Foto: Steinar Engeland I unsplash

Ich werde nie wieder Co-Narzisst in einer Beziehung sein!

In der Beziehung mit einem Narzissten entfaltet sich eine Co-Abhängigkeit zwischen den Partnern. Unsere Autorin erzählt, wie schwierig Narzissmus zunächst zu erkennen ist und wie sie ihr Beziehungsmuster schließlich durchbrechen konnte.

Mein Beziehungsmuster: Narzissten

Manchmal lehrt einem das Leben Lektionen, die man nie wieder vergisst. Wann eine Beziehung nicht mehr gut tut und man besser getrennte Wege geht, ist eine davon. Umso besser, wenn man es schafft hierbei aus einem jahrelangen Muster auszubrechen. Als hochsensible, empathische Frau bin ich über viele Jahre immer wieder unbewusst Beziehungen mit narzisstischen Menschen eingegangen. Ich habe für sie gearbeitet, war mit ihnen befreundet oder lebte mit ihnen in einer Partnerschaft. Nie habe ich verstanden warum. Immer fühlte ich anfangs eine energetische Anziehung zu Menschen, vom ersten Moment an. So eine Art unausgesprochenen Pakt, ein „Wir gegen den Rest der Welt“. Immer waren diese Beziehungen intensiv und voller Drama und am Ende war ich ein nervliches Wrack, fühlte mich benutzt, emotional verraten. Mit meiner letzten narzisstischen Beziehung konnte ich nun ein jahrzehntelanges Muster durchbrechen, ein Muster, dass sich, wie ich herausfand, bereits in meiner Kindheit und über die Jahre etabliert hatte und schleichend ein fester Bestandteil meiner inzwischen erwachsenen Persönlichkeit geworden war.

Das ist Narzissmus und das nicht

Psychiatrische Klassifikationssysteme wie ICD 10 und DSM-5 erkennen Narzissmus unter der Bezeichnung „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ bei einer Person, die ein ausgeprägtes Größengefühl hat, von ihrer eigenen Grandiosität überzeugt ist, eine ausgeprägte egozentrische Einstellung hat, einen auffälligen Mangel an Einfühlungsvermögen und Interesse für Mitmenschen, jemand, dem jede Macht und Aufmerksamkeit, jedes Lob und Wertschätzung gelten muss.

Doch nicht jeder Narzisst ist auf Anhieb als solcher erkennbar. Ab wann jemand ein pathologischer Narzisst ist oder „nur“ narzisstische Verhaltensweisen aufzeigt, lässt sich schwer sagen. Wie bei vielen Dingen ist das eine Sache der Balance. Experten gehen davon aus, dass der Mensch sogar eine gesunde Portion Narzissmus braucht. Nur weil jemand ein erhöhtes Geltungsbedürfnis hat oder übertrieben auf sein Äußeres achtet, ist er noch lange nicht pathologisch-narzisstisch. Es kann aber ein Indiz sein. Vor allem aber ist Narzissmus eines nicht: eine einseitige Sache. Narzissmus bedingt immer zwei Parteien: den grandiosen oder offenen Narzissten, denjenigen, den man auch als Laie mit dem Begriff Narzissmus assoziiert, und der häufig als die männliche Form von Narzissmus gesehen wird. Dann gibt es den Co-oder Komplementärnarzissten, der den Narzissten mit allem versorgt, was er braucht („narcissistic supplier“), der in seiner schlimmsten Form selbst narzisstisch veranlagt ist, weil er sich komplett über den anderen definiert (verdeckt-depressiver Narzissmus). Letzterer wird häufig als weibliche Form des Narzissmus gesehen. Das Erleben und sein Selbst gleichsam aufgespalten, avanciert der grandiose Narzisst zum Sender, von dem alles ausgeht, der aber alles um sich herum ausblendet und der Komplementärnarzisst zum Empfänger, der sorgfältig zuhört und sich fast vollständig auf seinen grandiosen Partner einstellt. Wenn beide aufeinander treffen, erscheint das wie ein mystisches Band, ist das wie ein Schlüssel, der sein passendes Schloss findet: Man wird automatisch voneinander angezogen.

Muster in Beziehungen reflektieren

Narzissmus ist kein Phänomen, das an die Welt der Stars und Sternchen oder an gesellschaftliche Schichten gebunden ist. Und doch, immer ist es der grandiose Part und damit häufig der Mann, der als der „Täter“ beleuchtet wird. Oft beleuchten gerade wir Frauen viel zu wenig unseren eigenen Anteil im Umgang mit toxischen Persönlichkeiten. Nach jeder Beziehung sind wir traurig und verletzt, statt zu fragen, wieso wir uns immer wieder verletzen lassen. Wir sind wütend und blockiert, statt uns zu fragen, wieso wir trotz Warnungen von Freunden und Bekannten, die eine Veränderung an uns bemerken, an der Beziehung festhalten. Warum? Weil wir uns, schon bevor wir Bindungen zu solchen Menschen eingehen, überhaupt nicht vertrauen. Weil wir, selbst wenn wir spüren, dass etwas nicht stimmt, es schmerzhaft finden, weil wir uns mit Seiten konfrontiert sehen, die wir nicht sehen wollen, nicht annehmen können, die wir an uns vielleicht sogar abstoßend finden. Weil wir, wie Eckhart Tolle es so schön ausdrückt, die größte Zeit unseres Lebens im Unbewußten verbringen.

„Verhaltensmuster zu ändern ist sehr schwierig, denn sie erinnern uns daran, warum wir sie überhaupt erst entwickelt haben.“

(Zitat aus „Being Erica“)

Die eigenen Grenzen kennenlernen

Schon als Kind hatte ich immer das Gefühl etwas ängstlich zu sein. Als hochsensibles junges Mädchen nahm ich die Stimmungen meiner Freunde immer ganz genau wahr und hatte mitunter Schwierigkeiten, die Stimmungen anderer nicht zu übernehmen. Da ich nie gelernt hatte mich abzugrenzen und meine eigenen Grenzen zu spüren, ging ich bis ins Erwachsenenalter hinein immer wieder unbewusst Beziehungen mit Menschen ein, die meine Energie raubten, die forderten, nicht ehrlich waren oder manipulierten, und die genau wussten, welche Knöpfe sie bei mir zu bedienen hatten. Und ich ließ ich das geschehen – weil ich es zu spät bemerkte, weil ich mir oft genug selbst nicht traute und mir gar nicht bewusst war, dass ich dieses Problem hatte.

2015 traf ich einen jungen Musiker, mit dem sich das ändern sollte. Über viele Jahre hatte mir meine Fähigkeit, mich in andere hineinzuversetzen und Dinge vorhersehen zu können, in meinem Beruf an der Seite von Künstlern geholfen. Doch 2015 erreichte ich einen Punkt, wo mir die Lorbeeren anderer nicht mehr reichten, ich wollte selbst Künstlerin sein. Verwundbar wie ein kleines Kind, das Laufen lernt, setzte ich in diesem magischen Jahr alles auf eine Karte. Ich verstaute mein übertriebenes Sicherheitsempfinden in einem meiner Reisekoffer und begann zu schreiben. Ich suchte: nach mir, nach Inspiration und auch nach Menschen, denen es ähnlich ging, die nachvollziehen konnten, was ich durchmachte, die positiv bestärkten, nach Kreativpartnern. Mit Mark, so dachte ich, hätte ich so jemanden gefunden.

In die emotionale Abhängigkeit rutschen

Ich lernte ihn vor zwei Jahren auf einem seiner Konzerte kennen, und ich erinnere mich an diese Anfangszeit als wäre es gestern gewesen. Ich war fasziniert von diesem talentierten, jungen Mann, der vor so gar nichts Angst zu haben schien, und sich traute das Leben zu leben, für das mir so lange Zeit der Mut gefehlt hatte. Über ein Jahr lang verbrachten wir intensiv Zeit miteinander. In meiner freien Zeit half ich ihm, einen in Deutschland lebender Amerikaner, mit einem Projekt und er nahm mich mit auf seine Touren durch die Straß0en von Berlin, wo ich Geschichten und Eindrücke sammelte, loslassen konnte. Wir waren euphorisch. Da war es wieder, das mir so vertraute „Wir gegen den Rest der Welt“. Wenige Tage nachdem wir uns kennengelernt hatte, flog er nach Italien in den Urlaub. „Schreib mir“ sagte ich an unserem letzten Abend und er hielt Wort. Jeden Tag schickte er mir Grüße aus dem kleinen Dorf in dem er wohnte, und begann mir von sich zu erzählen. Und ich schrieb zurück, erzählte ihm von Berlin, das in diesen Tagen sommerlich zu werden begann. Aus meinen Emails wurden kleine Geschichten, Gedichte, Songs, Ideen für größere Werke. Ich mochte, was er in mir auslöste. Mit ihm traute ich mich kreativ zu sein, mein innerer Zensor war nicht ganz so stark. Dieser Lebemann, der in seiner New Yorker Mentalität nicht nur redete, sondern machte, wurde mir in diesen ersten Monaten Muse und Ansporn zugleich. Doch während für mich Stück für Stück Freundschaft entstand, wurde ich, die für ihn inzwischen auch kleinere Gefälligkeiten und Besorgungen übernahm, ganz schleichend seine unbezahlte persönliche Assistentin, jemand der Dinge möglich macht. Eine bittersüße Ironie. Denn Mark entpuppte sich vor allem als eines: ein grandioser Narzisst. Und ich war auf dem besten Weg seine co-narzisstische Hälfte zu werden.

Gemeinsam durchs Feuer gehen. Die erste Zeit an der Seite des Narzissten fühlt sich gut an. (Foto: unsplash | Colter Olmstead)

Obwohl ich diesen jungen Mann noch überhaupt nicht kannte, fühlte mich vom ersten Tag an seltsam verbunden mit ihm, durch ein Art unerklärliches Band, gestrickt aus Faszination, scheinbaren Gemeinsamkeiten, unendlich vielen Synchronizitäten und einem falschen Verständnis davon, wer ich war und wo meine Grenzen lagen. Als jemand der nie gelernt hatte, das Kreativität etwas ist, was uns entspringt und nicht etwas, was von anderen oder äußeren Komponenten abhängt, wurde ich wenige Wochen nach unseren Kennenlernen süchtig nach Marks Präsenz. Ich glaubte, ohne ihn nicht schreiben zu können. Er bemerkte das und entwickelte eine ganz eigene Art mit dieser Präsenz zu spielen. Er machte sich rar, nur um sich in unerwarteten Momenten wieder ins Spiel zu bringen, stets verbunden mit der unterschwelligen Botschaft, „wenn du nicht da bist, hab ich ganz schnell Ersatz gefunden“. Ja, ich war in einer waschechten emotionalen Abhängigkeit – der Beginn eines Prozesses, in dem sich die narzisstischen Energien vollends entfalten konnten. Alle Warnungen von Freunden und Bekannten zum trotz, war ich wenige Wochen nach unserem Kennenlernen zu seiner engsten Vertrauten geworden, schaffte es kaum, ihm einen Wunsch abzuschlagen. Ich war komplett im Bann dieses Musikers, der mich mit seiner Mischung aus extremer Stärke und Zerbrechlichkeit, die mir so seltsam vertraut vorkam, immer wieder faszinierte. Meine Rolle in der Beziehung war inzwischen unausgesprochen festgelegt: ich war dazu da „the goal“ zu unterstützen, Marks seit Jahren verfolgte Musikkarriere.

Geben, ohne etwas zurückzubekommen

Genährt mit charmanten Komplimenten und in dem festen Glauben, einen hilfsbedürftigen Menschen zu unterstützen, stand ich ihm mit Rat und Tat zur Seite, organisierte inmitten von großen Projekten nebenbei für ihn Wohnungsumzüge, half ihm bei der Kommunikation mit Agenten oder hörte mir nach langen Geschäftsreisen Demoaufnahmen an. Noch während ich bereits mein eigenes Unternehmen gründete, schrieb ich Visa-Briefe für ihn, begleitete ihn zu Behörden oder war einfach nur da wenn er nach Performances fast zusammenbrach, weil er sich wieder verausgabt hatte. Ich kümmerte mich um seinen Hund, den er schon längst nicht mehr nur bei mir ließ, wenn er tourte, sondern auch wenn er Zeit mit anderen Frauen verbrachte. Stück für Stück wurde ich ganz unbemerkt seine unbezahlte Assistentin. Dabei wünschte ich mir in meiner Verblendung an solchen energiezehrenden Tagen nichts sehnlicher, als seine Aufmerksamkeit und sein Lob.

„Bei Narzissmus geht es nicht um Täterschaft, um Schuld oder um richtig oder falsch, sondern um den Versuch, per Manipulation das eigene Selbstwertgefühl zu schützen. Es ist eine Machtdynamik, an der beide Seiten ihren Anteil haben und die (…) der co-narzisstische Part durch sein eigenes fragiles Selbst mitgestaltet.“

(Bärbel Wardetzki, Psychologin und Autorin)

Ein gescheiterter Ausbruchsversuch

Ich weiß nicht, ob es der Tatsache zu verdanken war, dass ich regelmäßig Tagebuch schrieb und über mich reflektierte oder meiner einfühlsamen Therapeutin – diesmal sollte alles anders werden. Je mehr ich schrieb, desto mehr begann ich hinter den grauen Schleier der Verblendung zu blicken und wurde stärker. Immer wieder meldete sich mein Bauch, der flüsterte: „Irgendetwas stimmt hier nicht, bleib wachsam!“ Ich begann nützliche Tools, die ich von meiner Therapeutin gelernt hatte, anzuwenden und trainierte mich zu spüren und bei mir zu bleiben. Dank meiner zunehmenden Fähigkeit, ein Stück von mir zurücktreten und mich selbst in meinen Verhaltensmustern zu beobachten, fiel mir auf, wie sehr mich die Beziehung zu Mark emotional beeinflusst hatte: Wenn ich mit ihm unterwegs war, war ich seltsam euphorisch, aber auch sehr angespannt. Mein ganzer Körper fuhr hoch, war in Alarmbereitschaft, ich begann seine Stimmung zu wittern, noch bevor er den Raum betrat. Alles drehte sich um ihn, wenn er da war. Sobald ich wieder allein war, fühlte ich mich schnell ausgelaugt, fühlte eine große Traurigkeit, als ob etwas fehlte. Wie bei einem Entzug! Nach acht Monaten versuche ich „auszubrechen“, schrieb ihm, dass es besser sei, wenn wir uns nicht mehr sähen, da ich das Gefühl hätte, dass er an mir nicht wirklich interessiert sei. Mit einer herzzerreißenden Geschichte „stahl“ er sich wieder in mein empathisches Herz und ich ruderte zurück, blieb als Versorger erhalten.

Klarer sehen

Doch mein Bauchgefühl ging nicht weg. Diesmal nicht. Es wuchs. Und mit ihm meine Kreativität. Es war, als würde ich stückweise aus einem Koma erwachen. Es waren erst Kleinigkeiten, die ich seltsam fand. Zum Beispiel, dass er Dinge sagte, die im Widerspruch standen, zu dem was ich mit meinen eigenen Augen sah. Dass er bei Weitem nicht so bedürftig war, wie er mir in unserer Beziehung vermittelte, dass er es schaffte, wirklich jedes Gespräch am Ende auf sich zu beziehen und wir uns immer nur trafen, wenn es ihm irgendwie nützlich war. Mark schien sich nicht in andere hineinzufühlen oder sich entschuldigen zu können. Als ich ihm nach einer Auseinandersetzung einmal mitteilte, dass er meine Gefühle verletzt hätte, schickte er mir stattdessen ein Bild von sich auf der Bühne mit der Unterschrift „Sieh mal, wie gut ich auf dem Foto aussehe“. Das war seine Art sich zu entschuldigen. Immer wieder redete er abwertend über Musikerkollegen und Frauen, mit denen er zusammen war und ich begann mich zu fragen, ob er in meiner Abwesenheit so auch über mich redete.

Mir machte die Geschwindigkeit Angst, mit der Mark sich in Gesprächen völlig fremder Menschen zum Mittelpunkt machen und sich augenblicklich anpassen konnte, wie er seine Gesprächspartner zu vereinnahmen und beeinflussen vermochte. Mit seiner Mischung aus Charme und scheinbarer Hilfsbedürftigkeit gewann er nicht nur mich, sondern immer wieder auch andere empathisch veranlagte Menschen für seine Zwecke. Nicht selten sprangen genug Menschen auf diesen Zug, weil sie es selbst nicht bemerkten oder aus dem narzisstischen Verlangen heraus, Teil von etwas Besonderen zu sein. Menschen, die genügend Selbstvertrauen hatten und ihm nicht folgten, wurden abgewertet. Menschen, die er schaffte zu bezirzen, nahm er nicht ernst. Und dann waren da noch wir, sein „pack“. Menschen, die ihn versorgten, Menschen die er zu seinen „expanded selves“ gemacht hatte und die das blieben, solange sie kein abweichendes Verhalten zeigten. Nichts war sicher bei Mark, alles musste schnell gehen, Fragen waren nicht gestattet. Wie oft hatte ich das Gefühl, ich würde ihn bei irgendetwas aufhalten und musste feststellen, dass mein Ersatz schon mit den Hufen scharrte. Umso trauriger wurde ich, als ich feststellte, dass Mark keine einzige stabile Beziehung zu haben schien. Regelmäßig wechselte er seine Frauen, die entweder „the goal“ dienten oder die er umgehend verführen musste. Er lebte in seiner eigenen Welt, die er regierte und mit niemanden teilte. Und in dieser Welt verdiente er den Thron, konnte Sonderbehandlung von Managern und Agenten verlangen, weil niemand so war wie er. Eine Welt, gebaut auf einem verzerrten Selbst.

Eine Therapie kann dabei helfen, die eigenen Muster zu erkennen. (Foto: unsplash | Alexander Radelich)

Als ich ihm an einem lauen Sommertag meine Grenzen zeige, mich offen versuche abzugrenzen, eskaliert die Situation. Es ist wie ein Schlag vor den Bug, als er mich nach fast 1,5 Jahren wütend als paranoid beschimpft, mir versucht Schuldgefühle einzureden, nachdem ich ihm zum ersten Mal in unserer Beziehung offen kritisiere. Er wertet mich ab, vermittelt mir das Gefühl, ich bilde mir Dinge nur ein, verwendet meine eigenen Worte gegen mich. „Narzisstische Wut“ nennen Fachleute dieses Verhalten, bei dem der grandiose Part sich entlarvt glaubt und den Co-Narzissten versucht in seine Schranken zu weisen. Danach verschwand Mark im Nichts, waschechtes „Ghosting“. Ein Glück für mich. Denn nur so konnte ich mich endlich langsam regenerieren.

Narzissmus hat seine Wurzeln in der Kindheit

Bereits 1979 stellte die Psychotherapeutin Alice Miller einen Zusammenhang zwischen Defiziten in der frühkindlichen Entwicklung und Narzissmus im klinischen Sinne her. 1980 veröffentlicht sie ihre Erkenntnisse in „Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst“ und brach dabei mit allen bis dahin bekannten Theorien. Bereits im frühen Alter würden die für eine gesunde psychische Entwicklung notwendigen Bedürfnisse des Kindes nach Achtung, Echo, Verständnis, Teilnahme und Spiegelung nicht bedient und es lerne sich anzupassen, spalte bestimmte unerwünschte Gefühle ab. Im Erwachsenenalter können diese Menschen ihre Gefühle nicht bewusst erleben, entwickelten eine Art falsches Selbst. In bestimmten Situationen treten diese abgespaltenen Anteile dann plötzlich als das verletzte innere Kind in Erscheinung und können nach außen unangemessen und „kindisch“ wirken. Auch Autor und Musiker Jamie Catto schreibt in seinem Buch „Insanely Gifted“ über die Folgen eines frühkindlichen „Editierungsprozesses“, der dazu führe, dass ein Großteil der Menschen zu so genannten „Approval Seekers“ heranwachse. In vielen Familien sei es in der Erziehung effizient und verbreitet, Kinder überschwänglich mit Anerkennung und Aufmerksamkeit zu überhäufen, wenn sie sich „richtig“ verhielten und Anweisungen der Eltern befolgten und ihnen aber Aufmerksamkeit und Anerkennung zu entziehen, wenn sie sich „falsch“ verhielten. Von frühester Kindheit an seien Kinder, deren Hauptquelle für Sicherheit und Überleben die Liebe der Eltern sei, mit einem gefährlichen Machtspiel um das An- und Abschalten dieser Quelle konfrontiert.

„When we give something great but then withhold it, and then give something great but then withhold it, what that creates in the human is an addiction.“

Jamie Catto

Die Folge, so Catto, sei eine tiefverwurzelte Angst vor Kritik und Fehlern, weil diese mit fehlender Liebe oder Ablehnung gleichgesetzt würden. Unser Kopf verknüpfe Liebe und Angepasstsein und Geliebtwerden. Im Erwachsenenalter sind wir dann eine beschnittene Version unseres Selbst, hungrig nach Anerkennung. Heute gehen auch viele Therapeuten davon aus, dass wir alle verletzte Persönlichkeitsanteile in uns haben, allen voran, das verletzte Kind in uns, das gesehen und gehört, und vor allen Dingen getröstet werden, in erster Linie von uns selbst. Wenn wir es nicht schaffen, diese verletzten Anteile unseres Selbst zu lokalisieren und zu verstehen, gleichsam ins Bewusstsein zu holen, sind Beziehungen automatisch zum Scheitern verurteilt. Sie werden nie authentisch sein. Ohne eine solche Heilung und eine gesunde Selbstliebe werden wir immer wieder unbewusst versuchen, das was wir uns selbst zukommen lassen müssten, bei dem Anderen zu suchen, der aber nie Ersatz sein kann.

Und heute?

Eine narzisstische Beziehung zu durchleben, hinterlässt Narben, tiefe Narben. Solche Beziehungen lassen einen um Jahre altern. Inzwischen haben sich auch einige Bekannte bei mir gemeldet und erläutert, sie hätten schon einmal Ähnliches erlebt. In jedem Fall aber sind sie eine Chance, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, mit dem inneren verletzten Kind, das ein jeder irgendwie in sich trägt. Meine über viele Monate dauernde Wut und Traurigkeit wich der Erkenntnis, wie wichtig es ist, zu wissen, wer man ist und wo die eigenen Grenzen sind. Erst wenn ich das weiß, kann ich den Grundstein für authentische Beziehungen mit anderen legen, mit Partnern, Familie, Freunden. Manche Beziehungen sind nicht dafür gemacht zu halten, sondern uns etwas zu lehren. Ich bin dankbar für alles, was ich aus diesen Beziehungen mitgenommen habe, auch wenn der Preis dafür sehr hoch war. Aus meiner letzten narzisstischen Beziehung bleiben mir auch meine Gedichte, Songtexte und Ideen. Sie sind die Überreste aus einer intensiven Zeit, in der ich es noch nicht besser wusste. Und sie erinnern mich jeden Tag daran, mich nie wieder so aufzugeben, nie wieder zu vergessen, wer ich bin.

Wann bin ich in einer Beziehung mit einem (grandiosen) Narzissten

Woran du erkennst, dass du in einer Beziehung mit einem grandiosen Narzissten bist? Hier ein paar Punkte:

  • In der Kommunikation dreht sich immer nur alles um die Person und deren Probleme
  • Die Person hat die Überzeugung besonders und einmalig zu sein, zeigt arrogante oder hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten
  • Die Person verlangt von Freunden oder Geschäftspartnern offen oder verdeckt häufig Sonderbehandlungen (Größengefühl)
  • Die Person hat ein übertriebenes Bedürfnis nach Bewunderung und Zustimmung
  • Die Person legt ein hohes Anspruchsdenken an den Tag, ist stark von Erfolg, Macht, Schönheit, idealer Liebe eingenommen
  • Die Person zeigt Stimmungsschwankungen zwischen extremer Euphorie und Depression sowie starke Unsicherheiten
  • Die Person zeigt oft eifersüchtiges Verhalten in Bezug auf andere, bis hin zu offenen oder verdecktem Schlechtmachen der Qualitäten anderer, z.B. Kollegen, Freunde oder Geschäftspartner
  • Die Person ist nicht kritikfähig und legt Kritik als Neid des Kritisierenden aus
  • Die Person zeigt einen Mangel an Empathie bis hin zur Ablehnung die Gefühle und Bedürfnisse anderer anzuerkennen
  • Die Person tendiert dazu, andere zu vereinnahmen und zu beeinflussen, (sog. Versorger oder expanded selfs), die glorifiziert und mit Komplimenten überschüttet werden, solange sie sich nicht abweichend Verhalten
  • Die Person tendiert dazu, andere im Hinblick auf bestimmte Ziele einzuordnen, zu bewerteten und als Objekte zu definieren und diese auch zu manipulieren („Gaslighting“)

Woran du erkennst, dass du ein Co-Narzisst bist

  • Deine Gefühle sind stark von der Stimmung des anderen abhängig und dein Körper ist sensibilisiert auf die Stimmung des  narzisstischen Partners und du fühlst dich deswegen oft ausgelaugt
  • Du richtest dein Leben bewusst oder unbewusst nach dem anderen aus, traust dich nicht spontan zu handeln aus Angst vor seinen/ ihren Reaktionen
  • Du hast das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, kannst aber nicht erklären was
  • Dinge, die die narzisstische Person kommuniziert, stehen im Gegensatz zu dem was du selbst siehst oder wahrnimmst
  • Wenn du das Gefühl hast, der andere schmückt sich mit deinen Federn und gibt eigene Ideen als seine aus
  • Wenn du das Gefühl hast, das du abgeschrieben bist, wenn du nicht verfügbar bist und der andere auch schnell Ersatz für dich gefunden hat
  • Wenn dir gesagt wird, dass du dir Dinge nur einbildest, wenn du den anderen auf sein Verhalten ansprichst und du dich oft selbst in Frage stellst
  • Wenn die andere Person ausfallend und abwertend wird, wenn du ihn oder sie kritisierst oder ihn sogar entlarvst (narzisstische Wut)
  • Wenn die andere Person den Kontakt von heute auf morgen abbricht ohne sich näher zu erläutern, weil du deine persönlichen Grenzen oder abweichendes Verhalten gezeigt hast („Ghosting“)

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