In der Debatte um den umstrittenen Paragrafen 219a heißt es oft, dass eine Abtreibung eine der schwersten Entscheidungen im Leben einer Schwangeren sei. Dabei wird vergessen, dass es um ein Menschenrecht geht, für das sich niemand rechtfertigen muss: Selbstbestimmung.
Paragraf 219a und das Recht auf Selbstbestimmung
Die Diskussion um Paragraf 219a geht weiter. Die neue Familienministerin Franziska Giffey machte am Wochenende deutlich, dass sie weiterhin für eine Änderung des Paragrafen einstehe und das letzte Wort mit der Union noch nicht gesprochen sei. Und Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich klar für eine Beibehaltung des Gesetzes ausgesprochen hatte, möchte nun zumindest mit Ärzten darüber sprechen, ob es womöglich doch eventuell, ganz vielleicht, ein Informationsdefizit für Menschen, die eine Schwangerschaft beenden möchten, geben könnte. Sofern sich diese Frauen „in einer schwierigen persönlichen Lage befinden.”
Und genau über diese Frauen wurde in den letzten Wochen der Debatte um das sogenannte „Werbeverbot”, das in Wirklichkeit aber ein Informationsverbot für Abtreibungen ist, gesprochen. Zurecht wurde auf die Mängel im System aufmerksam gemacht, die Schwangere, vor allem wenn sie ein mögliches Kind voraussichtlich alleine großziehen werden, vor enorme Existenzängste stellen können. Ein System, das Familien und Alleinerziehende benachteiligt (die vielfältigen Gründe, die zu einer Entscheidung für einen Abbruch führen können, findet ihr zum Beispiel in diesem Beitrag unserer Chefredakteurin Teresa Bücker sehr gut aufgeschlüsselt). Immer wieder wird betont, dass keine Schwangere „leichtfertig” abtreibt, dass es womöglich die schwerste Entscheidung ihres Lebens sei und dass sie deshalb den bestmöglichen Zugang zu Informationen bekommen sollte. So weit, so richtig.
Eine Abtreibung muss kein traumatisches Erlebnis sein
Was aber, wenn die Entscheidung für einen Abbruch gar nicht die schwerste Entscheidung des Lebens ist? Und was, wenn diese Person sich gegen eine Schwangerschaft entscheidet, ganz ohne ökonomischen, psychologischen oder gesellschaftlichen Druck? Was, wenn sie sich schlicht zu jung für eine Schwangerschaft fühlt? Wenn sie gerade (oder nie) ein Kind möchte? Wenn sie und ihr Partner (!) unachtsam waren und nun ganz sachlich eine Entscheidung gegen eine Schwangerschaft getroffen haben?
Ja, auch diese Schwangeren haben ein Recht auf Informationen und auf eine Abtreibung. Und auch deshalb muss der Paragraf 219a abgeschafft werden: Damit jede Schwangere ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen kann. Es ist wichtig, dass wir über all die ökonomischen, gesellschaftlichen und gesetzlichen Voraussetzungen sprechen, die eine Schwangere dazu veranlassen können, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden. Es muss Platz sein für diese Geschichten über die schwierige Entscheidung, die ein Schwangerschaftsabbruch sein kann. Platz muss aber auch für die Personen sein, die einfach nur eine reflektierte, selbstbestimmte Entscheidung über ihren eigenen Körper treffen wollen. Die Selbstbestimmung all dieser Frauen darf kein als „Werbeverbot” getarntes Informationsverbot verhindern.
Schwangerschaftsabbrüche verhindert dieses Informationsverbot nicht, und Paragraf 218, der Abtreibungen rechtswidrig und lediglich unter bestimmten Umständen straffrei macht, sowieso nicht. Einem Werbeverbot ist jeder Arzt und jede Ärztin sowieso verpflichtet. Diese Gesetze machen Abbrüche lediglich schwieriger und unwürdiger – für jede Schwangere.
Mehr bei EDITION F
Veganerinnen treiben gerne ab? Jens Spahns befremdlicher Blick auf das Informationsrecht von Schwangeren. Weiterlesen
Eine Abtreibung ist deine Entscheidung, deine allein. Weiterlesen
„Mein Leben darf wichtiger sein als das werdende Leben“ – eine Fotografin dokumentiert ihre Abtreibung. Weiterlesen