Liebe Personalabteilungen und Unternehmensführungen, was ist so schwer daran, in einer Stellenausschreibung zumindest eine ungefähre Gehaltsangabe zu machen? Wovor habt ihr so große Angst?
Angst vor zu vielen Bewerbungen?
Eins der Lieblings-Argumente von Personalern dafür, keine Gehaltsangabe in der Stellenausschreibung zu nennen ist, dass die Arbeitgeber dieses Landes befürchten, eine Flut von Bewerbungen von Kandidatinnen, die gar nicht die nötige Qualifikation für die entsprechende Stelle aufweisen, könnte sich über sie ergießen. Das ist so lächerlich, dass sich mir die Zehennägel hochrollen. Ich verrate euch mal etwas: Wenn ihr die benötigten Qualifikationen nicht kryptisch, sondern in einer für alle verständlichen Sprache auflistet, dann werden sich diese Fluten in erträglichem Rahmen halten, versprochen.
Und sollte sich tatsächlich mal eine solche Bewerbung zu euch verirren, dann könnt ihr mit einem Blick auf die Referenzen erkennen, dass der Kandidat ungeeignet ist. Denn dann wissen wenigstens eure Personalreferentinnen endlich selbst, wonach sie aussortieren müssen. Aber selbst wenn es mehr werden sollten – der Zeitaufwand diese Fehlbewerbungen im Vorfeld auszusortieren ist definitiv geringer, als einstündige Vorstellungsgespräche zu veranstalten, nur um zum Schluss festzustellen (vorher darf das Geldthema ja nicht erwähnt werden), dass die Bewerberin sich für euer „Gehaltsangebot” morgens noch nicht mal aus dem Bett begeben würde.
Und davon soll ich leben können?
Denn seien wir mal ganz ehrlich, was da so aufgeboten wird ist viel zu häufig ein Witz. Klar weiß ich, warum an dieser Praxis immer noch so festgeklammert wird, das wissen wir doch alle. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass Ihr nicht wisst, dass wir es wissen und euch sehr gerissen dabei vorkommt. Aber sollte ich noch ein einziges Mal eine Ausschreibung lesen, in der steht, man soll seine Bewerbung bitte mit einer Gehaltsvorstellung einreichen, werde ich diesen Artikel anstatt einer Bewerbung an eure Personalabteilung schicken. Mit einem Text in der Art, die ihr Absagen so gerne beifügt – wenn man denn überhaupt eine Rückmeldung von euch bekommt. Etwas in der Art wie:
„Nehmen Sie es bitte nicht persönlich, dass ich mich nicht bei Ihnen bewerben möchte, aber bei der Fülle an Stellenangeboten kann ich nur denjenigen meine Zeit widmen, die mich nicht für bescheuert verkaufen!“
Wenn ihr glaubt, dass die Chancen besser stehen dieses lumpige „Gehalt” jemandem anzudrehen, der bereits am Tisch gegenüber sitzt, dann schnallt euch mal gut an: Gut ausgebildete Fachkräfte mit Arbeitserfahrung, einem ausgezeichnetem Studienabschluss – den ihr ja immer so gerne sehen möchtet – und auch nur noch einem Funken Würde, werden euch ins Gesicht lachen. So wie ich vor zwei Wochen. Ich hätte der armen Personalreferentin fast mein medium-sprudeliges-Mineralwasser auf ihre eierschalenfarbene Seidenbluse gespukt.
Bewerberinnen mit niedrigeren Gehaltsvorstellungen werden bevorzugt
Wie kommt es, dass ihr die Angabe meiner Gehaltsvorstellung erwartet, ohne selbst eine anzugeben? Warum sollte ich meine Zeit mit einer Bewerbung an jemanden verschwenden, der mich bereits in der Ausschreibung degradiert? Das ist so erniedrigend, dass ich beim Lesen jedes Mal ein nervöses Zucken unterm linken Auge bekomme. Verhandlungen auf Augenhöhe laufen nicht so, dass man jemanden auffordert eine Zahl zu nennen und danach diejenige einstellt, die diese am weitesten unterboten hat. Denn spätestens nach zwei Monaten, wenn sich eine Art persönliche Ebene gebildet hat, bekommen wir mit, dass unser Kollege das Doppelte verdient. Nur so zur Info, falls euer BWL-Professor euch etwas anderes beigebracht hat oder ihr diese brillante Strategie in einem drittklassigen Ratgeber zur Personalbeschaffung entdeckt habt, aus dem ihr anscheinend euer ganzes Wissen zieht.
Es lohnt sich einfach nicht, jemanden einzustellen, der überqualifiziert ist. Glaubt mir doch! Aber ich helfe euch gerne auf die Sprünge, keine Ursache! Denn ob ihr es glaubt oder nicht, davon profitieren alle – auch eure Quartalszahlen durch eine geringere Fluktuationsrate unter euren Beschäftigten. Denn genau das passiert, wenn ihr unterbezahlte überqualifizierte Arbeitnehmerinnen einstellt. Sie nehmen den Job zwar an, aber sobald sie ein besseres Angebot bekommen, sind sie auch wieder weg. Bitte hört auf, bessere Sekretariatsstellen an Universitätsabsolventen verschachern zu wollen. Eine Bewerberin mit einer kaufmännischen Berufsausbildung ist einfach besser dafür geeignet. Denn das Studium bereitet uns keines Falls auf eure Wutausbrüche, langweilige Tipparbeit und Terminplanungen, bei denen wir eure Gedanken lesen müssen, vor. Aber Arbeitserfahrung tut genau das. Mein höchster Respekt geht hiermit an all die Damen und Herren, die im Assistenz- und Vorzimmerbereich von all den aufgeblasenen, überbewerteten und rundum unfähigen Führungskräften arbeiten. Ich weiß wirklich nicht, wie Ihr das macht. Eure Geduld verdient einen scheiß Orden!
Stellenausschreibungs-Bla-Bla
Und wenn wir schon von besseren Sekretariatsstellen sprechen: Was sollen eigentlich diese aufgeplusterten Bezeichnungen und Arbeitstitel? Ich lese „Projektmanager“ im Titel (und ja, Projektmanager, nicht Projektmanager/in) und in der Stellenbeschreibung erkenne ich „Kundenbetreuung“. Oder „Marketingexperte“, mit Studium, Trillionen Jahren Berufserfahrung und allem Drum und Dran, für Aufgaben, die ein Praktikant ohne Vorkenntnisse erledigen kann. Abgerundet mit einem dazugehörigen Praktikumsgehalt.
Und ihr echauffiert euch in irgendwelchen pseudowissenschaftlichen Hetzen dann auch noch darüber, dass es keine Loyalität mehr gegenüber Unternehmen gibt und Millennials und die Generation-Y sowieso nur egozentrische Faulenzer seien. Ganz ehrlich?!
PS: Wer diesen Text gerne anstatt einer Bewerbung an eine Personalabteilung schicken möchtet – nur zu, ihr seid herzlich eingeladen!
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