In ihrer Twentysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche darüber, warum das mit der Liebe oft nicht klappt.
Liebe, warum so kompliziert?
Wenn ich Geld für die Aussage bekommen würde, dass das mit der Liebe und dem ganzen Zipp und Zapp ja nur so wahnsinnig schwierig sei, weil Mann Frau und Frau Mann so gar nicht versteht, säße ich längst in meiner Villa auf den Bahamas. Und ja, vielleicht hätte ich mich in diesem Falle sogar selbst zu einer reichen Privatière gemacht, denn gerade neulich versuchte ich mit einer Freundin mal wieder zu enträtseln, was uns die Handlungsweise ihres Lovers oder Fast-Freundes oder Ex… – ach, wer soll solche Feinheiten heute noch wissen? –, also, was uns das über diesen Mann wohl sagen könnte. Nach ein paar hilflosen Versuchen herrschte ganz schnell großes Schweigen im Walde und eventuell, nur ganz vielleicht, fiel dann auch dieser Satz. Aber das, liebe Freunde, ist ja einfach nur Quatsch. Oder doch nicht?
Schließlich trug sich doch in meiner Wohnung erst kürzlich auch noch folgende Konversation zu: „Man, hast du viele Schuhe! Kann ich nicht verstehen, wozu man die alle brauchen soll.“ Und ich empört: „Ich habe für eine Frau überhaupt nicht viele Schuhe!“ Urgs. Was war das
denn? Ein Exorzisten-Moment. Man macht den Mund auf und heraus kommt jemand
anderes. In diesem Fall Mario Barth, der mit diesen „Frauen-sind-von-der-Venus-und-die-Männer-kommen-vom-Mars-Geschichten“ traurigerweise sehr reich geworden ist. Manchmal kommt dabei aber auch meine Mutter zum Einsatz. Das wäre nun wenigstens noch sympathisch gewesen. Aber nein, ich sagte einen kompletten Schwachsinnssatz, an den ich noch nicht mal glaube. Es ist einer dieser Sätze, die einem einfach so mitgegeben werden (gefühlte eine Millionen Male) und mit denen man eigentlich nichts zu tun haben will.
Das Liebeschaos hat nichts mit den
Geschlechtern zu tun
Aber, was ich damit eigentlich sagen will: Ich halte das Liebeschaos nicht für ein Problem der Geschlechter, sondern für eines der Kommunikation an sich. Denn eine funktionierende Kommunikation hat ja viel weniger mit einer gleichen Denke oder den gleichen primären
Geschlechtsmerkmalen zu tun als mit einer gemeinsamen Realität. Und ja, wenn wir
über Anerzogenes sprechen, dann kann die zwischen Frau und Mann auch mal
abhanden kommen. Aber das ist nichts, was erwachsene Menschen nicht überwinden
können. Nein, schwierig wird das Teilen einer gemeinsamen Realität dann, wenn
man einfach gar nichts vom andern weiß und das Gegenüber auch nicht so wirklich etwas preisgeben will. Oder zumindest nicht das, was ihn oder sie zu denen gemacht hat, die sie heute sind. Und genau deshalb ist es ja auch so schwierig in einer Großstadt – und ja, ich muss diese Karte zücken, weil da einfach wirklich was dran ist – die Liebe zu finden. Wegen dem Überangebot und den vielen Möglichkeiten? Weil hier nur Egoisten wohnen? Nee, denkt doch mal nach.
Auf Dörfern gibt es kaum Singles, schon gar keine, die um die Ende 20 sind. Und ich weiß das, denn ich komme vom Dorf. Während ich in der Großstadt mit meinesgleichen als warme Masse die Straßen flute, bin ich zuhause so etwas wie ein Zirkuspferd im Baumarkt: Man guckt und man wundert sich. Warum eigentlich? Schließlich gibt es auch hier Diskos,
die so voll sind, als hätten sich mehrere Nationen für ein Besäufnis zu „Cotton Eye Joe“ verabredet. Und auch in der Stadt gibt’s Torschlusspanik, Kinder – und
Eigenheimwünsche. Nein. Im Dorf hat man eine gemeinsame Realität, einen Rahmen. Versteht, wie der andere tickt und warum und wo das herkommt. Fang in Berlin mal ein Gespräch mit einem Unbekannten an! Gemeinsamer Konsens? Vielleicht gerade noch, dass man Gentrifizierung scheiße findet und der Wedding nie, wirklich niemals kommen wird. Zumindest nicht zu unserer Lebenszeit.
Die ewige Skepsis auf dem Singlemarkt
Aber es gibt keine gemeinsame Basis, nichts Greifbares, kein Verständnis füreinander, ohne dass man offen von sich erzählt. Und hier wird vielleicht viel, aber sehr wenig offen gesprochen. Auf dem Dorf übrigens auch (außer hinter vorgehaltener Hand), aber da ist das piepegal, weil man es sowieso besser weiß. Schließlich kennt man Peter Schneider schon seit Kindertagen. Rätselraten ist da nicht. Und genau das ist in der Stadt anders. Hier regiert
die Skepsis den Singlemarkt: Was will der oder die? Warum erzählt der das? Wieso
denkt die so? Was soll das bedeuten? Man hat einfach keine Ahnung, wer da vor einem stehen soll. Die gemeinsame Basis muss erst noch geschaffen werden. Und mach das mal, das ist sehr anstrengend. Und braucht Vertrauen.
Woher soll man das nehmen? Am Ende fühlt man sich doch immer wie das Reh, immer darauf gefasst, dass gleich der Abschuss kommt. Und genau deshalb sind alle auch immer auf dem Sprung. Aber mit Mann und Frau? Hat der ganze Quatsch doch nichts zu tun. Die Ämter dürften sich ja nicht retten können vor lauter gleichgeschlechtlichen Paaren, die zur Trauung anrücken. Aber so ist es ja auch nicht. Auch bei denen herrscht: Skepsis. Ein singlehaftes Unverständnis, bei dem man sich in Sachen Liebe wie eine dämliche Amöbe gegenseitig hohl in seiner Einzelligkeit anglotzt.
Also verabschieden wir uns doch mal von dem Venus-Mars-Quatsch für Arme und versuchen das noch mal mit einer gemeinsamen Realität. Einfach, indem man wirklich von sich erzählt und sich nicht die Folie überwirft, die einem gerade chic erscheint. Und indem man versucht,
andere auch wirklich mal an sich ranzulassen und nicht gleich denkt: Was will der oder die von mir? Vielleicht wollen sie ja nur Hallo sagen. Kann ja sein. Ich glaube fest daran, dass das dann auch was werden kann.
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