr habt schlechte Erfahrungen eventuell nicht verarbeitet oder vielleicht sogar ein Trauma nicht überwunden, welches nun euer Sexleben beeinflusst. Die Ursachen findet man, indem man auch hier wieder seine Schmerzen ernst nimmt und ihren möglichen Ursprüngen nachgeht.

Ein Krankheitsbild, welches negative Erfahrungen oder Traumata beinhaltet, heißt Genito-Pelviner-Schmerz-Penetrationsstörung (GPSPS). Merkmale sind, dass das Einführen von Penis, Fingern oder eines Tampons sehr schmerzt. Gründe hierfür können ganz unterschiedlich sein. Beispielsweise kann das Thema Sex in der Kindheit tabuisiert worden sein, man hat vielleicht ein negatives Körperbild entwickelt oder durchlebte schmerzhafte Situationen. Die negativen Erfahrungen verursachen die Schmerzen beim Sex, die Schmerzen verursachen Angst und diese wiederum verhindern es, positive Erfahrungen zu machen – es entsteht vielleicht ein Teufelskreis, der dann nur schwer zu durchbrechen ist.

Psychologin Anna-Carlotta Zarski von der Universität Erlangen erforscht GPSPS und Möglichkeiten wie Frauen wieder ohne Schmerz Sex haben können. In einem Selbsthilfe-Training werden Strategien zu Entspannungsübungen oder Verbesserungen im Umgang mit negativen Gedanken und Gefühlen vermittelt.

Schmerzen bei Untersuchungen

Oft bekommt man den Tipp, so wie auch hier, man solle zu einer*m Gynäkolog*in gehen. Doch der Gang dahin, um den eigentlichen Schmerz zu untersuchen, kann für manche schon eine Hürde sein, da auch Routine-Untersuchungen schon weh tun können, wenn man zu verspannt ist. Vielleicht merkt ihr nicht, dass ihr verkrampft seid, denn unsere Beckenbodenmuskeln nehmen wir kaum wahr und (ent)spannen sie unbewusst.

Durch eine einfache Übung könnt ihr ein Gefühl für sie bekommen: Stellt euch vor, ihr haltet euren Urinstrahl zurück und lasst ihn dann wieder laufen. Das Gefühl beziehungsweise die Muskeln, die ihr hierbei spürt, sind die gleichen, welche ihr locker lassen müsst. Kippt dazu noch während der Untersuchung euer Becken nach vorn, anstelle eines Hohlkreuzes, und es sollte wesentlich angenehmer sein. Und wie immer: Falls ihr es vor Schmerzen nicht mehr aushaltet, dann könnt ihr sagen, dass die Untersuchung abgebrochen werden soll und erklären, wann es wo weh tut.

Auch in Gedanken könnt ihr euch besser auf Ärzt*innenbesuche vorbereiten, um entspannter zu sein: Macht euch zu Hause schon Notizen, welche Probleme ihr ansprechen wollt und welche Fragen ihr habt. Auch während der Sprechstunde hilft es, mitzuschreiben, um sich daheim noch an alles zu erinnern zu können. Falls ihr zu schüchtern seid oder euch manche Fragen vielleicht doof vorkommen – was sie auf keinen Fall sind – nehmt eine Vertrauensperson mit, die euch unterstützt. Es kann auch hilfreich sein, eine eigene Krankenakte zu führen in der ihr alles notiert, alle Unterlagen sowie Diagnosen sammelt, die ihr bisher bekommen habt.

Hört auf euren Körper

Niemand muss Schmerzen aushalten. Es ist wichtig, auf seinen Körper zu hören und ihn ernst zu nehmen, denn niemand ist zu sensibel. Seid lieber neugierig über euren eigenen Körper, fragt doppelt nach, lasst euch von niemandem erzählen, dass ihr etwas aushalten müsst, denn was ihr empfindet ist real und kann euch niemand weg reden.

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