Foto: Tim Whright | unsplash

Die Welt bricht zusammen und alle machen nur Yoga

Politisches Desinteresse und auch noch öffentlich dazu stehen? Das ist wirklich ein absolutes No-Go! Runter von den Yogamatten und rein in die Realität, ihr Ignoranten.

Generation Y mag es angenehm

Dass die Generation Y ein gespaltenes Verhältnis zu Politik hat, ist ja kein Geheimnis. Wenig Interesse, kein Engagement, zu viel mit sich selbst beschäftigt. Ja, Generation Y ist egoistisch. Ja, wir sind auch Eigenbrödler. Und ich finde es gut. Ich mag meine Freiheit, meine Ungebundenheit und ich mag es, keine Kompromisse schließen zu müssen. Was mich jedoch richtig nervt, ist das politische Desinteresse. Das ist wirklich völlig daneben, vor allem in dieser konfliktgeladenen Zeit.

Das Ganze auf die Spitze treibt ein neuer Trend, der sich in meinen sozialen Netzwerken ausbreitet. Immer mehr Menschen distanzieren sich komplett von Nachrichten, bereinigen ihre Newsfeeds von unangenehmen Meldungen und blenden die die aktuellen Geschehnisse ganz einfach aus. Ins Besondere fällt mir diese schräge Einstellung bei verschiedenen Life-Coaches auf, denen ich digital folge, und die anderen zu Zufriedenheit und Glück im Leben verhelfen möchten. Die Begründungen, die ich bei ihnen lese, sind ähnlich: Sie verkraften die täglichen Horrormeldungen nicht und machen sich deswegen frei davon. Keine Nachrichten mehr lesen, keine Sorgen mehr! Sie setzen also ihren Fokus auf den kleinen Bereich, in dem sie etwas bewegen können. Und das empfehlen sie dann auch ihren Communitys.

Aber auch von Freunden und Bekannten habe ich schon die ein oder andere komische Aussage dazu gehört. „Ach, das zieht mich alles nur runter. Was bringt es mir denn, wenn ich nur jeden Tag schlechte Laune bekomme? Damit ist auch niemandem geholfen.“ Na dann doch lieber wieder voller Fokus auf die eigene Person. Da ist das nächste Reiseziel oder der perfekte Yoga-Kopfstand (und ein Foto davon) dann auch schon mal wichtiger als alles andere.

Wen wählen die ganzen Wohlfühler dieses Jahr zur Bundestagswahl?

Ich finde es ja auch wirklich schwer, mich auf Politik zu konzentrieren. Es gibt auch 1000 witzigere Informationen jeden Tag, die mich unterhalten. Der Facebook-Feed ist voll mit irgendwelchem Zeug, bei Instagram ist wie immer alles voll schön und noch bevor ich mich fragen kann, was ich eigentlich nochmal am Laptop machen wollte, bin ich auch schon wieder mittendrin im Social-Media-Dschungel, der mich und die Welt kein Stück voranbringt. Jede Woche habe ich fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn „Die Zeit“ am Donnerstag vor der Tür liegt und ich die letzte Ausgabe noch nicht mal richtig angefangen habe zu lesen. Oft finde ich mich in Gesprächen mit Freunden über aktuelle politische Entwicklungen und habe keine Ahnung, worüber sie sprechen. Und ja, die schlimmen Nachrichten und Bilder machen mich traurig. Aber sind das Gründe für mich, die ernsten Themen links liegen zu lassen und mich dem Herstellen einer perfekten Acai-Frühstücksbowl mit Kakaonibs zu widmen?

Auf keinen Fall! Denn ich fühle mich verpflichtet dazu, mich damit zu beschäftigen und damit auseinanderzusetzen. Weil ich zu Hause in einer sicheren Welt sitze und die Zeit und die Möglichkeiten dazu habe. Weil ich eine Stimme habe und diese sinnvoll nutzen möchte. Klar, das kostet Energie. Es ist anstrengend, aber ist es nicht ganz klar unsere Pflicht? Wen wählen die ganzen Wohlfühler dieses Jahr zur Bundestagswahl? Oder gehen sie gar nicht wählen? Ich bin froh, dass ich in einer Zeit lebe, in der ich ein mündige Bürgerin bin, die Entscheidungen treffen kann. Dafür brauche ich aber auch Informationen. Und ich will natürlich auch wissen, was los ist auf der Welt.

Politisch aufgeklärt: So schwer ist es auch wieder nicht

Wie gesagt, ich bin damit auch ziemlich oft überfordert. Mir hat es deswegen geholfen, die Informationsflut einzudämmen und zu filtern. Hier meine Tipps zum Klarkommen:

1. Browser-Tab mit News-Seiten

Ich habe mir zuerst mal einen Browser-Tab für das Online-Angebot einer Zeitung angelegt. Wenn ich gerade eigentlich nichts wirkliches erledigen muss und einfach nur rumsurfe, dann lese ich einfach mal dort etwas, anstatt ewig meinen Facebook-Feed herunter zu scrollen. Mit der Zeit kommt Routine in diesen Nachrichten-Check. Eine Seite reicht auch erstmal völlig, denn sonst wird man gleich wieder überflutet und hat schnell keine Lust mehr. Ich finde, Spiegel Online liefert da einen ersten guten Überblick. Es gibt natürlich noch viele mehr, wie zum Beispiel ZEIT ONLINE oder süddeutsche.de.

2. Krautreporter

Eine andere Informationsquelle, die ich für mich entdeckt habe, sind die Krautreporter. Das ist ein unabhängiges, werbefreies Online-Magazin. Pro Tag wird nur ein Beitrag aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft veröffentlicht. Diese Beiträge sind intensiv recherchiert und versuchen den Lesern die großen Zusammenhänge aufzuzeigen. Für 5 Euro pro Monat kann man auf das ganze Angebot zugreifen. Kostenlos ist allerdings die Morgenpost, ein morgendlicher Newsletter, den ich jeden Tag beim Frühstück lese. Hier werden die wichtigsten Informationen in kurzen Artikeln zusammengefasst und auf andere Quellen, wie die taz, Business Insider oder Videobeiträge aus den Mediatheken von ARD und ZDF verwiesen. Mir gefällt hier, dass ich an einem Ort gesammelt von verschiedenen Blickwinkeln und Meinungen erfahren kann und selbst entscheide, wie viel mehr ich noch dazu erfahren möchte.

3. Tagesschau

Hört sich banal an, aber Nachrichten zu schauen ist ein paar Mal die Woche wirklich hilfreich. Es ist ja wirklich nur mit geringem Aufwand verbunden, die Sendung einfach um 20 Uhr einzuschalten – und später in der Mediathek. Sie gibt einen breiten Überblick zu den aktuellen politischen Geschehnissen. Wird auch schnell zur Routine, wenn man damit mal anfängt.

4. Newsfeed ausmisten

Ich versuche, die Newsfeeds meiner Social-Media-Kanäle so zu gestalten, dass dort nur Infos erscheinen, die ich nützlich finde. So entgehe ich dieser erschlagenden Informationsflut, die mich nur ablenkt. Für mich lohnt es sich daher, immer mal wieder den Newsfeed auszumisten und zum Beispiel die Seite „Low-Carb-Rezepte Deutschland“, die ich vor drei Jahren mal geliket habe, zu entfolgen.

5. Darüber reden

Flüchtlinge, Trump, Landtagswahlen? Mir ist schon bewusst, dass das nicht die tollsten Gesprächsthemen sind. Aber ich finde, wir müssen einfach darüber sprechen. Mit der Familie, mit Freunden, auf der Arbeit. Ich glaube, wir müssen diese Themen einfach mehr in unseren Alltag integrieren. Um uns politisch zu bilden, eine Meinung zu entwickeln und zu verstehen, wie die anderen ticken und was ihnen wichtig ist. Jedes noch so kleine Gespräch hilft dabei.

Das hier soll einfach eine kleine Erinnerung sein, hinzuschauen, zu lesen und zu diskutieren. Nehmt eure Rechte ernst. Wir haben hier oft das Gefühl, uns kann eigentlich nichts passieren, aber das stimmt einfach nicht. Dazu müssen wir uns einfach nur umschauen, die USA führt es uns gerade vor. Die Abschaffung der Gesundheitsreform Obamacare? Das Nicht-Wählen kann Konsequenzen haben, unter welchen Menschen leiden werden. Auch wenn das alles schwer, unlösbar, deprimierend erscheint, ist es trotzdem unsere Pflicht, uns damit auseinanderzusetzen. Übernehmt Verantwortung und geht bitte wählen.

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