Ständig sind wir irgendwie unzufrieden im Job. Der Zappos-Gründer Tony Hsieh hat ein Modell entwickelt, mit dem wir alle glücklicher werden könnten
Warum sind so viele unglücklich im Job?
Immer wieder höre ich Kollegen, Freunde und Bekannte über ihren Job schimpfen – über den Chef, andere Kollegen, die Kunden, Investoren oder die Aufgaben. Der Chef nervt, weil er viel zu hohe Ansprüche stellt, die Kollegen haben nichts anderes zu tun als Kaffee zu trinken, den Kunden kann man es sowieso nie Recht machen und den Investoren noch viel weniger.
Vor Kurzem habe ich das Buch des Zappos-Gründers Tony Hsieh ‚Delivering Happiness’ gelesen. Neben seinen Startup-Erfolgsgeschichten geht Tony vor allem auf eines ein: Erfolg durch Glücksgefühl!
Ein Framework auf das er sich bezieht, ist das im Bild dargestellte Dreieck. Aber wenn es so einfach sein soll, Glück im Job zu finden, warum sind so viele von uns unglücklich?
Träume verlieren sich in langen To-Do-Listen
Während man sich in der Zufriedenstellung diverser Anspruchsgruppen verliert, gehen die eigenen Aufgaben unter. Am Ende des Tages fragt man sich dann bei dem üblichen Glas Wein (oder waren es vielleicht doch zwei?), warum die To-Do-Liste länger statt kürzer geworden ist.
Nicht selten beginnt man bei diesem Glas Wein über das Unglück des eigenen Jobs zu philosophieren, was meist ganz leicht ist, da das Gegenüber ähnliche Sorgen hat. Gemeinsam kann man auch viel schöner über die Ungerechtigkeit des beruflichen Alltags lamentieren, sich in den Unfähigkeiten der Kollegen suhlen und sich gegenseitig die traurige Seele balsamieren, die doch irgendwann von viel mehr träumte. Denn einst wollte man doch die Welt verändern!
Was bedeutet eigentlich Berufung?
Derartige Gespräche leiten oft den Rückschritt ins „damals“ ein, als man noch dachte, alles wäre möglich! Damals wollte man nach Afrika und in einem Kinderdorf arbeiten, oder vielleicht auch als Englischlehrer nach Südamerika. Ach ja, es gab so viele gute Taten, die man vollbringen wollte. Und jetzt bleibt dafür plötzlich gar keine Zeit mehr, da man ja noch nicht mal seine eigenen To-Do-Listen abarbeiten kann.
Die Biographie von Tony Hsieh scheint dabei ähnlich weit entfernt wie die Karriere eines Mark Zuckerberg. Dabei hat Tony das Happiness-Framework doch so wunderbar banal erklärt und abgeleitet. Fast wie die Maslowsche Pyramide dreht er es einfach auf den Kopf, um seinen Weg zum Glück im Job zu erklären. Dabei fängt er oben an und erklärt, für ihn ginge es an erster Stelle darum, seinen Purpose zu leben. Er sieht seine Bestimmung darin, Glück durch Zufriedenheit von Kunden, Mitarbeitern und sämtlichen Anspruchsgruppen herzustellen. Obwohl das wohl für einige von uns vielleicht etwas hochgegriffen ist, scheint es doch valide, uns die Frage zu stellen: „Was ist eigentlich meine Berufung? Was erfüllt mich mit Freude und gibt mir anhaltende Energie, wenn ich es tue?“ Denn genau diese Energie entsteht, nach Aussage der Happiness-Forschung, wenn wir unserer wahren Berufung folgen.
Dann erst geht Tony eine Stufe tiefer und konzentriert sich auf die Passion: Leidenschaft ist in diesem Framework durch das Agieren im Flow-State ausgedrückt. Schon Ernest Hemingway beschrieb diesen Zustand anhand seines Schreibprozesses. Für ihn war Flow das Arbeiten in einer unbewussten, höheren Ebene, in der er manchmal schon gar nicht mehr wusste, was er eigentlich schrieb. Letztlich machte alles stets Sinn. Allerdings ist Flow – so Hemingway – endlich. Darum sollte man den Flow beenden, bevor man den letzten Tropfen Energie abgeschöpft hat, um am nächsten Tag schnell in einen ähnlichen Fluss zu kommen.
Pleasure im Job ist wie ein One-Night-Stand
Auf der untersten Ebene steht für Tony Pleasure – also kurzfristige, endliche Höhepunkte im Tun. Man kann diese kurzfristigen Höhepunkte (und das ist meine Auslegung) fast mit sexuellen Orgasmen bei One-Night-Stands vergleichen. Sie sind zwar momentan befriedigend und lösen Adrenalin sowie Oxytocin aus, aber langfristig machen sie nur mit einem richtigen Partner, mit dem man zusätzlich Passion und Purpose teilt, wirklich zufrieden. Aufs Arbeitsleben übertragen, kann man Pleasure in dem Job sehen, den man hilfreich für seine Lernerfahrung erachtet. Langfristig befriedigt dieser Job jedoch nicht, da er uns weder ausreichend noch wahrhaft erfüllt.
Was bringt meine Augen zum Leuchten?
Statt uns also stets wieder bei Wein über das Unglück und die Schwierigkeiten des aktuellen Jobs zu ergießen, sollten wir uns einfach mal fragen:
„Was macht mich kurzfristig glücklich und bringt mir kleine Höhepunkte?“
„Was erfüllt mich mit so viel Leidenschaft, dass ich dabei Raum und Zeit vergesse?“
„Was lässt meine Augen strahlen, was könnte ich mir vorstellen bis ans Ende meines Lebens voller Erfüllung zu tun, ohne dass es mich ermüden lässt, mir meine Energie raubt und mich ans Ende meiner eigenen Inspirationsgrenze bringt?“
Sicher ist Tony Hsieh ein sehr hoch gegriffenes Beispiel. Es ist auch nicht jedermanns Ziel, eine Multi-Billion-Dollar-Company wie Zappos aufzuziehen. Doch hinter dem Business steht für Tony eigentlich schlicht seine persönliche Bestimmung von ‚Delivering Happiness’. Ich bin mir sicher, dass wir alle ein tiefes, inneres Gefühl von unserer eigenen Bestimmung haben. Vielleicht kann uns ja die Anwendung des umgedrehten Dreiecks helfen, weniger regelmäßig Wein zu trinken und stattdessen bei besonderen Gelegenheiten mit Champagner auf unsere Berufung anzustoßen!
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