In ihrer Twentysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche über das Übel, nicht alleine auf der Welt zu wohnen.
Igitt, Menschen!
Da stehe ich letztens gemütlich auf dem Alexanderplatz in Berlin und eine Gruppe Touristen beginnt mich zu nerven…kleiner Scherz, auf dem Alexanderplatz steht natürlich niemand gemütlich rum. Denn hier heißt es jeden Tag „Bonjour Tristesse“ und niemand besucht diesen Platz, wenn er nicht muss. Was also suchen die Touristen eigentlich hier? Einen Trigger für depressive Schübe? Und warum laufen die immer wie angeschossene Rehe umher, wild entschlossen, alle anzurempeln, die nicht zur Herde gehören?
Ich kann mich gerade noch so zurückhalten, nicht den roten Schirm ihres Tour-Guides an mich zu reißen und so weit wie möglich von mir zu schleudern – in der Hoffnung, die Depperten im Neon-Regenschutz rennen hinterher. Also schnell weg hier! Aber wie, wenn die Masse nun auch noch mit Schülern durchmischt wird, deren jugendlichen Slang ich nicht verstehe, nur dass er sehr laut und störend artikuliert werden muss? Aber mich nerven dort ja nicht nur die Touristen und Schulgruppen, es sind ja auch die Eingeborenen, Zugezogenen, ach was sag ich: die Menschen eben. Manchmal sind Menschen an sich ja einfach nur schwer zu ertragen.
Jetzt sagt ihr natürlich zu Recht: „Was lungert die Idiotin auch auf dem Alexanderplatz rum?“ Hier bekommen schließlich alle einen Blutsturz, die nicht mehr 16 Jahre und alkoholisiert oder auf einen Kaufrausch bei Primark aus sind – oder sich eben von der euphemistischen Beschreibung „Sehenswürdigkeit“ haben über den Tisch ziehen lassen. Aber leider ist es ja so: Menschen nerven nicht nur hier. Sie nerven ja fast immer.
Warum müsst ihr mich mit eurer Anwesenheit behelligen?
Zum Beispiel, wenn sie nach dem Aussteigen aus der U-Bahn nach einem Schritt in die Freiheit abrupt stehenbleiben, weil sie auf einmal nicht mehr wissen wohin sie wollen – und ich mich nur noch mit einem Hechtsprung vor unangenehmen Berührungen schützen kann. Wenn sie sich mit einem Früchtemüsli in der Tupperbox neben mich in die Tram setzen, schmatzend essen und beim nächsten Bremsen entschuldigend etwas Milch von meinem Ärmel streifen. Wenn ihnen erst an der Kasse, nach dem sehr langsamen Einpacken, einfällt, dass sie auch bezahlen müssen und dann ihren Geldbeutel nicht finden. Wenn sie sich im Park direkt neben mich setzen, obwohl um uns genug Platz wäre, um so weit voneinander entfernt zu entspannen, dass wir unsere Augenfarben nicht sofort erkennen können. Wenn sich Glitzimausi und die Zuckerbiene in einem Frageforum *knuddeln*, weil sie erfolgreich einen Haushaltstipp ausgetauscht haben. Wenn sie in der Bar am Tisch neben dir aufeinander einbrüllen, aber es noch nicht mal um ein Streitgespräch geht. Wenn sie sich an Eisdielen-Theken nicht entscheiden können, dann doch und dann doch nicht. „Hihi, sorry!“ Nix! Keine Entschuldigung! Du nervst!
Ach, ihr merkt schon – ich finde das Zusammenleben mit anderen Menschen auf diesem Planeten wirklich nicht leicht. Und hier habe ich ja nur den höchstbanalen Alltag aufgezählt. Von den wichtigen Dingen, dem ganzen existenziellen, politischen, gesellschaftlichen Zeug, habe ich ja noch nicht einmal angefangen. Aber auch da, ganz besonders da, sieht es ja übel aus. Denn mal ehrlich, es fällt manchmal schon schwer, dem anderen seine Meinung und Haltung zu lassen, wenn sie einfach von Grund auf dämlich ist. Aber da reiße ich mich natürlich zusammen und versuche wenigstens, gemeinsamen Konsens im Gespräch zu finden oder anderweitig für Besserung beizutragen – oder wenigstens andere ohne Rauferei zu ertragen. Einem Menschen aber, der mir seine aus der Box geschwappte Milch vom Ärmel wischt und dabei auch noch aus Versehen in meinen Pulli einarbeitet (dass ich hier nicht anfange, in Großbuchstaben weiterzuschreiben, ist meiner doch vorhandenen Milde zuzuschreiben), für den habe ich kein Verständnis. Solche Menschen sind einfach nur ein verdammtes Ärgernis! Also ertrage ich sie still und hasserfüllt. Ob das die Lösung ist? Wahrscheinlich nicht.
Warum schaut ihr nicht auch mal nach rechts und links?
Warum nur können die Menschen nicht mehr auf ihre Umwelt achten, frage ich mich immer? Schaut doch mal ein bisschen neben euch, und hört auf, andere mit eurem Zeug zu belästigen, aufzuhalten, einzuengen. Ich versuch’s doch auch! Versuche, Menschen, die mit meiner Person nichts zu tun haben, auch nicht mit meiner Person zu belästigen. So schwer ist das doch nicht! Benehmt euch doch ausnahmsweise einfach mal nicht so, als wärt ihr in einer Höhle aufgewachsen, das würde ja schon helfen!
Übertreibe ich? Na, vielleicht. Und eigentlich mag ich Menschen ja auch ganz gerne. Nur eben manchmal nicht. Aber ich hab euch ja schon von meinem Resting Bitch Face erzählt – vielleicht habe ich das ja doch nicht ohne Grund bekommen. Vielleicht bin ich eben doch eher Rumpel aus der Tonne als die Grinsekatze. Aber bin ich damit alleine auf weiter Flur? Oder gibt es da draußen noch andere Misanthropen? Wenn ja, bitte meldet euch! Aber nur ganz leise und möglichst unaufdringlich. Alles andere empfinde ich dann doch als störend.
Artikelbild: Andrea | Flickr | CC by 2.0
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