Nach Bekanntgabe der diesjährigen Oscar-Nominierungen wird die Akademie einmal mehr für den Mangel an Diversität bei ihrer Auswahl kritisiert. Unter den nominierten Schauspieler*innen ist gerade mal eine Person of Color und zum zweiten Mal in Folge wurde keine Filmemacherin in der Kategorie beste*r Regisseur*in nominiert.
Vielversprechende Produktionen, enttäuschende Nominierungen
Die Oscar-Nominierungen werden jedes Jahr mit Spannung erwartet. Filmliebhaber*innen spekulieren schon Wochen vor der Ankündigung, welche Werke und Personen wohl von der Akademie nominiert werden. Und da im vergangenen Jahr mehr Filme von Frauen geschrieben, produziert und inszeniert wurden als je zuvor, klang die Liste talentierter Frauen, die für eine Nominierung im Gespräch waren, ziemlich vielversprechend: Jennifer Lopez (beste Nebendarstellerin), Beyoncé (bester Song), Greta Gerwig (beste Regie), Claire Mathon (beste Bildgestaltung), Awkwafina und Lupita Nyong’o (beste Hauptdarstellerin).
Umso größer war dann die Enttäuschung darüber, dass die 24 Kategorien dominiert werden von vier Filmen, die allesamt aus Männerhand stammen. Hinzu kommt, dass für die Kategorien Kamera, Ton, visuelle Effekte und Regie keine einzige Frau nominiert wurde. Und das, obwohl viele der meistgepriesenen Filme des vergangenen Jahres von Frauen inszeniert wurden. Darunter die „Little Women“-Filmemacherin Greta Gerwig, die als erste Frau überhaupt zweimal für die beste Regie hätte nominiert werden können, aber auch viele weitere wie „The Farewell“ von Lulu Wang, „A Beautiful Day in the Neighborhood“ von Marielle Heller, „Hustlers“ von Lorene Scafaria, „Queen & Slim“ von Melina Matsoukas und „Harriet“ von Kasi Lemmons.
„Glückwunsch all den Männern“
In der fast 100-jährigen Geschichte der Akademie Awards wurden nur fünf Frauen überhaupt jemals für die beste Regie nominiert und nur eine davon, Kathryn Bigelow, auch ausgezeichnet. Verständlich also, dass sich die Schauspielerin und Filmproduzentin Issa Rae bei der Bekanntgabe der Nominierungen eine subtile Bemerkung nicht verkneifen wollte. Während ihr Co-Moderator, Schauspieler John Cho, nach der Bekanntgabe der Nominierungen mit einem breiten Lächeln neben ihr saß, sagte sie mit missbilligendem Blick „Glückwunsch all den Männern“ und sorgt damit nun für Applaus und jede Menge Meme-Material auf Social Media.
Neben den so männlichen Nominierungen fällt zudem auf, wie weiß die Auswahl der für einen Award nominierten Personen ist. Schauspieler*innen of Color sucht man, mit einer Ausnahme (Cynthia Erivo in „Harriet“), vergeblich und abgesehen von „Parasite” gibt es in den für den besten Film nominierten Werken so gut wie keine People of Color. Dabei gab es so einige Schauspieler*innen, die für die Nominierungen im Gespräch waren, darunter Lupita Nyong’o für ihre Rolle in „Us” und Jennifer Lopez für ihre Rolle in „Hustlers“. Einige User*innen haben nun den #OscarsSoWhite-Hashtag wiederbelebt, eine Bewegung, die 2015 von April Reign ins Leben gerufen wurde, um darauf aufmerksam zu machen, wie weiß die Oscar-Nominierungen und -Auszeichnungen sind.
„Bemühungen“ für mehr Diversität
Auch die Schriftstellerin Roxanne Gay regt sich auf Twitter über die Auswahl an Nominierungen auf und fragt spöttisch, ob sich die Mitglieder der Oscar-Akademie die Filme beispielsweise mit Jennifer Lopez und Lupita Nyong’o überhaupt angesehen hätten.
Laut der „New York Times“ hat sich die Akademie zuletzt darum bemüht, die Anzahl von Frauen und Vertreter*innen von Minderheiten bei ihren Mitgliedern zu erhöhen, indem sie mehr Filmfachleute aus dem Ausland eingeladen hat. Aber auch nach vier Jahren dieser „Bemühungen“ besteht die Organisation laut der „New York Times“ zu 68 Prozent aus männlichen und zu 84 Prozent aus weißen Mitgliedern. Dementsprechend sind diese so weißen, männlichen Nominierungen auch nicht weiter verwunderlich. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dauert es also mindestens noch ein Jahrhundert, bis man bei den Oscars endlich von Diversität sprechen kann.