Unser Arbeitsleben hat einer Studie zufolge Einfluss darauf, wie lange wir leben. Je härter Menschen arbeiten, desto geringer ihre Lebenserwartung ab dem Rentenalter. Kaum überraschend, aber wann wird darauf reagiert?
Wer viel arbeitet, stirbt früher
Die meisten Menschen kennen (unfassbar) stressige Zeiten im Beruf. Auf einmal besteht der Tag gefühlt nur noch aus arbeiten, essen und schlafen – für mehr bleibt kaum Zeit. In solchen Momenten witzelt man gern mal, dass man sich auf das entspannte Leben als Rentner*in freut. Dann bleibt wieder viel mehr Zeit, für private Dinge: die Liebsten regelmäßig treffen, Reisen, für die die Urlaubstage nie gereicht haben oder all die Bücher, die sich über die Jahre angesammelt haben, ohne dass sie gelesen worden wären. Jede*r hat wahrscheinlich ganz eigene Vorstellungen, wie man den Lebensabend verbringen könnte. Allen Vorstellungen gemein ist jedoch, dass nach dem Eintritt in die Rente Zeit dafür vorhanden sein wird.
Warum auch nicht, schließlich ist doch die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten generell deutlich angestiegen. Das gilt aber eben nicht für alle. Eine aktuelle, repräsentative Studie der Universität Duisburg-Essen kam etwa zu diesem Ergebnis: Wer viel und hart arbeitet, stirbt früher. In der Studie wurde untersucht, wie lange jemand, der das 65. Lebensjahr erreicht hat, voraussichtlich noch zu leben hat. Für die Untersuchung wurden die Daten von 4.000 Personen ausgewertet, die zwischen den Jahren 1985 und 2016 66 Jahre alt geworden sind. Zentrales Ergebnis: Menschen, die während ihres Arbeitslebens sehr hohen Belastungen ausgesetzt waren, haben nach dem Renteneintritt eine geringere Lebenswartung als andere. Der anstrengende Arbeitsalltag zeigt sich also nicht (nur) unmittelbar in Form von Stress und Erschöpfung, sondern auch ab dem Zeitpunkt, an dem die Menschen eigentlich durchatmen und den wohl verdienten Lebensabend genießen wollen.
Unfaire Grundvoraussetzungen
Nebst der Arbeitsbelastung hängen auch das Einkommen und das Bildungsniveau mit der Lebenserwartung ab Rentenalter zusammen. Die Herausgeber*innen der Studie haben zudem festgestellt, dass Personen mit höherer Bildung oft mehr verdienen und vermutlich auch verträglichere Arbeitsbedingungen hätten. Diese Schlussfolgerungen erstaunen kaum, sondern verdeutlichen lediglich einmal mehr, wie ungleich die Grundvoraussetzungen für ein gesundes und auch langes Leben sind. Und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der die Studie in Auftrag gegeben hat, nennt einen weitern Punkt: „Wer früher stirbt, bekommt auch kürzer Rente“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Eine Erhöhung des Rentenalters sei also nichts weiter als ein Rentenkürzungsprogramm.
Die Studienergebnisse zeigen auf jeden Fall, dass Handlungsbedarf herrscht. Es braucht Lösungen – nicht nur für das Leben ab Rentenalter, sondern bereits für die heutige Arbeitswelt. Mögliche Ansätze wären die Einführung eines Grundeinkommens, eine Erhöhung des Mindestlohns oder auch eine verminderte Wochenarbeitszeit. So folgert auch das Forschungsteam der Studie, dass eine Reduzierung der Arbeitsbelastung und die Förderung von menschengerechter Arbeit ein vordringliches Ziel sei. Schließlich sind wir Menschen nicht nur auf der Welt, um von einem anstrengenden Arbeitstag in den nächsten und dann ins Grab zu stolpern. Denn wie heißt es so oft: „We’re not born to just pay bills and die.“