Die Gründerin der Firma „Fox & Sheep“ wird Aufsichtsrätin der Commerzbank-Tochter Comdirect. Im Interview erzählt Verena Pausder, was ihr Anspruch an die Aufsichtsrät*innen der Zukunft ist.
„Aufsichtsrätinnen unterstützen sich gegenseitig und motivieren weitere Frauen“
Unsere Arbeit und unsere Umwelt werden sich durch die Digitalisierung immer weiter verändern. Eine dabei wichtige Frage: Wann und wie führt man Kinder an den Umgang mit digitaler Technologie heran?
Kinder mit der Digitalisierung vertraut zu machen, ist das Herzensanliegen und Spezialgebiet von Verena Pausder, Gründerin der Firma Fox & Sheep, die Apps für Kinder im Vorschulalter entwickelt und weltweit vermarktet.
Die Spiele tragen Namen wie „Kleiner Fuchs Tierarzt“ oder „Schlaf gut“. Sie verzichten auf Werbung und In-App-Käufe und haben beispielsweise eine zeitliche Spielbegrenzung. An ihrem Start-up übernahm Spielzeughersteller Haba 2015 die Mehrheit. Fox & Sheep verzeichnete zuletzt 20 Millionen Downloads weltweit, seit 2014 arbeitet das Unternehmen profitabel.
Neben ihrer Tätigkeit als Chefin des App-Entwicklers ist Pausder Geschäftsführerin der Haba Digitalwerkstätten. Diese wollen Kindern und Jugendlichen den Umgang mit digitalen Medien näherbringen. Außerdem ist die gebürtige Ostwestfälin Mit-Initiatorin von ‘Startup Teens’, einer Initiative, die 14- bis 19 jährige Schüler*innen fürs Unternehmertum begeistern möchte.
Nun wurde die Managerin in den Aufsichtsrat der Online-Direktbank und Commerzbank-Tochter Comdirect gewählt. Carina Kontio hat sie gefragt, was sie sich für dieses Amt vorgenommen hat, welche Eigenschaften dieses Mandat braucht und wie viel Einfluss Frauen im Aufsichtsrat tatsächlich haben.
Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt.
Liebe Frau Pausder, wenn man sich die Zahlen anschaut, lässt sich bezogen auf Aufsichtsrät*innen hierzulande sagen, dass die Quote wirkt. Die erhoffte Strahlkraft auf die Vorstände ist bislang allerdings – nun ja – gering. Was glauben Sie, woran liegt das?
„Aufsichtsrät*innen kommen von außen, der Vorstand rekrutiert sich meist von innen. Daher ist es aus meiner Sicht einfacher und schneller möglich, die Aufsichtsräte zu verändern als die Vorstandsetagen. Dort wirken häufig noch tradierte Mechanismen und Machtstrukturen.“
Wie viel Einfluss haben denn dann die Frauen, die nun in den Aufsichtsräten sitzen, tatsächlich?
„Mit der steigenden Anzahl von Frauen in Aufsichtsräten steigt auch ihr Einfluss auf die Unternehmen. Denn die Aufsichtsrätinnen fangen an sich zu vernetzen, unterstützen sich gegenseitig und motivieren weitere Frauen ihrem Weg zu folgen. Das strahlt auch in die Unternehmen rein. Ich bin in zwei Wochen in Berlin zu einem Abendessen eingeladen, zu dem sich 15 Aufsichtsrätinnen treffen, um ihre Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Da tut sich also richtig etwas.“
Blicken wir zur Comdirect: Wie viele Frauen sitzen dort konkret im Nominierungsausschuss des Aufsichtsrats?
„Zunächst finde ich es toll, dass bereits seit vielen Jahren die Hälfte des Aufsichtsrats der Comdirect weiblich ist. Bislang waren dies zwei Arbeitnehmer-Vertreterinnen und mit Sabine Schmittroth eine Vertreterin der Anteilseigenerseite, die auch im Nominierungsausschuss vertreten ist.“
Welchen Ausschuss streben Sie persönlich jetzt nach Ihrer Wahl konkret an?
„Erstmal freue ich mich sehr, mit der heutigen Wahl ein Mandat im Aufsichtsrat der Comdirect Bank zu übernehmen und meine Expertise, besonders im digitalen Bereich, in das Mandat einzubringen. In Bezug auf die Ausschüsse finde ich grundsätzlich alles spannend, was mit der Digitalstrategie der Bank sowie den Menschen, die diese in Zukunft verantworten, zu tun hat. Daher wäre für mich perspektivisch der Nominierungsausschuss und der Präsidialausschuss spannend.“
Müsste es nicht auch eine Quote in den Ausschüssen der Aufsichtsräte geben, damit Frauen einen durchschlagenden Effekt auf Frauenkarrieren im Rest des Unternehmens haben?
„Aus meiner Sicht haben in erster Linie die Unternehmenskultur und die HR-Strategie einen Einfluss auf die Frauenkarrieren im Unternehmen. Idealerweise gepaart mit weiblichen Vorbildern und Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat, die jüngeren Frauen zeigen, was möglich ist. Das hat noch mehr Strahlkraft und Effekt als Quoten einzuführen. Bei der Comdirect ist mit Frauke Hegemann eine starke Frau im Vorstand vertreten. Außerdem finden sich neben Michael Mandel mit Sabine Schmittroth und mir seit heute zwei Frauen im Nominierungsausschuss von Comdirect.“
Welche Zielquote hat sich die Mutterfirma Commerzbank denn aktuell für den Vorstand gesetzt? Es ist nämlich noch keine fünf Jahre her, da hatte sich die Commerzbank für Frauen im Vorstand die „Zielgröße null“ gesetzt.
„Ich bin vergangene Woche für den Aufsichtsrat der Comdirect Bank gewählt worden und kann daher nur für dieses Unternehmen sprechen. Was ich aber sagen möchte, ist, dass mit Bettina Orlopp eine beeindruckende Frau im Vorstand der Commerzbank sitzt, die Null-Quote scheint also Vergangenheit zu sein. Bei Comdirect gibt es eine Zielquote von 25 Prozent, die auch seit Jahren erfüllt wird. Das spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur wider. Comdirect macht viel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Förderung weiblicher Führungskräfte.“
Nämlich?
„Konkret gibt es zum Beispiel eine Notfallbetreuung für Mütter und Väter, Arbeitsräume mit Kindereinrichtungen, Teilzeitmodelle, Möglichkeiten zum Sabbatical sowie mobiles Arbeiten. Außerdem setzt sich Comdirect gesellschaftlich mit der eigenen ,Stiftung Rechnen‘ für das Thema mathematische Jugendbildung ein und stärkt mit der Initiative ,Finanzheldinnen‘ die Finanzkompetenz von Frauen. Beides sehr wichtige Themen, für welche sich viele Mitarbeiter*innen und Führungskräfte der Bank stark machen.“
Wie sieht es in der Führungsebene darunter mit der Beförderung von Frauen aus?
„Auch da sieht es bei Comdirect gut aus, auf der ersten Führungsebene, also der Ebene unter dem Vorstand, ist ein Drittel der Führungskräfte weiblich, also über dem Zielwert von 25 Prozent. Auch auf den beiden Ebenen darunter ist Comdirect mit 33 Prozent sehr gut aufgestellt. Und für mich war es im Vorfeld der Wahl entscheidend, dass ich den Vorstandsvorsitzenden Arno Walter als sehr innovativen, proaktiven, inspirierenden Leader kennengelernt habe, der die Unternehmenskultur stark prägt und sich sehr für diverse Teams einsetzt.“
Was raten Sie anderen Frauen, die sich für ein Aufsichtsratsmandat interessieren?
„Sich aktiv ins Spiel zu bringen und nicht darauf zu warten, dass jemand sie anspricht. Mich hat es unheimlich inspiriert, mich mit tollen Aufsichtsrätinnen wie Simone Menne oder Fränzi Kühne auszutauschen und von ihren Erfahrungen zu lernen. So geht man bewusster in die Entscheidung, welches Unternehmen am besten zu einem passt und ob man da wirklich etwas bewegen kann und möchte. Denn aus meiner Sicht sollte man als Aufsichtsrat einen Gestaltungsanspruch haben und den kann man nur authentisch entfalten, wenn es einen guten Fit zwischen dem Unternehmen und der Person gibt.“
Welche Kompetenzen müssen Kontrolleure*innen in spe unbedingt mitbringen?
„Natürlich sind die fachliche Kompetenz und Eignung sehr wichtig, aber unverzichtbar ist aus meiner Sicht, mit einem echten Interesse am Unternehmen in einen Aufsichtsrat zu gehen und dieses zusammen mit dem Vorstand voranzubringen zu wollen. Erst dann entfaltet sich die volle Kraft dieses Gremiums und man ist neben Kontrolleur*in auch Gestalter*in. Das ist mein persönlicher Anspruch an die Aufsichtsräte der Zukunft.“
Frau Pausder, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Das Gespräch führte Carina Kontio, Redakteurin bei Handelsblatt. Mehr Interviews zu Diversity, Management und Leadership findet ihr im Handelsblatt-Special „Shift“. Carina hat außerdem eine Karriere-Kolumne bei Audible.
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Verena Pausder beim FFF DAY 2019 erleben
Verena Pausder könnt ihr dieses Jahr auch live beim FEMALE FUTURE FORCE DAY am 12. Oktober in Berlin erleben. Sie wird im Bildungs-Panel intensiv über ihre Ideen für eine Digitalisierung der Bildung sprechen und sicher können wir alle ganz viel lernen. Tickets für den FFF DAY gibt es hier. Und mit dem Code HAPPY spart ihr beim regulären Ticket 30 Euro.
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