Nicole Engenhardt-Gillé
Nicole Engenhardt-Gillé

Nicole Engenhardt-Gillé: “Wenn wir mehr weibliche Vorbilder haben, werden wir auch mehr Frauen in der Führung haben”

Nicole Engenhardt-Gillé weiß, wie es ist, sich als Frau in einer Männerbranche zu behaupten. Wir sprachen mit der Vorständin der freenet AG darüber, wie sie junge Mädchen für technische Berufe begeistern möchte, welcher Karrieretipp ihr sehr geholfen hat und warum sie die Frage nach der Frauenquote wütend macht.

Kund*in
Freenet
Autor*in
Fiona Rohde
Gesponsert

Liebe Nicole Engenhardt-Gillé, du bist seit dem 1. Januar 2023 Vorständin Personal und ESG der freenet AG. Gab es Momente und Phasen, in denen du kämpfen musstest beim Aufstieg der Karriereleiter? Und glaubst du, dass es den männlichen Kollegen mit gleicher Eignung anders ergangen ist als dir in dieser Phase?

„Ich denke: ja. Wir sind eine sehr männlich dominierte Branche. Bei vielen Entscheidungsrunden waren halt immer nur Männer und ich war eine der ersten Frauen, die es in diese Runde geschafft hat. Widerstände spornen mich an: Es geht auch um das Thema Sichtbarkeit. Ist/war man bei relevanten Männerentscheidungsmeetings nicht dabei, fehlen einem einfach Informationen. Man kann die Zusammenhänge schlechter sehen und kann weniger gezielt auf Maßnahmen eingehen. Diese Position einzunehmen und akzeptiert zu werden, hat ein bisschen gedauert.“

Was würdest du jemandem entgegnen, der Frauen in Führungspositionen als ‚Quotenfrauen‘ abkanzelt?

„Ganz ehrlich: Mittlerweile geht mir diese Frage auf die Nerven. Ich habe mir die aktuellen Zahlen aus 2022 gerade noch mal angeguckt: Wir haben 51 % Frauen in Deutschland und 49 % Männer. Und es sind nur 28,9 % Frauen in Führungspositionen überhaupt und nur 14 % in Vorständen. Wenn dann jemand sagt, das ist eine Quote, dann würde ich eher sagen, wir müssen als Unternehmen drauf schauen, dass wir dieses Potenzial und dieses hohe Bildungs- und Fachkräfteniveau, das wir bei den Frauen haben, besser nutzen müssen. Das dürfen wir nicht ignorieren. Und deswegen macht mich diese Diskussion wirklich wütend.“

Wir haben ein extrem gutes Bildungsniveau bei freenet. Wir haben ein hohes Potenzial und hohes Engagement, das ich bei den Frauen sehe. Da brauchen wir uns vor nichts verstecken.

Nicole Engenhardt-Gillé

Warum sind Frauen gerade in männerdominierten Bereichen immer noch unterrepräsentiert? Was müsste sich ändern?

„Ich denke, es liegt daran, dass tendenziell Frauen immer noch weniger Berufe mit einem technischen Hintergrund ergreifen. Aus meiner Sicht fängt das extrem früh an. Es gibt zwar erste Ansätze, aber es müsste viel mehr in den Schulen und an den Universitäten passieren. Wir brauchen mehr Angebote und spezielle Programme für Mädchen und junge Frauen mit technischem Hintergrund. Das wäre der Schlüssel zum Erfolg, um mehr Nachwuchs, der sich für die technischen Berufe interessiert, in den Unternehmen zu erhalten. Denn leider kriegen wir immer noch einfach zu wenig Anfragen von weiblichen Bewerberinnen auf offene Stellen.“

Deine Kolleg*innen gehen auch an Schulen, um mit jungen Menschen zu sprechen. Ist da die Resonanz positiv und sieht man bereits Erfolge?

„Ja, die Kolleg*innen berichten, dass dort ein hohes Interesse besteht; denn Kinder wachsen ja ganz intuitiv mit Tabletts oder Handys auf. Wir versuchen vor Ort die Begeisterung auf die entsprechenden Berufsbilder zu projizieren.“

Gibt es allgemein für Frauen andere Fallstricke im Job als für Männer und wenn ja, welche? Da könnte man jetzt in Klischees abrutschen, ich stelle die Frage trotzdem …

„Also ja, es ist ein Klischee, aber was ich immer noch sehe: Frauen sind deutlich mehr sachorientiert, die sind oftmals sehr gut vorbereitet. Anders zum Teil die Männer: Die gehen einfach viele Themen ein bisschen strategischer an.

Dieser Perfektionsanspruch und diese Selbstkritik ist etwas, wo Frauen ein bisschen mehr struggeln als Männer.“

Vernetzen sich Frauen auch weniger als Männer?

„Ja. Wenn Frauen über Netzwerken sprechen, sprechen sie zudem ganz generell immer über Frauennetzwerke. Das ist wichtig, ganz klar, aber das reicht eben nicht. Wenn ich 70 % Männer im Berufsumfeld habe, dann brauche ich die Männer für mein Netzwerk. Wenn ich Dinge erreichen will, dann brauche ich ein generelles Netzwerk. Und da helfen natürlich casual Meetings, z.B. nach einem langen Meeting-Tag an der Bar. Hier kann man einfach mal ein Thema inoffiziell platzieren. Oder ich gehe einfach auf den Kollegen zu und gehe mit ihm Mittagessen. Das wird viel zu wenig gemacht. Das sind zum Teil so einfache Sachen, da können wir Frauen noch ein bisschen besser werden.“

Gibt es einen weiblichen Führungsstil und falls ja: Inwieweit profitiert ein Unternehmen davon, Frauen in Führungspositionen zu haben?

„Ich sehe unterschiedliche Führungsstile, sowohl bei Frauen als auch bei Männern, aber ich sehe da keinen speziell weiblichen. Wir haben Frauen, die führen extrem hart und stringent, und wir haben Männer, die sind super unterstützend unterwegs in ihren Teams. Ich glaube, es liegt einfach an der Persönlichkeit, was ich für einen Führungsstil habe.“

Ich glaube, was eine Schwierigkeit manchmal bei Frauen ist, dass sie das Gefühl haben, sie müssen es allen recht machen. Wenn man in die Führung geht, muss man sich sagen: Ich ziehe das durch.

Nicole Engenhardt-Gillé

Was würdest du anderen Frauen raten, die eine Karriere bzw. eine Führungsposition anstreben?

„Besonders wichtig ist es: mutig und sichtbar sein, aber mit der nötigen Gelassenheit. Dass ich ‘meinen Hut in den Ring werfe’. Auch zu sagen: Ok. Diesmal hat es nicht funktioniert. Ich bleibe aber dran.“

Wäre das auch dein Tipp, den du mit deinem Wissen von heute deinem 20-jährigen Ich gegeben hättest?

„Ja. Machen und sich auch nicht klein machen lassen. Was mir persönlich mal eine Frau geraten hat, war, dass man immer authentisch sein muss. Das hat mir geholfen.  Denn wenn man nur Männer als Chefs hat, ist die Frage, woran orientiere ich mich? Nur wenn man authentisch ist, ist man auch glaubwürdig.“

Blicken wir mal in die Zukunft: Wie sollte die Arbeitswelt in 20 Jahren aussehen?

„Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft grundsätzlich diverser in den Teams sind. Diverser heißt für mich nicht nur Mann oder Frau, sondern auch jünger, älter, verschiedene Ausbildungen oder verschiedene Kulturen. Und: Es wird nicht mehr diese eine Karriere geben, sondern ich kann mal was machen, dann eine Auszeit nehmen, dann vielleicht wieder etwas anderes. Das würde uns allen guttun, auch in den Unternehmen. Wenn wir mehr weibliche Vorbilder haben, dann werden wir auch mehr Frauen in der Führung haben.“

Wir müssen diesen wichtigen Fragen und Themen Sichtbarkeit, eine Stimme und eine Plattform geben – so zum Beispiel auf dem FEMALE FUTURE FORCE Day.

Nicole Engenhardt-Gillé

Du bist am 21. Oktober in Berlin in der Arena Berlin beim FEMALE FUTURE FORCE Day. Mit welchen Erwartungen nimmst du Teil und an welchen Themen möchtest du mit den Besucher*innen und Speaker*innen arbeiten?

„Ich freue mich auf den Austausch auf Augenhöhe mit anderen Frauen. Ich erwarte viele Impulse und Inspirationen für unsere eigene Arbeit hier im Unternehmen. Ich möchte verstehen, was sind die Themen, die Frauen aktuell wichtig sind? Woran haben wir vielleicht auch noch gar nicht gedacht? Ich persönlich möchte mit den Frauen daran arbeiten, dass wir an uns glauben, dass wir sichtbar sind und dass wir nicht perfekt sein müssen. Wir Frauen sollten unsere Stärken kennen.  Daran würde ich wirklich gerne mit den Besucher*innen arbeiten.“

Nicole Engenhardt-Gillé auf dem FEMALE FUTURE FORCE DAY

Beim FFF DAY spricht Nicole Engenhardt-Gillé auf dem Panel „Self Branding für die Karriere – muss das sein und wie mache ich das?“. Hier geht es zum gesamten Programm der Konferenz.

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