Der Equal Pay Day 2015 und noch immer verdienen Frauen im Durchschnitt 22 Prozent weniger Geld als Männer. Wir sollten offen über Geld reden.
22 Prozent Lohnlücke
Heute freuen wir uns auf eine partielle Sonnenfinsternis. Sehen wir also schwarz? Wenn ja, könnte das noch einen anderen Grund haben. Es ist Equal Pay Day und der macht auf rote Zahlen in den Geldbeuteln aufmerksam. Die neuesten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes belegen: Frauen verdienen im Durchschnitt 22 Prozent weniger Geld als Männer.
Was ist meine Arbeit wert? Welche Qualifikation führt zu welchem Gehalt? Und welche Entscheidung im Lebensverlauf zu welcher Karriere? Bei diesen Fragen tappen wir meist im Dunkeln. Und andere wagen wir noch nicht einmal zu stellen, wie zum Beispiel: Was verdienst du eigentlich?
Vergangene Woche hörte ich bei der Sitzung der UN-Frauenrechtskommission in New York immer wieder, dass Deutschland bei der Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern als gutes Beispiel gesehen wird. Dass wir seit Jahren mit einer nahezu unveränderten Lohnlücke zu den Schlusslichtern in Europa zählen, steht für mich im absoluten Widerspruch. Wie können wir es schaffen, endlich Bewegung in diese Sache zu bringen? Der Equal Pay Day 2015 dreht sich um das Thema „Transparenz“. Ich glaube, wenn Gehälter kein Sprachtabu mehr und Gehaltsgefüge durchschaubar wären, hätten wir auch mehr Lohngerechtigkeit in Deutschland.
Mythen und Tabus beim Gehalt
In früheren Zeiten gab es keine wissenschaftlichen Erklärungen für eine Sonnenfinsternis. Überall auf der Welt entstanden daher Mythen um das Naturschauspiel. Die nordamerikanischen Arapaho-Indianer dachten, Sonne und Mond wechseln das Geschlecht, weshalb der Tag zur Nacht wird. In Deutschland ist bis heute das Reden über Geld ein gesellschaftliches Tabu. Haben wir uns schon einmal gefragt warum? Wovor fürchten wir uns? Ist es uns unangenehm, weniger zu verdienen? Haben wir Angst, dass unsere Kompetenz dann auch weniger geschätzt werden könnte? Oder wollen wir im umgekehrten Fall nicht riskieren, dass unser Gegenüber frustriert oder empört über unser Top-Gehalt ist? Dass wir uns plötzlich vielleicht sogar rechtfertigen müssten?
Ich frage mich, ob Geheimniskrämerei diese Scham- und Neidkultur nicht überhaupt erst befördert. Und sie ist ein Grund dafür, dass wir der Lohnlücke so selten in unserem eigenen Arbeitsalltag begegnen – so bleibt sie das abstrakte Ungetüm aus den Statistiken oder für manche ein „feministischer Mythos“.
Diskriminierung sichtbar machen
Die vielfältigen Wirkungen von Transparenz auf die Lohnlücke zu kalkulieren, ist kaum möglich. Sicher ist aber zweierlei: Die Wirkung setzt bei den strukturellen Ursachen – wie etwa der Unterbewertung typischer Frauenberufe – an und reicht bis zur Sichtbarmachung der diskriminierenden Faktoren. Letzteres ist Voraussetzung, um den unerklärten Teil des Verdienstunterschieds, die sogenannte bereinigte Lohnlücke von sieben Prozent, zu schließen.
Zweitens schafft Transparenz eine Unternehmenskultur, die durch Respekt, Vertrauen und Loyalität geprägt ist. Sie rückt die Gehälter aus den Mauschelzonen mitten zur Desinfektion ins Sonnenlicht. Die Folge: Die gemeinsame Wertschätzung und die Motivation steigen, denn Kollegen und Kolleginnen wissen, was der andere kann, leistet und dafür verdient.
Warten bis zum Blackout – oder bis 2081?!
Ich wünsche mir, dass das Datum des Equal Pay Day noch zu meinen Lebzeiten so weit nach vorne rückt, dass es sich buchstäblich selbst abschafft. Dass faire Löhne nicht nur auf dem Papier, in Verträgen und Gesetzen, sondern in der Lebenswirklichkeit zur Normalität werden. Am Freitag werden überall in Deutschland Ingenieure aus Angst vor einem Stromausfall, der durch die Schwankungen der Solarenergie hervorgerufen wird, die Luft anhalten.
Vielleicht ist ein „Blackout“ auch die einzige Lösung, um Stereotype, die Rollenbilder in den Köpfen, endlich zu löschen. Und dann wagen wir den Neuanfang? Ich glaube, wir können schon viel verändern, wenn Menschen wahrnehmen, was andere wert sind. Deshalb sollten wir am Equal Pay Day mehr Transparenz fordern und uns gemeinsam mit Männern und Frauen für eine faire Zukunft einsetzen. Die nächste totale Sonnenfinsternis erleben unsere Kinder und Enkel am 3. September 2081. So lange können wir auf diese Zukunft nicht warten.
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