Sie macht Videos über Karriere und beruflichen Erfolg, modelt als „Best Agerin“ und gibt weiter, was sie vom Leben gelernt hat. Greta Silver erzählt im Interview von ihrer Einstellung zum Alter.
Wie ist das eigentlich, alt zu sein?
Wie alt Menschen wirken, hat viel mit ihrem Lebensstil zu tun – aber nicht nur. Denn Altern ist tatsächlich auch Kopfsache. Greta Silver ist 70 Jahre alt und möchte keinen Tag jünger sein. Auf ihrem Youtube-Kanal erklärt sie, warum sie eine so positive Einstellung zum Altwerden entwickelt hat und wie sich ihr Leben dadurch verändert hat. Sie schreibt und bloggt zu Themen, die ihr besonders wichtig sind: Freiheit, Lebensfreude und Selbstbewusstsein. Auch in ihrem Buch „Wie Brausepulver auf der Zunge“ teilt sie ihre Erfahrungen als „Best Agerin“. Wir haben sie gefragt, was sie dazu bewegt hat, im Alter nochmal richtig loszulegen.
Warum haben so viele Menschen Angst vor dem Alter?
„Die Angst vor dem Alter kommt vermutlich von den Bildern in unseren Köpfen, wie es denn wohl wird ab 50 oder 60 Jahren. Diese Bilder entsprechen jedoch überhaupt nicht der Wirklichkeit. Wir haben ein so stabiles Know-how, das kann uns keiner nehmen. Unser Leben lang haben wir unter großem Druck gestanden, wollten allen gerecht werden: natürlich der Familie mit den Kindern, dem*r Partner*in, den Eltern und Geschwistern – und ja, dem*r Chef*in, den Kolleg*innen und auch den eigenen Anforderungen. Dieser Druck fällt weg im Alter – alles andere bleibt und man erhält noch große Geschenke dazu.“
„Jetzt ist die Zeit die Flügel auszuspannen. Unsere Verpflichtung, Kinder großzuziehen, ist vorbei.“
Was kannst du dem entgegensetzen?
„Wir wissen, wie Leben funktioniert, wie man aus einem Schlamassel wieder rauskommt. Denn das haben wir längst bewiesen. Wir alle haben Situationen im Leben erfahren, die dramatisch waren. Das Leben ging weiter, eben nur anders. Und erstaunlicherweise gab es auch da wieder Möglichkeiten, glücklich zu werden. Diese Erfahrung schenkt Gelassenheit gegenüber dem
nächsten Desaster.
Jetzt ist die Zeit, die Flügel auszuspannen. Unsere Verpflichtung, Kinder großzuziehen, ist vorbei, dazu gehört auch das Engagement in den Schulen und Vereinen. Jetzt spielen wir in unserem Leben die Hauptrolle. Können uns besinnen: Was wollte ich denn schon immer mal machen? Wo sind meine
Träume geblieben? Wie kann ich meine Talente entdecken? Ja, es lohnt sich, auf die Suche zu gehen.“
Mit 66 Jahren hast du dich dazu entschieden, einen Youtube-Kanal zu starten. Was war die Motivation dahinter?
„Es war eine große Portion Neugier und die Lust, der Welt zu zeigen, wie toll es ist, alt zu sein. Dass darin Freiheit liegt. Zu zeigen, was wir für tolle Möglichkeiten haben. Die Zeit von 60 bis 87 ist die gleiche Zeitspanne wie von 33 bis 60. Was ist in dieser Zeit alles passiert. Wir können doch diese kommende Zeit nicht einfach absitzen. Die will gestaltet werden. Dabei und dafür Mutmacher zu sein, hat mich gereizt. Damals habe ich allerdings nicht geahnt, was das für Ausmaße annehmen würde.“
„Heute fühle ich mich sehr reich, weil ich beide Phasen leben konnte – intensiv Hausfrau und Mutter mit Marmeladekochen und dann noch mal richtig Gas geben als selbständige Unternehmerin.“
Du warst lange Hausfrau, hast dich dann mit knapp 50 wieder zurück in den Beruf gekämpft. Was hat dich dazu bewegt?
„Diese Berufstätigkeit kam tatsächlich zufällig in mein Leben, fiel mir in den Schoß. Ich wurde gefragt, ob ich bei der Umgestaltung eines Großraumbüros helfen könne. Der gleiche Investor fragte später, ob ich ihm eine Hausbootflotte einrichten und dann auch vermarkten könne. Dazu kamen später Ferienhäuser – erst danach traten neue Investor*innen an mich heran bis zum 4 -Sterne-Hotel. Die Arbeit als freie Journalistin kam dazu, und Projektentwicklung für große Kongresse. Heute fühle ich mich sehr reich, weil ich beide Phasen leben konnte – intensiv Hausfrau und Mutter mit Marmeladekochen und dann noch mal richtig Gas geben als selbständige Unternehmerin.“
Rund 5.000 Menschen besuchen deinen Account täglich. Welche Reaktionen hast du bisher auf deinen Youtube-Kanal erhalten?
„Ich habe nur Bestätigung bekommen. Es ist ein großer Gewinn für mich, dass ich nun weiß, da draußen sind Millionen Menschen, die so ticken wie ich. Die ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nicht rumjammern. Es hat mein Weltbild positiv verändert.“
Findest du dich schön?
„Oh, eine schwierige Frage. Ich habe mich längst mit meinem Aussehen angefreundet. Leider war ich selbst meine größte Kritikerin damals. Als ich merkte, dass ich zehn Jahre später auf Fotos immer dachte ,ach so schlimm war es damals gar nicht‘ habe ich irgendwann beschlossen, die Fotos jetzt schon gut zu finden. Ich glaube, der liebe Gott war sehr großzügig, als er mir mein Äußeres mit auf die Welt gegeben hat. Wenn ich jedoch verbittert durch die Gegend laufen würde, wäre die ganze Ausstrahlung hin.“
Was gefällt dir besonders an dir?
„Ich mochte meine Hände immer gerne. Mittlerweile kann ich über mich lachen, wenn ich mit meinem Äußeren nicht zufrieden bin, weil die Haare nicht sitzen oder so eine Nebensächlichkeit.“
So sieht Lebensfreude aus. Bild: Lotta Fotografie
„Alt werden ist wie Brausepulver auf der Zunge“, so beschreibst du das Lebensgefühl, das dich begleitet. Hattest du diese positive Einstellung zum Leben schon immer?
„Wenn ich auf meine Kindheit zurückschaue, war da ganz viel Leichtigkeit und Unbeschwertheit. Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden mit zwei älteren Schwestern. Mein Vater war mein großer Held, der mir alles zutraute. Wenn es mal nicht gelang, dann musste das eine Ausnahme gewesen sein für ihn.
Ich habe außerdem in recht jungen Jahren schon lernen können, dass in schweren Zeiten auch Geschenke für mich enthalten waren – ich etwas vom Leben begriffen hatte. So kam schnell der Gedanke auf: Wer weiß, wofür es gut ist?“
„Ich spürte eine große Freiheit, selbst die Regisseurin zu sein. Das ist ein wunderbares Handwerkzeug, um aus schwierigen Situationen wieder rauszukommen.“
In deinem Buch erzählst du auch von deiner Scheidung, Schuldgefühlen und Selbstzweifeln. Wie gehst du mit schwierigen Situationen um?
„Natürlich gehörten auch zu meinem Leben traurige und schwere Lebensphasen. Das war auch der frühe Tod meines Vaters, als ich 19
war – innerhalb eines Tages starb er an einem Herzinfarkt. Mein Leben stürzte ein. Aber auch später gab es immer wieder Situationen, die so ausweglos erschienen.
Als ich mit etwa 30 Jahren verstand, dass ich selbst für mein Glück
verantwortlich bin, trat ich raus aus der Opferrolle und handelte. Denn
niemand kam vorbei und fragte mich ,was brauchst du heute für dein Glück, was
soll ich dir in den Kalender eintragen?‘. Ich musste selbst die Verantwortung
übernehmen.
Es war so einfach, meinem*r Chef*in oder meinem Partner die Schuld zu geben, wenn ich unglücklich war. Das war nun vorbei – die Verantwortung trug ich selbst. Ich spürte eine große Freiheit, selbst die Regisseurin zu sein. Das ist ein
wunderbares Handwerkzeug, um aus schwierigen Situationen wieder rauszukommen. Was brauche ich jetzt, was kann ich tun? Klar, darf, oder besser, sollte man auch erst einmal die Trauer zulassen – aber danach können wir handeln.
„Und ja, es ist die Offenheit, neue Möglichkeiten zu entdecken und beherzt zuzugreifen. Angstfrei zu leben schenkt Leichtigkeit.“
Woher nimmst du die Leichtigkeit und die Energie, neue Dinge anzugehen?
„Ich schleppe keine Verletzungen aus alten Zeiten mit mir rum – denn die kann man durch verzeihen loswerden. Das setzt neue Energien frei. Und ja, es ist die Offenheit, neue Möglichkeiten zu entdecken und beherzt zuzugreifen. Angstfrei zu leben schenkt Leichtigkeit.“
Wie stehst du zu dem Begriff „Rentnerin“. Kannst du dich damit identifizieren?
„Ja, klar, es bedeutet doch, dass man raus ist aus dem Hamsterrad und alle Freiheiten der Welt hat. Der Begriff ,Rentner*in‛ ist genau wie die Zuschreibung ,Ich bin alt‛ der Ausdruck für eine spannende Lebensphase. Es mag sein, dass man andere Bilder im Kopf hatte und man nun feststellt, das Leben ist kunterbunt und ich bin mitten drin – ganz ohne Stress.“
Hast du einen konkreten Tipp gegen schlechte Laune?
„Der absolute Turbo-Trick ist die Überlegung: Was kann ich jetzt für andere tun? Es macht nämlich unglaublich glücklich, wenn man etwas für andere tun kann. Dann ist die schlechte Laune sofort weg. Manchmal ist es nur ein kleines Telefonat, ein paar geschriebene Zeilen, manchmal ist es aber auch der Lieblingskuchen, den man der Freundin backt. Da bekommt man schon beim Backen gute Lauen, wenn man sich vorstellt, wie sich die Freundin nachher freuen wird.“
Das Buch: „Wie Brausepulver auf der Zunge: Glücklichsein ist keine Frage des Alters“, SCORPIO Verlag, 1. Mai 2018, 208 Seiten, 18 Euro
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